Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des V in Jugoslawien, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 3. September 1991, Zl. III 56-1/91, betreffend Schubhaft und Aufenthaltsverbot,
Spruch
I. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Anordnung der vorläufigen Verwahrung (Schubhaft), den Auftrag zum sofortigen Verlassen des Bundesgebietes und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen die diesbezüglichen erstinstanzlichen Absprüche richtet.
II. zu Recht erkannt:
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 7. Mai 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 in der Fassung BGBl. Nr. 190/1990, ab Beendigung der Gerichtshaft "mit sofortiger Wirkung die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - zur Sicherung der Abschiebung -" angeordnet. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Bescheid derselben Behörde vom 18. Mai 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 3 und § 4 des Fremdenpolizeigesetzes ein bis zum 18. Mai 2001 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich erlassen. Ferner wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer gemäß § 6 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes das Gebiet, für welches das Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, sofort nach Zustellung des Bescheides zu verlassen habe. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Punkt 1) des angefochtenen Bescheides wurde die gegen den angeführten Bescheid vom 7. Mai 1991 eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und der genannte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, "daß im Spruch nach "(Schubhaft) zur" die Worte "Vorbereitung der" eingefügt werden und daß die Worte "mit sofortiger Wirkung" gestrichen werden."
Mit Punkt 2) des angefochtenen Bescheides wurde die gegen den angeführten Bescheid vom 18. Mai 1991 eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und der genannte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, "daß ein UNBEFRISTETES Aufenthaltsverbot erlassen wird".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Zu I.:
Im Beschwerdefall steht fest, daß der Beschwerdeführer am 21. Mai 1991 aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde. Damit wurde der Zweck des Schubhaftbescheides verwirklicht. Mit diesem Bescheid sind daher weitere für den Beschwerdeführer nachteilige Wirkungen nicht verbunden, sodaß die Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers durch diesen Bescheid zu verneinen ist (vgl. den hg. Beschluß vom 13. Juli 1990, Zl. 90/19/0308). Gleiches gilt für den vom Beschwerdeführer bekämpften Auftrag zum sofortigen Verlassen des Bundesgebietes sowie für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen die entsprechenden erstinstanzlichen Bescheide.
Die Beschwerde war daher in diesem Umfang - in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Zu II.:
Gemäß § 3 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 in der Fassung BGBl. Nr. 575/1987, (FPG) kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 hat gemäß § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG insbesondere - u.a. - zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung gemäß § 3 Abs. 3 FPG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
3.
die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.
Nach der Aktenlage weist der Beschwerdeführer folgende rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen auf:
1. LG Feldkirch vom 9. Februar 1978 wegen § 105 Abs. 1 StGB,
2. BG Innsbruck vom 26. Februar 1979 wegen § 83 Abs. 1 StGB,
3.
BG Innsbruck vom 24. Juli 1979 wegen § 83 Abs. 1 StGB,
4.
LG Innsbruck vom 14. September 1979 wegen §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB,
5. BG Innsbruck vom 10. September 1979 wegen § 83 Abs. 1 StGB,
6.
LG Innsbruck vom 7. Jänner 1980 wegen § 105 Abs. 1 StGB,
7.
LG Innsbruck vom 11. Februar 1980 wegen § 107 Abs. 1 und 2 StGB,
8. BG Innsbruck vom 23. August 1989 wegen § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 23. Mai 1979 wurde gegen den Beschwerdeführer ein bis 23. Mai 1984 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, welches u. a. auf die zu 1. und 2. angeführten gerichtlichen Verurteilungen gestützt wurde. Dieses Aufenthaltsverbot wurde am 3. April 1980 vollzogen.
Die zu 3. bis 8. angeführten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen wurden - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - noch nicht als bestimmte Tatsachen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer herangezogen. Da jedenfalls die zu 3. und 5., 4. und 8. sowie
6. und 7. angeführten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen jeweils wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen erfolgten und noch nicht getilgt sind, erfüllen sie den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FPG. Genauerer Feststellungen über den den Verurteilungen jeweils zugrundeliegenden Sachverhalt bedarf es dazu entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 28. Oktober 1991, Zl. 90/19/0514) rechtfertigt bereits die Verwirklichung eines der Tatbestände des § 3 Abs. 2 FPG die in § 3 Abs. 1 leg. cit. näher umschriebene Annahme, weshalb die belangte Behörde schon aus diesem Grunde - vorbehaltlich der Unbedenklichkeit der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 leg. cit. - im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angenommen hat.
Hinsichtlich der Interessenabwägung wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde zu Unrecht vor, die bestehenden familiären Bindungen nicht beachtet zu haben. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde darauf Bedacht genommen, daß die Bindung des Beschwerdeführers insbesondere an seine in Innsbruck bei den Müttern lebenden leiblichen Kinder von relativ großer Intensität sei und daß seine zweite geschiedene Gattin bereit wäre, ihn wieder zu ehelichen; der belangten Behörde kann jedoch nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf die Vielzahl der gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und den Umstand, daß ihn nicht einmal die Vollstreckung eines Aufenthaltsverbotes davon abhalten konnte, neuerlich straffällig zu werden, zum Ergebnis gelangte, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, zumal der Beschwerdeführer seinen Angaben im Verwaltungsverfahren zufolge ohnedies "in Jugoslawien lebt".
Wenn der Beschwerdeführer schließlich "die exorbitante Härte des Aufenthaltsverbotes, nämlich das höchstmögliche Maß", bekämpft, so ist darauf zu verweisen, daß ein Aufenthaltsverbot nach der Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1991, Zl. 90/19/0320) für jenen Zeitraum zu erlassen ist, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Mit der Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes hat die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht, daß sie einen bestimmten Zeitpunkt für den Wegfall des Grundes für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht vorhersehen könne. Dies kann im Hinblick auf die zahlreichen gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerde war daher in Ansehung der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Verhältnis Gericht Verwaltungsbehörde Verhältnis Gericht - VerwaltungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991190310.X00Im RIS seit
11.07.2001