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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 9. September 1991, Zl. 9/01-35.322/1-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung des Abspruches über die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde - u.a. - der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO bestraft, weil er am 2. Juni 1990 um 19.48 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs an einer näher bezeichneten Örtlichkeit einen Verkehrsunfall verschuldet und nicht sofort an der Unfallstelle angehalten habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Strittig ist, ob der Beschwerdeführer zur Zeit der ihm angelasteten Tat unzurechnungsfähig im Sinne des § 3 Abs. 1 VStG war. Diese Frage kann - wenn Indizien in Richtung einer mangelnden Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit vorliegen - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Oktober 1991, Zl. 91/02/0065) nur durch ein medizinisches Sachverständigengutachten hinreichend geklärt werden. In der Regel wird hiefür die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie erforderlich sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1990, Zl. 90/03/0140).
Im Beschwerdefall machte der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsstrafverfahren geltend, daß er beim Unfall nicht nur einen Unfallschock, sondern neben schweren Verletzungen des linken Unterarmes auch "einen starken Schlag mit Verletzung am Kopf" erlitten habe, sodaß er in Verbindung mit einem bereits vor dem Unfall bestandenen schweren Bronchialleiden und einem Morbus Boeck nicht mehr zurechnungsfähig gewesen sei. In der im Verwaltungsstrafakt erliegenden, den Beschwerdeführer betreffenden Krankengeschichte des Krankenhauses der Stadt Hallein scheint neben anderen Verletzungen auch eine Rißquetschwunde oberhalb des linken Auges auf. In der Krankengeschichte des Unfallkrankenhauses Salzburg, in welchem der Beschwerdeführer nach der Erstversorgung behandelt wurde, findet sich unter anderem der Hinweis, daß der Patient an Morbus Boeck leide und täglich Cortison nehme.
Zwar kann ein Unfallschock nach der hg. Rechtsprechung (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0055) nur in besonders gelagerten Fällen und bei gravierenden psychischen Ausnahmesituationen das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigen; im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer aber nach seinen bisher nicht widerlegten Behauptungen beim Verkehrsunfall nicht nur einen Unfallschock, sondern auch Verletzungen, insbesondere eine solche am Kopf erlitten, weshalb im Zusammenhang mit dem schon vor dem Unfall bestandenen, einer Behandlung mit Cortison bedürftigen Leidenszustand des Beschwerdeführers zumindest Zweifel an dessen Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit gerechtfertigt erscheinen. Im Sinne der obigen Ausführungen hätte daher nicht von der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur vollständigen Klärung der Frage der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers Abstand genommen werden dürfen.
Der angefochtene Bescheid war somit in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand, da die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen und an Beilagen nur eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen war.
Schlagworte
Sachverständiger Arzt Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991030303.X00Im RIS seit
29.01.1992