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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Juli 1991, Zl. MA 63-W 71/90/Str, betreffend Zurückweisung einer Berufung (Übertretung der Gewerbeordnung 1973), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Juli 1991 wurde die vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 13. September 1990 erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die vorliegende Berufung sei schriftlich eingebracht worden. Sie enthalte folgende Erklärung: "Antrag der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das wider den Beschuldigten eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen." Es fehle hiemit ein begründeter Berufungsantrag. Die Berufung sei durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebracht worden. Die Berufungsschrift bestehe aus zwei Blättern, wobei das zweite Blatt der Berufung mit der Ziffer 3 gekennzeichnet sei. Um festzustellen, ob die Berufung tatsächlich im Zeitpunkt des Einlangens bei der Behörde aus lediglich zwei Blättern bestanden habe, sei die Sachbearbeiterin der Erstbehörde zeugenschaftlich befragt worden. Dabei habe die Zeugin angegeben, daß die Berufungsschrift lediglich aus den vorhin genannten Blatteilen bestanden habe. Auf Grund dieser Sachlage sei die eingebrachte Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht auf Sachentscheidung unter Abstandnahme von der von der belangten Behörde ausgesprochenen Zurückweisung verletzt. Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, er habe durch seinen ausgewiesenen Vertreter am 3. April 1991 eine Stellungnahme abgegeben. Darin sei geltend gemacht worden, daß die Rechtsmittelschrift aus insgesamt drei beschriebenen Seiten bestanden habe, wobei insbesondere die Seite 2 ordnungsgemäß produziert worden sei. Zum Beweise für die Richtigkeit der Behauptung sei eine Erklärung jener Dienstnehmerin des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vorgelegt worden, welche für die Textproduktion und die Versendung des Rechtsmittels verantwortlich gewesen sei. Als Indiz für die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers sei die Tatsache angegeben worden, daß die Kopie der Rechtsmittelschrift dem Beschwerdeführer zugemittelt worden sei und dieser eine vollständige Rechtsmittelschrift erhalten habe. Ohne auf dieses Vorbringen überhaupt nur einzugehen, geschweige denn Ermittlungen darüber anzustellen, habe die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen, dessen Begründung sich lediglich mit der Aussage der Sachbearbeiterin der Erstbehörde befasse, welche angegeben habe, das Rechtsmittel des Beschwerdeführers habe aus den Blattzahlen 29 bis 31 und einer weiteren Blattzahl 32 (Kuvert) bestanden. Damit aber bestätige die Zeugin in Wahrheit den Standpunkt des Beschwerdeführers. Dieser verkenne nicht, daß dem Verwaltungsgerichtshof eine schrankenlose Überprüfung der Beweiswürdigung der Behörde verwehrt sei. Im vorliegenden Fall aber seien die von der Behörde geschöpften Beweisergebnisse derart, daß die von der Behörde daraus gezogenen Schlüsse eine denkunmögliche Umwürdigung darstellten. Jedenfalls aber habe sich die belangte Behörde mit den Beweismitteln, die der Beschwerdeführer initiativ angeboten habe, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Sie habe weder das Indiz (der Mandant habe ein ordnungsgemäß ausgefertigtes Exemplar des Rechtsmittels bekommen), noch das Beweismittel (Erklärung der Dienstnehmerin des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers) gewürdigt, geschweige denn, etwa diese Beweismittel tauglich als unglaubwürdig abgetan. Das Verfahren sei jedenfalls mangelhaft geblieben. Aber selbst, wenn es sich so verhielte, wie die Behörde zu argumentieren suche, wäre für diese nichts gewonnen: Selbst aus der unrichtigen Annahme der Behörde wäre nämlich die Rechtsmittelschrift des Beschwerdeführers als mit einem Formgebrechen behaftet zu beurteilen gewesen, denn es sei ja selbst der belangten Behörde klar und einsichtig, daß nicht ein inhaltlicher Mangel, sondern lediglich ein Mangel der Textproduktion vorgelegen sei. Einen solchen Verbesserungsauftrag habe aber weder die Erstbehörde noch die belangte Behörde erteilt.
Dieses Vorbringen vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen.
Nach § 63 Abs. 3 AVG (§ 24 VStG) hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Gemäß § 61 Abs. 5 AVG (§ 24 VStG) gilt das Fehlen eines begründeten Rechtsmittelantrages als Formgebrechen, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über das Erfordernis eines solchen enthält.
Im vorliegenden Fall durfte die belangte Behörde in Ansehung des Schriftsatzes des Beschwerdeführers vom 12. Oktober 1990 nach der Aktenlage davon ausgehen, daß die erste Seite der Berufungsschrift (Blattzahl 29 der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens) lediglich die das Rubrum bildenden Angaben enthält, daß die Rückseite dieses Blattes lediglich eine Leerseite bildet, ferner, daß Blatt 30 der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens ein lediglich das Rubrum enthaltendes Geschäftsstück darstellt und daß Blatt 31 lediglich den vorstehend in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen Text - mit der Rückseite als Leerseite - enthält.
In Ansehung der Zeugenaussage der Sachbearbeiterin der Erstbehörde vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde aus den Ausführungen der Zeugin den Denkgesetzen oder der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechende Schlüsse gezogen hätte. Vielmehr konnte die belangte Behörde durch die Zeugenaussage in schlüssiger Weise den sich aus dem Schriftsatz vom 12. Oktober 1990 ergebenden Befund, daß die vier Seiten des als Berufung bezeichneten Schriftsatzes vom 12. Oktober 1990 aus einer Seite Rubrum, einer Seite mit der bloßen Antragsformulierung und im übrigen aus zwei Leerseiten besteht, als bestätigt ansehen.
Nach der Aktenlage ging eine Stellungnahme, wie sie in der vorliegenden Beschwerde als die vom 3. April 1991 erwähnt wird, weder bei der Erstbehörde, noch bei der belangten Behörde ein. Es ist somit schon aus diesem Grund nicht rechtswidrig, wenn der angefochtene Bescheid keine auf eine solche Stellungnahme abgestellten Ausführungen enthält. Abgesehen davon bezieht sich der Beschwerdeführer auch in der vorliegenden Beschwerde auf keinen Beweisantrag, der für die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung von Relevanz gewesen wäre. Der Umstand, daß die Dienstnehmerin des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers bestätigen hätte können, es sei "insbesondere die Seite 2 ordnungsgemäß produziert" worden, und der weitere Umstand, daß den Beschwerdeführer von seinem Rechtsvertreter ein vollständiges Exemplar der Berufung übermittelt worden sei, änderten nichts an der für das Beweisthema - in welcher Form der Schriftsatz bei der Behörde eingebracht wurde - maßgebenden Aktenlage, derzufolge die belangte Behörde aus den dargelegten Erwägungen davon ausgehen durfte, daß der eingebrachte Schriftsatz einen Text auf der Seite 2 vermissen ließ.
Schließlich ist der Auffassung des Beschwerdeführers, im vorliegenden Fall wäre lediglich ein Formgebrechen vorgelegen, nicht zu folgen. Ein Formgebrechen im Sinne des § 61 Abs. 5 AVG lag nicht vor, weil das erstbehördliche Straferkenntnis vom 30. September 1990, was vom Beschwerdeführer nicht in Streit gestellt wird, eine auf das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages hinweisende Rechtsmittelbelehrung enthält. Es ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde in dem von ihr festgestellten Umstand, daß der Schriftsatz vom 12. Oktober 1990, so wie er eingebracht wurde, eine Begründung vermissen ließ, auf dem Boden der Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG einen inhaltlichen Mangel und kein bloßes Formgebrechen erblickte (siehe hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1969, Slg. N.F. Nr. 7697/A).
Aus diesen Erwägungen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991040244.X00Im RIS seit
28.01.1992