TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/23 91/06/0177

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Veröffentlicht am 23.01.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der R in G, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. August 1991, Zl. 3-12 Ro42-91/5, betreffend Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde in Verbindung mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin hatte ihrem Rechtsvertreter den Auftrag erteilt, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde Berufung einzubringen. Zum Zwecke der Fristeintragung habe die Kanzleileiterin des Rechtsfreundes der Beschwerdeführerin im Auftrag des Arbeitgebers, wie dies üblicherweise durchgeführt werde, die Beschwerdeführerin befragt, wann der gegenständliche Bescheid zugestellt worden sei. Diese habe der Kanzleileiterin mitgeteilt, daß der Bescheid am 24. August 1990 beim Postamt hinterlegt worden sei und daß sie diesen in weiterer Folge am 29. August 1990 beim Postamt abgeholt habe. Infolge eines Irrtums habe die Kanzleileiterin jedoch nicht das Hinterlegungsdatum, sondern das Abholdatum vermerkt und darauf die Fristeintragung vorgenommen, die der Rechtsfreund der Beschwerdeführerin auf Grund dieses Vermerkes überprüft und als richtig befunden habe. Durch die als Folge der falschen Eintragung unrichtige Berechnung der Frist sei die Berufung gegen den Bescheid verspätet eingebracht worden. Den auf den eingangs angeführten Sachverhalt gestützten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 14. Jänner 1991 ab; die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom 22. April 1991 mit der Begründung abgewiesen, daß in der nicht organisierten Überprüfungsmöglichkeit der Richtigkeit des Fristbeginnes das Verschulden des Rechtsfreundes liege.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den Berufungsbescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin mit der Begründung ab, daß nach ständiger Rechtsprechung allein der Anwalt für die richtige Berechnung der Rechtsmittelfrist verantwortlich sei. Er habe die Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tue er dies nicht oder unterlaufe ihm dabei ein Versehen, so treffe ihn ein Verschulden, welches sich gegen die ihn vertretene Partei auswirke.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dabei bekämpft die Beschwerdeführerin insbesondere die Rechtsansicht, daß es Sache des Rechtsvertreters sei, die Grundlagen für die Rechtzeitigkeit eines zu erhebenden Rechtsmittels selbst zu prüfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG, in der Fassung der Novelle 1990, BGBl. Nr. 357, ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die mit einem Rechtsnachteil verbundene Versäumung einer Frist zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, E Nr. 33 f, zu § 71 AVG, und die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 656, zitierte Judikatur). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmung des § 71 Abs. 1 lit. a AVG in Verbindung mit § 12 AVG nur dann in Betracht, wenn dem Antragsteller oder seinem Vertreter entweder kein oder nur ein minderer Grad des Verschuldens angelastet werden kann.

Zu Unrecht bekämpft die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht der belangten Behörde, der Rechtsvertreter habe die Prüfung des Zustelldatums des zu bekämpfenden Bescheides selbst vornehmen müssen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes gehört es zu den Pflichten des Rechtsanwaltes, die Information mit der Partei, worunter auch die Erhebung des Zustelldatums fällt, entweder selbst aufzunehmen oder einen rechtskundigen Mitarbeiter damit zu betrauen; es jedoch nicht der Kanzlei zu überlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1991, Zl. 91/05/0182, in dem sogar der Standpunkt vertreten wird, daß der Rechtsanwalt nicht einmal der vom Mandanten erteilten Information über den Zustellzeitpunkt der angefochtenen Entscheidung ungeprüft vertrauen dürfe, weil er sonst seine Diligenzpflicht in einer Weise verletze, welche nicht mehr als minderer Grad des Versehens angesehen werden könnte). Diese Unterlassung stellt bereits einen Mangel in der Kanzleiorganisation dar, der - da dies nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Kanzlei ihres Rechtsfreundes üblich war - auch nicht mehr als minderes Versehen eingestuft werden kann. Soweit die Beschwerdeführerin die Ansicht vertritt, daß die Führung des Fristenvormerks der Kanzlei überlassen werden kann und dies nur regelmäßig zu kontrollieren ist, vermengt sie die Frage der Durchführung der Eintragungen im Fristenvormerk mit der Prüfung der Grundlagen hiefür, für die der Rechtsanwalt oder ein rechtskundiger Mitarbeiter verantwortlich ist. Die Verwaltungsbehörden haben daher mit Recht das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin verneint.

Da sich bereits aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt, daß Rechte der Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991060177.X00

Im RIS seit

23.01.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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