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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Tir 1989 §40 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des L in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 26. August 1991, Zl. 2/4-2/1991, betreffend Übertretungen der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Übertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a der Tiroler Bauordnung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Hinsichtlich der Übertretung nach § 53 Abs. 1 lit. f der Tiroler Bauordnung wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 16. Mai 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, dadurch daß er am 13. April 1991 und am 16. April 1991 auf seiner Grundparzelle Nr. n1, KG S, Arbeiten zur Errichtung eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes durchgeführt habe, obwohl für dieses bewilligungspflichtige Bauvorhaben keine rechtskräftige Baubewilligung vorlag und überdies mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 2. April 1990, zugestellt am 12. April 1990, die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagt wurde, zu 1. § 53 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 25a der Tiroler Bauordnung (TBO) und 2. § 53 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit § 40 Abs. 2 TBO verletzt zu haben. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurden über ihn Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 30.000,-- (Ersatzarrest jeweils 13 Tage) verhängt. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß der angeführte Sachverhalt aufgrund der Anzeigen des Gendarmeriepostens und der Verantwortung des Beschwerdeführers erwiesen sei. Insbesondere aufgrund des rechtskräftigen Berufungserkenntnisses der Tiroler Landesregierung vom 22. August 1991 (richtig wohl 1990) habe der Beschwerdeführer gewußt, daß die Durchführung von Bauarbeiten am gegenständlichen Bauvorhaben in rechtswidriger Weise erfolgte. Als Schuldensform wurde "Wissentlichkeit" angenommen. Als erschwerend wurde das Vorliegen jeweils einer einschlägigen rechtskräftigen Vorstrafe berücksichtigt.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 26. August 1991 abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Begründung ihres Bescheides zufolge ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß es sich bei den Straftatbeständen nach § 53 Abs. 1 lit. a und § 53 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit § 40 Abs. 2 TBO um zwei unabhängig voneinander zu ahndende Straftatbestände handelt. Zur Strafbemessung wurde ausgeführt, daß der Unrechtsgehalt der begangenen Übertretungen deshalb als gravierend zu betrachten sei, da der Beschwerdeführer trotz zweier Verwaltungsstrafen und trotz Zustellung des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 2. April 1990, mit dem die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagt wurde, weiterhin Bauausführungshandlungen setzte. Es sei daher davon auszugehen, daß er vorsätzlich gehandelt habe und ihm die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bewußt gewesen sei. Im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen von S 100.000,--, der von der Erstbehörde lediglich mit etwas mehr als einem Viertel ausgeschöpft worden sei, müßten die verhängten Geldstrafen als äußerst günstig für den Beschwerdeführer betrachtet werden, weil es sich bei dem gegenständlichen Bauvorhaben einerseits nicht um eine geringfügige bauliche Anlage handle, andererseits auch berücksichtigt werden könne, daß ein Wiederholungsfall vorliege, bei dem nicht nur eine Geldstrafe, sondern auch eine Arreststrafe bis zu drei Monaten verhängt werden könne. In der Vergangenheit habe sich gezeigt, daß die von der Behörde erster Instanz verhängten Geldstrafen den Beschwerdeführer nicht davon abhielten, weitere Bauausführungshandlungen zu setzen.
Zur Frage, ob es sich bei den Straftatbeständen nach § 53 Abs. 1 lit. a und § 53 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit § 40 Abs. 2 TBO um zwei unabhängig voneinander zu ahndende Straftatbestände handelt, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das an denselben Beschwerdeführer ergangene hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1991, Zl. 91/06/0137, verwiesen. In diesem Erkenntnis wurde ausgeführt, da die Baueinstellung wegen Fehlens einer Baubewilligung und nicht etwa wegen eines anderen der im § 53 Abs. 1 lit. f TBO angeführten Sachverhaltes erfolgte, durch das Weiterbauen ohne Baubewilligung seit Erlassen der Einstellverfügung durch den Beschwerdeführer dasselbe Rechtsgut verletzt wurde und daher seit der Erlassung der Einstellverfügung hinsichtlich des Deliktes zu Punkt 1. Konsumtion vorliege. Diesbezüglich ist auch im vorliegenden Fall eine unzulässige Doppelbestrafung des Beschwerdeführers gegeben. Da die Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a TBO durch jene gemäß lit. f überlagert wird, war der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Verwaltungsübertretung zu Punkt 1. mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer nach Zustellung des Baueinstellungsbescheides weitere Arbeiten zur Errichtung eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes durchgeführt hat. Somit ist der Tatbestand des § 53 Abs. 1 lit. f TBO in objektiver Hinsicht verwirklicht. Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, daß die Behauptungen des Beschwerdeführers, es habe für ihn eine Art des Notstandes vorgelegen, da die Arbeiten am Dachstuhl notwendig gewesen seien, um Schäden vom Objekt fernzuhalten, unberechtigt sind. Die Gefahr der Beschädigung seines Bauwerkes hat der Beschwerdeführer selbst herbeigeführt, da er mit dem Bauvorhaben vor Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides begonnen hat. Aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer trotz Vorliegens eines Baueinstellungsbescheides und eines rechtskräftigen Straferkenntnisses weitergebaut hatte, konnte die belangte Behörde zu Recht auf das Vorliegen von Vorsatz schließen. Die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Bauens trotz Vorliegens eines Baueinstellungsbescheides erfolgte daher grundsätzlich zu Recht.
Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften den Umstand, daß der unabhängige Verwaltungssenat zu Unrecht von der Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe. Gerade im gegenständlichen Fall sei es angezeigt gewesen, die mündliche Verhandlung durchzuführen, um den Mitgliedern des unabhängigen Verwaltungssenates die Umstände und Gründe, die zu diesem Verfahren geführt hätten, darzulegen. Ein Verfahrensmangel, der eine erschöpfende Beurteilung des Sachverhaltes zu hindern geeignet gewesen sei, sei auch darin gelegen, daß der Verwaltungssenat in den Bauakt der Gemeinde S, aus dem nämlich ersehen werden könne, daß der Bürgermeister und darauf aufbauend der Gemeindevorstand in unzulässiger und rechtsirriger Art und Weise das Bauvorhaben des Beschuldigten verhindere, nicht eingesehen habe. Der unabhängige Verwaltungssenat hätte zumindest den Beschwerdeführer davon in Kenntnis setzen müssen, daß eine mündliche Verhandlung nicht beabsichtigt sei und hätte ihm Gelegenheit geben müssen, seine Berufung entsprechend weiter auszuführen, insbesondere zu seinen Vermögensverhältnissen (der Beschwerdeführer gibt sein Einkommen mit einer monatlichen Rente von S 5.000,-- an) detailliert Stellung zu nehmen.
Zu diesem Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt, es sei eine solche auch nicht erforderlich gewesen, weil vom Beschwerdeführer nur die unrichtige rechtliche Beurteilung des von der Behörde festgestellten Sachverhaltes gerügt worden sei.
Gemäß § 51 e Abs. 1 VStG ist dann, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist dann, wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde. Gemäß Abs. 3 kann von der Verhandlung abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung nicht die Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes bestritten, sondern insofern eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, als der Hintergrund, zu den Verwaltungsübertretungen geführt habe, nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem an den Beschwerdeführer ergangenen Erkenntnis vom 10. Oktober 1991, Zl. 91/06/0137, ausgeführt, daß die Gründe, die für die nicht zeitgerechte Erteilung der Baubewilligung maßgebend waren, nicht zu überprüfen sind. Um diese Gründe zu erheben, war daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich; ausdrücklich hat der Beschwerdeführer in der Berufung nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verlangt.
Bereits in seiner Berufung hat der Beschwerdeführer seine monatlichen Einkünfte mit ca. S 5.000,-- angegeben, in der Beschwerde wird das Einkommen des Beschwerdeführers ebenfalls mit dieser Höhe bekanntgegeben. Da der Beschwerde nicht entnommen werden kann, daß der Beschwerdeführer bei einer öffentlichen mündlichen Verhandlung andere Vermögensverhältnisse dargelegt hätte, ist die Annahme nicht begründet, daß die Behörde bei Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hinsichtlich der Strafbemessung hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Daß ein rechtswidriges Unterbleiben der öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung in jedem Falle die Aufhebung des Berufungsbescheides nachziehen müßte, ist dem Gesetz fremd, der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits mit Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0165, ausgeführt, daß ein zur Aufhebung des Bescheides führender Verfahrensmangel nur vorliegt, wenn die Annahme begründet ist, daß die belangte Behörde bei Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Die Ausführungen der belangten Behörde zur Strafbemessung sind im Ergebnis zutreffend. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Beschwerdeführer bereits vor dem 13. April 1991 rechtskräftig einschlägig vorbestraft war, auch durch mehrmaliges behördliches Einschreiten nicht davon abzuhalten war, rechtswidrigerweise weiterzubauen, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, daß aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer Geldstrafe von S 30.000,-- bei einem gesetzlichen Strafrahmen bis zu S 100.000,-- angemessen war.
Aufgrund der oben angeführten unzulässigen Doppelbestrafung war der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Verwaltungsübertretung zu Punkt 1. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 und 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid"European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991060186.X00Im RIS seit
03.05.2001