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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der H-Gesellschaft mbH. in A, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 2. Mai 1991, Zl. 313.544/3-III-3/91, betreffend Vorschreibung von Auflagen gemäß § 79 Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 2. Mai 1991 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin "gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. 1. 1990, Zl. Ge-43/01-1990,... im Grunde des § 63 Abs. 5 AVG 1950 als verspätet zurückgewiesen".
In der Begründung dieses Bescheides heißt es zur Darstellung des Verwaltungsgeschehens wie folgt:
"Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. 1. 1990, Zl. Ge-53/01-1990, wurden unter Spruchteil I der H-Gesellschaft m.b.H. für ihre Betriebsanlage im Standort A, S-Straße 54c, mehrere Auflagen gemäß § 79 GewO 1973 zusätzlich vorgeschrieben.
Eine hiegegen erhobene Berufung der Konsensinhaberin wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 12. 6. 1990, Zl. Ge-7475/3-1990, ab; daraufhin erhob die Konsensinhaberin neuerlich Berufung an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.
Dieser stellt fest:
Der erstinstanzliche Bescheid wurde der Konsensinhaberin an ihrer Adresse S-Straße 54c, A am 30. 1. 1990 zugestellt. Die von der Konsensinhaberin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N, und am 16. 2. 1990 erhobene Berufung gegen diesen Bescheid spricht demgegenüber davon, daß dieser Bescheid der Einschreiterin am 5. 2. 1990 zugestellt worden sei.
Der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ging eine von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck am 21. 11. 1989 durchgeführte mündliche Verhandlung voraus. Die Kundmachung zu dieser Verhandlung war adressiert u.a. an
"1.)
H-Gesellschaft m.b.H.
S-Straße 54c
A".
An der Verhandlung nahmen von der Firma H-Gesellschaft m. b.H., A, als Betriebsinhaberin X in Begleitung von Rechtsanwalt Dr. N teil; die unter lit.c protokollierte abschließende Stellungnahme des Vertreters der Firma H-Gesellschaft m.b.H. ist von zwei Schriftzügen unterfertigt. Die Verhandlungsschrift selbst enthält weder einen Hinweis darauf, daß Rechtsanwalt Dr. N sich durch eine ihm seitens der Konsensinhaberin erteilte schriftliche Vollmacht ausgewiesen hätte, noch, daß er das Bestehen eines solchen Vollmachtsverhältnisses auch nur behauptet hätte. Ebenso wenig findet sich eine Erklärung des Vertreters der Konsensinhaberin, daß er in diesem Verfahren eine Zustellung amtlicher Schriftstücke an Rechtsanwalt Dr. N wünsche.
Auch im Zeitraum nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 21. 11. 1989 bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sind bei der Gewerbebehörde keine diesbezüglichen Erklärungen eingelangt; erst die gegen den Bescheid erster Instanz erhobene Berufung weist im Rubrum auf ein solches bestehendes Vollmachtsverhältnis hin, ebenso wie die Berufung gegen den Bescheid zweiter Instanz.
Unterm 5. 10. 1990 wurden die Rechtsanwälte Dr. E und Dr. N vom Bundesministerium aufgefordert, sich entsprechend der im Rubrum der im vorliegenden Verfahren erhobenen Berufungen enthaltenen Behauptung durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen; unterm 8 10. 1990 wurde daraufhin eine vom alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer der Konseninhaberin, D, am 12. 10. 1990 gefertigte Vollmacht, welche Rechtsanwalt Dr. N als Vollmachtnehmer ausweist, übermittelt. Der Schriftsatz vom 18. 10. 1990 hat darüberhinaus folgenden Wortlaut:
"Zur Note vom 05. 10. 1990 wird mitgeteilt, daß sich der Vertreter der Firma H-GmbH, Herr Dr. N, RA in V am 21. 11. 1989 an der Durchführung der mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle beteiligt hat und sich aus Seite vier des Protokolles und seine Vertretereigenschaften ergibt.
Weiters wurde auch die Vertretungsmacht im Berufungsverfahren beim Amt der OÖ-Landesregierung (Landeshauptmann) nicht bezweifelt.
Möglicherweise ist aber eine Protokollierung der Vorlage der Vollmacht anläßlich des Ortsaugenscheines unterblieben. Dies kann seitens des Schriftverfassers heute nicht mehr nachvollzogen werden.
Es gelangt daher unter einem eine vom Geschäftsführer der Firma H-GmbH gefertigte Vollmacht zur Vorlage. Gezeichnet ist diese Vollmacht vom alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer
D."
Unterm 5. 11. 1990 wurde dem nunmehr ausgewiesenen Vertreter Rechtsanwalt Dr. N der Rückschein über die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 zur Kenntnis gebracht. Die daraufhin einlangende, mit 22. 11. 1990 datierte Stellungnahme hat folgenden Wortlaut:
"Zur Note vom 5. 11. 1990 wird folgendes mitgeteilt:
Unter Bezugnahme auf die Mitteilung vom 18. 10. 1990 wird nochmals festgehalten, daß nach Ansicht des AUSGEWIESENEN Vertreters ein allfälliges Formgebrechen durch Vorlage der Vollmacht saniert ist.
Dies ex tunc.
Der zur Behandlung stehende Bescheid der OÖ-Landesregierung (allenfalls Landeshauptmann für Oberösterreich) ist dem ausgewiesenen Vertreter tatsächlich am 7. 2. 1990 zugegangen.
Das Ende der Rechtsmittelfrist ist daher der 21. 2. 1990 gewesen und somit die eingebrachte Berufung rechtzeitig eingebracht worden."
In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es sodann weiters im wesentlichen, entgegen den wiederholten Ausführungen und Behauptungen des Vertreters der Beschwerdeführerin sei eine Vertretungsbefugnis diesem seitens der Beschwerdeführerin erst am 12. Oktober 1990 erteilt worden. Es sei den am 22. November 1990 gemachten Ausführungen zuzustimmen, daß eine solche Vollmacht - welche ihrem Wesen nach eine Beurkundung eines bestehenden Vertretungsverhältnisses darstelle - auch ex tunc Wirkung entfalten könne; diesfalls spreche man von "nachträglicher Beurkundung". Eine solche nachträgliche Beurkundung finde jedoch ihre Grenze an einer anderen Beurkundung, welche jenem Zeitpunkt, für den das Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses nachträglich behauptet werde, "nähersteht". Im vorliegenden Fall enthalte die - in ihrer Richtigkeit auch von der Beschwerdeführerin bzw. ihrem nunmehr ausgewiesenen Vertreter nicht bestrittene - Verhandlungsschrift vom 21. November 1989 den ausdrücklichen Vermerk, daß Rechtsanwalt Dr. N nicht "in Vertretung", sondern "in Begleitung" eines Vertreters der Beschwerdeführerin an dieser Verhandlung teilgenommen habe. Diese Protokollierung weise zufolge der Verwendung der verba legalia eindeutig auf § 10 Abs. 5 AVG 1950 hin und stelle klar, daß Rechtsanwalt Dr. Harald Fahrner an der erwähnten Verhandlung nicht als bevollmächtigter Vertreter der Beschwerdeführerin, sondern lediglich als Rechtsbeistand teilgenommen habe. Da das Gesetz nun ausdrücklich den Vertreter eines Beteiligten "von dessen bloßen Rechtsbeistand" unterscheide, könnten auch der Bestellung "zum bloßen Rechtsbeistand" nicht die Wirkungen einer Bestellung zum Beteiligten-Vertreter zukommen, insbesondere könne aus der Bestellung zum bloßen Rechtsbeistand nicht gefolgert werden, daß hiemit auch der Rechtsbeistand gemäß § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt worden wäre. Es ergebe sich also, daß zum Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides Rechtsanwalt Dr. N von der Beschwerdeführerin der Gewerbebehörde gegenüber weder durch eine ausdrückliche Erklärung gemäß § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes, noch durch eine diese in sich schließende Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 AVG 1950 zum Empfang behördlicher Schriftstücke bevollmächtigt gewesen sei. Demnach sei der erstinstanzliche Bescheid der Beschwerdeführerin an ihre (näher bezeichnete) Adresse rechtens und rechtswirksam am 30. Jänner 1990 zugestellt worden, weshalb die erst am 16. Februar 1991 erhobene und am gleichen Tag auf dem Postwege eingebrachte Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid entsprechend dem § 63 Abs. 5 AVG 1950 als verspätet zurückzuweisen war.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich "insbesondere in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf inhaltliche Behandlung und Entscheidung ihrer Berufung vom 17. 7. 1990 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. 6. 1990, Ge -7475/3-1990/Sch/Th verletzt". In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes wird in der Beschwerde im wesentlichen vorgebracht, es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, wie es zur Diktion auf Seite 1 der Verhandlungsschrift gekommen sei. Klar sei aber, daß im Zusammenhang mit der Stellungnahme der Einschreiterin vom VERTRETER derselben die Rede sei. Als Verteter könne zweifellos nur der ausgewiesene Vertreter der Einschreiterin gemeint sein, was sich schon aus dem inneren Zusammenhang ergebe. Hinzuweisen sei auch darauf, daß auch Heimar Donner nicht als Verteter der Einschreiterin geführt worden sei. Da sich somit zumindest schlüssig aus dem Protokoll vom 21. November 1989 ergebe, daß der ausgewiesene Vertreter als "Vertreter" der Einschreiterin aufgetreten sei, hätte der erstinstanzliche Bescheid an diesen zugestellt werden müssen und es berechne sich sodann die Frist zur Erhebung der Berufung ab Heilung des Zustellmangels.
In eventu werde ausgeführt: Seitens der belangten Behörde werde erkannt, daß auch eine nachträglich vorgelegte Vollmacht eine ex tunc Wirkung entfalte. In diesem Zusammenhang werde jedoch die Meinung vertreten, daß eine solche nachträgliche Beurkundung ihre Grenzen an einer anderen Beurkundung, welche jenem Zeitpunkt, für den das Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses nachträglich behauptet werde, näherstehe. Diese Rechtsansicht erscheine der Einschreiterin nicht haltbar, zumal es sich ja um ein einheitliches Verwaltungsverfahren handle.
Die Beschwerde ist nicht berechtigt:
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG 1950 - im Beschwerdefall anzuwenden in seiner Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 gemäß deren Artikel IV Abs. 2 (vgl. hiezu auch Anlage 2 der Wiederverlautbarung - Kundmachung BGBl. Nr. 51/1991) - können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zur ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk.
Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Daß im Beschwerdefall eine im Sinne der Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs. 1 AVG 1950 qualifizierte Vollmachtsvorlage - vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - seitens des nunmehrigen Vertreters der Beschwerdeführerin erfolgt wäre, ergibt sich weder aus der Aktenlage noch aus den diesbezüglichen (von der Beschwerdeführerin unbestritten gebliebenen) Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid. Für eine gegenteilige Annahme finden sich auch im Schriftsatz vom 18. Oktober 1990 keine näher konkretisierten Ausführungen. Weiters ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß auch in der Beschwerde kein zur Dartuung einer Verfahrensrüge entsprechend konkretisiertes Vorbringen über einen Vollmachtsnachweis (vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides) erstattet wurde.
Schon mangels einer in der im § 10 AVG 1950 festgelegten Form zum Ausdruck gebrachten Bevollmächtigung bestand aber keine gesetzlich Grundlage für die Zustellung des erstbehördlichen Bescheides an den nunmehr ausgewiesenen Vertreter der Beschwerdeführerin (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1967, Slg. N.F. Nr. 7081/A). Es kann daher der belangten Behörde weder eine rechtswidrige Gesetzesanwendung angelastet noch ihr ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel vorgeworfen werden, wenn sie zur Annahme gelangte, daß die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid verspätet eingebracht worden sei.
Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Zustellung nachträgliche VollmachtserteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991040202.X00Im RIS seit
28.01.1992