TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/27 91/10/0155

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Veröffentlicht am 27.01.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §10 Abs3;
ApG 1907 §15 Abs5;
ApGNov 1990 Art2;
AVG §56;
AVG §64 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Verlassenschaft nach Mag.pharm. ES, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin FS in I, diese vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 22. Mai 1991, Zl. 262.100/4-II/A/4a/90, betreffend Fortführung des Konzessionsverfahrens zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in I (mitbeteiligte Partei: Dr. AR in I, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 23. Februar 1987 erteilte der Landeshauptmann von Burgenland dem Mag.pharm. ES auf Grund des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 (im folgenden: ApG) in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984, die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in I. Mit Bescheid vom 23. September 1987 genehmigte der Landeshauptmann die Verlegung der Betriebsstätte von der Adresse X zur Y.

1.2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. Jänner 1989 wies der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst den Antrag des mitbeteiligten hausapothekenführenden Arztes auf Zuerkennung der Parteistellung sowie auf Zustellung des Bescheides über die Konzessionsverleihung an Mag.pharm. ES als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der mitbeteiligte Arzt Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 16. Jänner 1990, Zl. 89/08/0063 = ZfVB 1990/4/1604, gab der Verwaltungsgerichtshof dieser Beschwerde Folge und hob den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

1.3. Mit Bescheid vom 28. Juni 1990 erkannte der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst dem Mitbeteiligten über dessen Antrag Parteistellung im bereits abgeschlossenen Konzessionsverfahren zur Erhebung eines Rechtsmittels zu.

Daraufhin erhob der Mitbeteiligte mit Eingabe vom 17. Juli 1990 Berufung gegen den Konzessionsbescheid. Der Konzessionär verstarb am 17. September 1990. 1.4. Mit Bescheid vom 22. Mai 1991 behob der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz den Konzessionsbescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 23. Februar 1987, wies das Ansuchen wegen des Todes des Konzessionswerbers zurück und stellte das Berufungsverfahren ein.

Nach der Begründung dieses Bescheides komme der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke ein höchstpersönlicher Charakter zu, was eine Rechtsnachfolge ausschließe. Wegen des Todes des Konzessionswerbers könne das Verfahren nicht mehr weitergeführt werden. Bezug genommen werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 1960, Zl. 1065/60.

1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in dem ihr gemäß Art. II Abs. 2 der Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 362 (im folgenden: ApGNov 1990), im Zusammenhalt mit § 15 Abs. 5 ApG zustehenden Recht, daß sämtliche Wirkungen von Bescheiden bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über allfällige Rechtsmittel auch den übergangenen Parteien gegenüber aufrecht bleiben, verletzt. Die beschwerdeführende Partei habe damit auf Grund der dem Mag.pharm. ES erteilten Konzession auch weiterhin das Recht auf Teilnahme an dem Verfahren über die vom Mitbeteiligten erhobene Berufung als Partei und dürfe in dieses Verfahren gemäß § 8 AVG und § 15 Abs. 5 ApG als Rechtsnachfolgerin nach Mag.pharm. ES eintreten.

1.6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

1.7. Mit Beschluß vom 30. September 1991, B 800/91, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer gegen den angefochtenen Bescheid auch vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Parallelbeschwerde ab.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 15 Abs. 5 ApG bedarf es während der Dauer einer Verlassenschaftsabhandlung zur Fortführung einer öffentlichen Apotheke für Rechnung der Masse keiner neuen Konzession.

Art. II ApGNov 1990 lautet:

"(1) Die gemäß § 29 Abs. 4 und 5 betroffenen Ärzte, die nach dem 1. Jänner 1985 und vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in einem Verfahren betreffend die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke nicht als Partei beigezogen waren, können ihre Parteienrechte bis längstens sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltend machen.

(2) Wurden Parteien im Sinne des Abs. 1 übergangen, bleiben sämtliche Wirkungen von Bescheiden bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über allfällige Rechtsmittel auch den übergangenen Parteien gegenüber aufrecht."

Die ApGNov 1990 ist am 30. Juni 1990 in Kraft getreten.

2.2.1. Dem mitbeteiligten praktischen Arzt wurde auf Grund seines vor Inkrafttreten der ApGNov 1990 gestellten Antrages mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juni 1990 Parteistellung im rechtskräftig abgeschlossenen Konzessionsverfahren betreffend die Errichtung und den Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in I zuerkannt. Mit Eingabe vom 17. Juli 1990 erhob der Mitbeteiligte gegen den Konzessionsbescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 23. Februar 1987 Berufung. Der Konzessionär verstarb während dieses Berufungsverfahrens.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes besteht - lege non distinguente - kein Zweifel, daß dieser prozessuale Sachverhalt anhand der Übergangsbestimmung des Art. II ApGNov 1990 nicht anders zu beurteilen ist als der Fall einer Geltendmachung der Parteistellung nach Inkrafttreten der Novelle 1990.

Auslegungsbedürftig ist also Art. II Abs. 2 ApGNov 1990 und hier in erster Linie die Wendung "Parteien im Sinne des Abs. 1". Unter diesen übergangenen "Parteien im Sinne des Abs. 1" sind nun jene gemäß § 29 Abs. 4 und 5 ApG betroffenen Ärzte zu verstehen, die nach Art. II Abs. 1 ApGNov 1990 das weitere Merkmal aufweisen, daß sie in einem Apothekenneuerrichtungsverfahren nach dem 1. Jänner 1985 und vor dem 30. Juni 1990 nicht als Parteien beigezogen waren. An dieses zuletzt genannte Merkmal und die damit gekennzeichnete Verfahrenssituation knüpft die Übergangsbestimmung des Art. II ApGNov 1990 zwei Rechtsfolgen: Zum einen ordnet Art. II Abs. 1 leg. cit. an, daß diese Ärzte ihre Parteienrechte nicht länger als sechs Monate nach Inkrafttreten der ApGNov 1990 ausüben dürfen. Die Bestimmung erfaßt nach den Erläuterungen zur RV 1336 BlgNR XVII. GP sowohl rechtskräftig abgeschlossene als auch anhängige Verfahren. Zum anderen sieht Art. II Abs. 2 ApGNov 1990 vor, daß dann, wenn übergangene Parteien im Sinne des Abs. 1 gegeben sind, alle Bescheide, also auch insbesondere der Konzessionsbescheid, vorläufig keinerlei rechtliche Wirkungen verlieren. In den eben zitierten Erläuterungen zur RV heißt es dazu:

"Mit dem Abs. 2 soll nach der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt werden, daß die Zustellung des Konzessionsbescheides an die übergangene Partei und dessen Bekämpfung die Rechtskraft dieses Bescheides noch nicht beseitigt. Soweit bleiben Konzessionsbescheide bis zu einer allenfalls anderslautenden - auch der übergangenen Partei gegenüber formell rechtskräftigen - Entscheidung im neu aufgerollten Verfahren rechtskräftig und verbindlich; auch Bescheide über die Rücknahme von Hausapothekenbewilligungen bleiben zunächst - auch im Wege der Wiederaufnahme - unangreifbar; auf Grund der weiterhin rechtskräftigen und somit verbindlichen Konzession sind Hausapothekenbewilligungen vorerst weiterhin gemäß § 29 Abs. 4 und 5 zurückzunehmen."

2.2.2. Jedenfalls aus dieser besonderen Regelung des Aufrechtbleibens "sämtlicher Rechtswirkungen von Bescheiden" - und ohne daß es einer weiteren Untersuchung bedürfte, was sonst im Falle übergangener Parteien rechtens wäre - folgt, daß dem erstinstanzlichen Konzessionsbescheid eine allseitige Sperrwirkung zukommt, sodaß der sonst mit der Einbringung einer Berufung, insbesondere mit ihrer aufschiebenden Wirkung, verbundene Schwebezustand nicht eintritt. Diese Sperrwirkung der erstinstanzlichen Entscheidung, die gemäß Art. II Abs. 2 ApGNov 1990 "auch den übergangenen Parteien gegenüber aufrecht" bleibt, schließt jedenfalls in der Sphäre des Konzessionärs die Tatbestandswirkung mit ein, daß sein Tod während des anhängigen Verfahrens über die Berufung des übergangenen hausapothekenführenden Arztes den Rechtsübergang der öffentlich-rechtlichen Konzession auf die Verlassenschaft auslöst.

Der Übergang auf die beschwerdeführende Verlassenschaft ist somit eingetreten und als rechtsverbindlich zu betrachten. Von dieser Sach- und Rechtslage hätte die belangte Berufungsbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Berufungsbescheides auszugehen gehabt. Der Tod des Konzessionärs ist in diesem Zeitpunkt kein Umstand mehr, der die meritorische Behandlung der Berufung des Mitbeteiligten, deren Gegenstand die Bedarfsfrage ist, gehindert hätte. Als Partei des Berufungsverfahrens wäre vielmehr ab dem Zeitpunkt dieses Rechtsüberganges die Verlassenschaft zu behandeln gewesen. Bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen wäre in der Berufungsentscheidung der Verlassenschaft die ihrem Fortbetriebsrecht im Sinne des § 15 Abs. 5 ApG zugrundeliegende Konzession des Mag.pharm. ES zu verleihen, andernfalls dessen von ihr aufrecht erhaltenes Konzessionsansuchen abzuweisen gewesen.

2.3. Da die belangte Behörde die Besonderheit der durch Art. II Abs. 2 ApGNov 1990 geschaffenen Rechtslage verkannte, sich insofern zu Unrecht auf das hg. Erkenntnis vom 17. November 1960, Zl. 1065/60, stützte und das Konzessionsansuchen wegen des Todes des seinerzeitigen Antragstellers zurückwies, statt in eine meritorische Prüfung der Berufung des Mitbeteiligten einzutreten, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.5. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).

Schlagworte

Beschränkungen der Änderungen im Personenkreis der Verfahrensbeteiligten (siehe auch Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Person des Bescheidadressaten) Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Parteistellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100155.X00

Im RIS seit

25.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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