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25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;Norm
ARHG §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IV, vom 27. Juli 1990, Zl. 6/1-1445/87-12, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1973-1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war als Bediensteter der Gemeinde Wien bei der Errichtung des Allgemeinen Krankenhauses als Gruppenleiter für die Baugruppe "Krankenhausneubauten" tätig. Mit Errichtung der Allgemeines Krankenhaus Wien Planungs- und Errichtungsgesellschäft AG (AKPE) wurde er zu deren Vorstandsdirektor bestellt. Im Zuge einer den Beschwerdeführer betreffenden Betriebsprüfung wurde ein Prüfungsbericht erstellt, der auf der Basis einer Vermögensrechnung einen ungeklärten Vermögenszuwachs von S 6,189.000,-- für die geprüften Jahre ergab. Auf der Grundlage dieses Betriebsprüfungsergebnisses erließ das Finanzamt für die Jahre 1973 bis 1979 die entsprechenden Sachbescheide betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer, wobei es die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO durch Schätzung ermittelte. In seiner Berufung gegen diese Bescheide wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Ansätze aus der von der Betriebsprüfung angestellten Vermögensrechnung und führte überdies ins Treffen, daß die bekämpften Bescheide rechtswidrig deswegen seien, weil sie auf Ergebnissen der in der Schweiz und in Liechtenstein durchgeführten Erhebungen beruhten, die nur im Rahmen von Rechtshilfeverfahren im Zuge eines gegen den Beschwerdeführer vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien anhängigen Strafverfahrens bekannt geworden seien. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Einkommen- und Gewerbesteuer 1976 teilweise Folge und änderte die angefochtenen Bescheide betreffend die Umsatzsteuer 1973 bis 1979 und die Einkommen- und Gewerbesteuer 1973 bis 1975 sowie 1977 bis 1979 ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom . E 27. November 1981, 6a Vr 720/81, ebenso wie das in derselben Strafsache gegen den Beschwerdeführer ergangene Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 17. Mai 1983 als Beweismittel im Abgabenverfahren herangezogen werden dürften. Da sich aus diesen Urteilen die Umsätze und Einkünfte des Beschwerdeführers aus seinen zum Anlaß für die strafgerichtliche Verurteilung genommenen Vorgangsweisen zahlenmäßig klar ergäben, erweise sich das von der Betriebsprüfung verwendete Hilfsmittel der Vermögensrechnung als entbehrlich, weshalb sich eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Beschwerdeführers zu den Ansätzen dieser Vermögensrechnung erübrige.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Ausführungen zu den Beschwerdepunkten zwar erklärt, den angefochtenen Bescheid auch "wegen sachlich und numerisch falscher Zahlungsdarstellung" anzufechten, eine Darstellung der behaupteten Unrichtigkeit des angefochtenen Bescheides unter diesem - wie immer auch zu verstehenden - Gesichtspunkt aber in den Beschwerdeausführungen unterläßt, was es dem Gerichtshof verwehrt, den angefochtenen Bescheid über das seine behauptete Rechtswidrigkeit aufzeigende Beschwerdevorbringen hinaus einer rechtlichen Überprüfung unter Aspekten zu unterziehen, die der Beschwerdeführer nicht klarlegt.
Den einzigen im verwaltungsgerichtlichen Sachvorbringen des Beschwerdeführers dargestellten Beschwerdepunkt bildet die Behauptung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Verwendung jener strafgerichtlichen Urteile als Beweismittel im Abgabenverfahren, die sich auf Ermittlungsergebnisse solcher ausländischer Behörden stützen, welche die begehrte Rechtshilfe im gerichtlichen Strafverfahren ausdrücklich nur mit der Auflage gewährt hatten, daß die Ermittlungsergebnisse für Fiskalverfahren nicht verwendet werden dürften.
Hiezu ist nun zunächst festzuhalten, daß ein Beweisverwertungsverbot dem Verfahren zur Abgabenerhebung nach den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung grundsätzlich fremd ist. Während wohl auf dem Gebiete des Finanzstrafrechtes mit § 98 Abs. 4 Finanzstrafgesetz ein Beweisverwertungsverbot seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 571/85 statuiert ist, gilt für das Verfahren zur Abgabenfestsetzung nach der Bundesabgabenordnung weiterhin uneingeschränkt die Vorschrift des § 166 BAO, nach welcher als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. In bislang ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof daher auch ausgesprochen, daß die Verwertbarkeit eines Beweismittels auch dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß es durch eine Rechtsverletzung in den Besitz der Abgabenbehörde gelangte (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 6. Juni 1990, 89/13/0262, 89/13/0263, 0264 mit weiteren Nachweisen).
Dem Beschwerdeführer ist allerdings einzuräumen, daß sich der Bestand eines auch für das Verfahren zur Abgabenfestsetzung nach der Bundesabgabenordnung wirksamen Beweisverwertungsverbotes aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen gesetzesergänzenden Inhaltes im Sinne des Art. 50 B-VG ergeben könnte. Das von Österreich am 31. Juli 1968 ratifizierte europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen samt Vorbehalten und Erklärungen, BGBl. 1969/41, wurde von der Schweiz mit dem Vorbehalt ratifiziert, in besonderen Fällen Rechtshilfe nur unter der ausdrücklichen Bedingung zu leisten, daß die Ergebnisse der in der Schweiz durchgeführten Erhebungen und die in herausgegebenen Akten oder Schriftstücken enthaltenen Auskünfte ausschließlich für die Aufklärung und Beurteilung derjenigen strafbaren Handlungen verwendet werden dürfen, für die die Rechtshilfe bewilligt wird. Das Fürstentum Liechtenstein ist dem genannten Übereinkommen mit dem schon in Art. 5 Abs. 1 lit. a des Übereinkommens vorgesehener. Vorbehalt beigetreten, die Erledigung von Rechtshilfeersuchen um Anwendung von Zwangsmitteln davon abhängig zu machen, daß die dem Rechtshilfeersuchen zugrundeliegende strafbare Handlung sowohl nach dem Recht des ersuchenden Staates als auch nach dem des ersuchten Staates strafbar ist (Kundmachung BGBl. 1970/25). Das Bundesgesetz vom 4. Dezember 1979 über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. 1979/529, (ARHG) ordnet in seinem 5 4 an, daß Bedingungen, die ein anderer Staat anläßlich unter anderem der Leistung von Rechtshilfe gestellt hat und die nicht zurückgewiesen wurden, einzuhalten sind.
Die letztgenannte Bestimmung macht deutlich, daß es entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift zum Ausdruck gebrachten Auffassung nicht entscheidend auf die Frage ankommt, welche Vorbehalte die die Rechtshilfe leistenden Staaten in Übereinstimmung mit dem europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 gemacht hatten, sondern vielmehr auf die Frage, unter welchen, von den inländischen Justizbehörden nicht zurückgewiesenen Bedingungen die ausländischen Behörden die begehrte Rechtshilfe im konkreten Fall geleistet hatten. Hätten sich die den Abgabepflichtigen verurteilenden strafgerichtlichen Urteile auf die Ergebnisse von Rechtshilfeerhebungen gestützt, die nur unter einer nicht zurückgewiesenen Bedingung gewährt worden sein sollten, welche auch die Behörden des Abgabenfestsetzungsverfahrens kraft der normativen Wirkung des 4 ARHG an der Verwendung der Rechtshilfeergebnisse gehindert hätte, müßte ein solcherart wirksam begründetes Beweisverwertungsverbot auch die strafgerichtlichen Urteile erfassen. Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, daß es eine unzulässige Umgehung solcherart allenfalls bestehender Beweisverwertungsverbote bedeuten würde, wollte man ihre einmal erkannte Wirksamkeit auf die Rechtshilfeergebnisurkunden allein beschränken, gerichtliche Entscheidungsergebnisse, die auf ihnen beruhen, hingegen vom Verwertungsverbot als nicht umfaßt betrachten. Diese Erwägungen zeigen den Begründungsmangel auf, mit dem die belangte Behörde ihren Bescheid in erheblicher Weise belastet hat. Es hätte die belangte Behörde ihre Tatsachenfeststellungen auf die den Beschwerdeführer verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisse nur dann stützen dürfen, wenn sie gleichzeitig dargetan hätte, daß diese Urteile nicht auf Beweisergebnissen beruhen, die im Verfahren zur Abgabenfestsetzung zu verwerten der Behörde auf Grund eines allenfalls wirksam begründeten Beweisverwertungsverbotes verwehrt gewesen wäre. Dies klarzulegen, hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides unterlassen, indem sie sich zu dieser Frage auf die Wiedergabe der vom Bundesministerium für Finanzen eingeholten Rechtsmeinung der Zulässigkeit der Verwendung der Strafurteile beschränkt hat. Zwar ist der - dem Beschwerdeführer entgegen seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren mitgeteilten Erklärung des Bundesministeriums für Finanzen rechtlich insoweit beizupflichten, als ein bestehendes Beweisverwertungsverbot für fiskalische Strafsachen allein im Verfahren zur Abgabenfestsetzung Wirksamkeit nicht entfalten könnte. Dem vom Beschwerdeführer gezogenen Größenschluß vom Finanzstrafverfahren auf das Abgabenfestsetzungsverfahren steht die Unterschiedlichkeit der Verfahrensziele ebenso entgegen wie die dadurch bedingte Unterschiedlichkeit der prozessualen Rechtsstellung der Partei, wie sie sich in den Bestimmungen des § 84 Abs. 2 Finanzstrafgesetz einerseits und den Bestimmungen der §5 119 ff BAO andererseits manifestiert.
Vermissen läßt die Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch zum einen die Klarstellung jener Beweisergebnisse, auf denen die von der belangten Behörde für ihre Tatsachenfeststellungen herangezogenen, in den Verwaltungsakten aber dessen ungeachtet nicht einliegenden Strafurteile beruhen, zum anderen unterläßt die Begründung jegliche Auseinandersetzung mit den Bedingungen, unter denen vom Strafgericht allenfalls verwertete Rechtshilfeergebnisse von den in Betracht kommenden ausländischen Behörden zur Verfügung gestellt worden waren. Die Rechtmäßigkeit der Verwendung der strafgerichtlichen Urteile als Beweismittel im Abgabenfestsetzungsverfahren in der vom Gerichtshof geforderten Weise zu begründen, war die belangte Behörde schon deswegen gehalten, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auf die von ihm gesehene Unzulässigkeit des von der belangten Behörde als beabsichtigt geäußerten Vorhabens ausdrücklich hingewiesen hatte. Der von der belangten Behörde nunmehr unternommene Versuch, die im angefochtenen Bescheid versäumten Begründungselemente in der Gegenschrift teilweise nachzutragen, kann den vorliegenden Verfahrensmangel nicht beseitigen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit 607 wiedergegebene hg. Judikatur). Es war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, was gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung geschehen konnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991 und im Zusammenhalt mit § 59 Abs. 1 VwGG Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen; der Anschluß des Schreibens des Beschwerdeführers an das Bundesministerium für Finanzen vom 29. Dezember 1989 war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich, der angefochtene Bescheid war lediglich in einfacher Ausfertigung anzuschließen, die Vollmacht nur mit
S 120,-- zu vergebühren. .
W i e n , am 22. Jänner 1992
Schlagworte
BeweisverwertungsverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990130237.X00Im RIS seit
24.07.2001