Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1973 §74 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juli 1991, Zl. 312.493/2-III-3/91, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: G in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 15. November 1988 wurde die Änderung der Betriebsanlage im Standort W, S-Gasse 20, in welcher die mitbeteiligte Partei die Konzession "Gastgewerbe in der Betriebsart eines Gasthauses" auszuüben beabsichtige, nach Maßgabe des Planes, auf den sich dieser Bescheid beziehe, gemäß § 81 GewO 1973 unter Vorschreibung mehrerer Auflagen genehmigt. Punkt 10 dieser Auflagen hatte folgenden Wortlaut:
"Die Türe vom Extrazimmer zum Hausstiegenhaus ist während der Betriebszeit geschlossen zu halten."
Über Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. August 1989 diese Auflage dahingehend abgeändert, daß sie zu lauten hatte wie folgt:
"10.) Die Türe vom Extrazimmer ins Stiegenhaus ist entweder brandhemmend (T 30) gemäß ÖNORM B 3850 auszuführen, oder es ist diese Türöffnung betriebsseitig brandhemmend (F 30) gemäß ÖNORM B 3800 zu verkleiden."
Zur Begründung der Neufassung dieser Auflage führte der Landeshauptmann im wesentlichen aus, in dem von der Berufungsbehörde eingeholten Gutachten der Magistratsabteilung 36 (Technische Gewerbeangelegenheiten und Feuerpolizei) werde ausgeführt, die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage im Erdgeschoß des Hauses S-Gasse 20, befinde sich rechts von der Hauseinfahrt. Sie umfasse straßenseitig einen Schankraum, ein gegen das Hausstiegenhaus zu gelegenes Extrazimmer, gegen den Innenhof eine Küche und in der ebenerdigen Hofverbauung Sanitärräume, einen Vorraum und einen Abstellraum. Die Lüftung des Extrazimmers, welches in offener Verbindung mit dem Schankraum stehe, erfolge auf natürlichem Wege über die öffenbaren Fenster des Schankraumes. Auf Grund der großen Raumtiefe sei diese natürliche Lüftung träge; ein Öffnen der Türe des Extrazimmers zum Stiegenhaus nach der Betriebszeit würde bewirken, daß sich eine Luftströmung von der Betriebsanlage zum Stiegenhaus einstelle, wodurch die verbrauchte Luft durch die Kaminwirkung im Stiegenhaus aufsteigen würde und von diesem in die Wohnungen eindringen könnte. Es sei daher erforderlich, daß die Türe vom Extrazimmer zum Hausstiegenhaus nicht offengehalten werde. Da diese Türe auch in einer Brandabschnittswand (gegen das Stiegenhaus) situiert sei, müsse sie, um im Brandfall einen Brand- bzw. Rauchdurchtritt hintanhalten zu können, zumindest auch brandhemmend (T 30) gemäß ÖNORM B 3850 ausgeführt oder, da die Türe betrieblich nicht benötigt werde, brandhemmend verkleidet sein. Gemäß der zitierten ÖNORM müßten aber brandhemmende Türen ohnehin mit einem Selbstschließmechanismus, der nicht außer Funktion gesetzt werden dürfe, ausgeführt sein. Allein schon deshalb wäre ein Offenhalten der Türe des Extrazimmers ins Hausstiegenhaus nicht zulässig.
Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid vom 1. Juli 1991 gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides, die durch die Berufungsausführungen nicht hätten entkräftet werden können, keine Folge. Ergänzend und zu den Berufungsausführungen führte der Bundesminister aus, der Beschwerdeführer gehe - ohne sich konkret mit dem zweitinstanzlichen Bescheid auseinanderzusetzen - von einem Offenhalten der Türe vom Extrazimmer ins Stiegenhaus aus. In der Begründung des angefochtenen Bescheides werde ausgeführt, diese Türe werde betrieblich nicht benötigt (dies ergebe sich auch aus dem beigelegten Plan, wonach die Türe in den Schankraum den Haupteingang bilde). Weiters werde im angefochtenen Bescheid vorgeschrieben, die Türe vom Extrazimmer in das Stiegenhaus sei brandhemmend auszuführen oder zu verkleiden, wobei in der Berufung (gemeint wohl: Begründung) darauf hingewiesen werde, daß brandhemmende Türen ohnehin mit einem Selbstschließmechanismus, der nicht außer Funktion gesetzt werden dürfe, ausgeführt werden müßten. Da somit ein Offenhalten dieser Türe nicht gestattet sei und davon auszugehen sei, daß diese Türe auch nicht kurzfristig zum Betreten oder Verlassen der Betriebsanlage geöffnet werde, könnten die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Geruchsimmissionen im Stiegenhaus nicht auftreten. Der Antrag des Beschwerdeführers, das Abzugsrohr im Innhof unter Putz zu verlegen, stelle eine bloße Wiederholung des entsprechenden Antrages in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid dar. Bereits im Bescheid des Landeshauptmannes von Wien werde ausgeführt, daß bei einer Freiverlegung dieser Abluftleitung subjektive Rechte der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 nicht beeinträchtigt würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in den aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, auf Grund der im Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. August 1989 gewählten Textierung des Punktes 10 der Auflagen habe die mitbeteiligte Partei die faktische und rechtliche Möglichkeit, diese "Türöffnung" im Bedarfsfalle offenzuhalten. Nicht gefolgt werden könne dem Rechtsstandpunkt der belangten Behörde, aus dem Faktum, daß brandhemmende Türen ohnehin mit einem Selbstschließmechanismus, der nicht außer Funktion gesetzt werden dürfe, ausgeführt werden müßten, könne es zu keiner Geruchsbelästigung und Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebes des Beschwerdeführers kommen, da durch das einfache Anlehnen eines Sessels an die Türklinke ohne weiteres die Türe geöffnet und während der Betriebszeit als auch danach offengehalten werden könne. Die belangte Behörde verkenne, daß aus der Formulierung bzw. Textierung des Punktes 10 des Berufungsbescheides des Landeshauptmannes von Wien bei wortgetreuer Interpretation nur abgelesen werden könne, daß entweder die Türe zum Extrazimmer gemäß der ÖNORM B 3850 brandhemmend auszuführen oder brandhemmend gemäß ÖNORM B 3800 zu verkleiden sei. Nicht enthalten sei ein Hinweis, daß den Bestimmungen der ÖNORM gemäß auch diese Türe zum Extrazimmer geschlossen zu halten sei. Des weiteren verkenne die belangte Behörde auch, daß es sich bei der mitbeteiligten Partei um einen Laien handle, sodaß bei einer wortgetreuen Auslegung des Punktes 10 nicht eindeutig (wenn überhaupt) ableitbar sei, daß diese Türe geschlossen gehalten werden müsse. Die belangte Behörde lasse es in ihrer Begründung auch offen, weshalb sie zur Auffassung gelangt sei, diese Türe werde auch nicht kurzfristig zum Betreten oder Verlassen der Betriebsanlage geöffnet. Im bekämpften Bescheid sei auch dem Antrag des Beschwerdeführers, das Abzugsrohr im Innenhof unter Putz zu verlegen, nicht Folge gegeben worden. Die belangte Behörde vermeine, bei einer Freiverlegung dieser Abluftleitung würden subjektive Rechte der Nachbarn nicht beeinträchtigt werden. Auch in diesem Punkt hätte die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers Folge geben müssen und auszusprechen gehabt, daß die Abzugsrohre unter Putz zu verlegen seien. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, bei der Annahme, die in Rede stehende Türe werde betrieblich nicht benötigt, lasse die belangte Behörde unberücksichtigt, daß der Beschwerdeführer mehr als 100 Angestellte habe und einige dieser Angestellten auch regelmäßige Kunden im Geschäft der mitbeteiligten Partei seien. Es liege daher auf der Hand, daß diese Mitarbeiter nicht den Umweg über die Straße in das Geschäftslokal wählen, sondern direkt durch die Tür des Extrazimmers, wenn diese nicht verschlossen gehalten werden müsse, ins Geschäftslokal gehen würden, sodaß entgegen den Ausführungen der belangten Behörde sehr wohl damit zu rechnen sei, daß diese Türe zum Extrazimmer betrieblich genutzt werde. Weiters bestehe auch die Möglichkeit, daß die Hausparteien diesen verkürzten Zugang zum Lokal wählten. Auch wenn man die Rechtsauffassung vertrete, durch die Freiverlegung der Abzugsrohre im Innenhof würden keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Beschwerdeführers betroffen, sondern lediglich privatrechtliche im Sinne des § 357 GewO 1973, so hätte entsprechend der zitierten Gesetzesbestimmung der Verhandlungsleiter auf eine Einigung diesbezüglich hinwirken müssen. Aus dem gesamten Akt sei ersichtlich, daß die verfahrensbeteiligten Behörden keinen Versuch unternommen hätten, eine gütliche Beilegung hinsichtlich der rechtzeitig vorgebrachten privatrechtlichen Einwendungen zu erzielen. Der Beschwerdeführer sei Eigentümer der Liegenschaften, auf welchen sich die Häuser S-Gasse 20 und S-Gasse 22 befänden. Durch die Verlegung des Abzugsrohres im Innenhof über Putz werde ohne Zweifel eine Wertminderung des Bestandobjektes bewirkt, da diese die Optik des Hauses störte. Die Unterlassung des Versuches einer gütlichen Beilegung von rechtzeitig vorgebrachten privatrechtlichen Einwendungen könne einen wesentlichen Mangel des Verfahrens bilden.
In Erwiderung des zuletzt wiedergegebenen Beschwerdevorbringens genügt es darauf hinzuweisen, daß durch die gerügte Vorgangsweise der Beschwerdeführer in subjektiven öffentlichen Nachbarrechten nicht verletzt werden konnte.
Im übrigen erweist sich das Beschwerdevorbringen jedoch als berechtigt.
Es ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unbestritten, daß zum Schutz des Beschwerdeführers vor unzumutbaren Geruchsimmissionen ein ständiges Geschlossenhalten der in Rede stehenden Türe erforderlich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag in diesem Zusammenhang zunächst der Argumentation der belangten Behörde nicht zu folgen, wonach, da die Türe in den Schankraum den Haupteingang bilde, davon auszugehen sei, daß die in Rede stehende Türe vom Extrazimmer in das Stiegenhaus "auch nicht kurzfristig zum Betreten oder Verlassen der Betriebsanlage geöffnet werde". Abgesehen von den diesbezüglichen schlüssigen Darlegungen in der Beschwerde liegt es in der Natur einer Türe, daß sie - wenn nicht entsprechende Vorkehrungen getroffen werden - auch geöffnet werden kann, auch wenn dies zur Aufrechterhaltung des Betriebes der mitbeteiligten Partei nicht unbedingt erforderlich sein sollte.
Da, wie bereits dargelegt, zum Schutz der subjektiven Nachbarrechte des Beschwerdeführers ein ständiges Geschlossenhalten der in Rede stehenden Türe erforderlich ist, hätte es daher einer entsprechenden Vorschreibung im angefochtenen Bescheid jedenfalls bedurft.
Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang meint, die rechtliche Verpflichtung zum ständigen Geschlossenhalten dieser Türe ergebe sich aus dem Verweis auf die entsprechenden ÖNORMEN im Auflagenpunkt 10, so übersieht sie, daß mit dieser Auflage der mitbeteiligten Partei nicht die Beachtung der dort genannten ÖNORMEN schlechthin, sondern lediglich jener Teile dieser Normen, die die Herstellung einer brandhemmenden Türe oder die brandhemmende Verkleidung einer Türöffnung betreffen, aufgetragen wird. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, mit der in Rede stehenden Auflage würden der mitbeteiligten Partei auch die das ständige Geschlossenhalten einer brandhemmenden Türe betreffenden Inhalte der in Rede stehenden ÖNORMEN zur Beachtung überbunden, findet daher im Wortlaut der Auflage Punkt 10 keine Deckung.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991040243.X00Im RIS seit
28.01.1992