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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §4 Abs1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde der S in E, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Oktober 1990, Zl. I/7-St-St-89148, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. Oktober 1990 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, sie habe als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw am 7. August 1989 um 10.30 Uhr an einem näher beschriebenen Ort - obwohl ihr Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall, bei welchem J.L. am rechten Knie verletzt worden sei, in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei - 1) dadurch nicht an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt, daß sie den von ihr gelenkten Pkw nicht bis zum Abschluß der Unfallsaufnahme durch Organe der Straßenaufsicht in der Unfallsendstellung belassen habe, sodaß eine genaue und objektiv einwandfreie Unfallsaufnahme an Ort und Stelle unmöglich gemacht worden sei und 2) nicht sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, indem sie die Anzeige erst um 12.50 Uhr erstattet habe, obwohl der Verkehrsunfall bereits gegen 10.30 Uhr erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1) nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO und zu 2) nach § 4 Abs. 2 StVO begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
ZUR ÜBERTRETUNG NACH § 4 ABS. 2 STVO:
§ 4 Abs. 2 erster und zweiter Satz StVO lauten: Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben die im Abs. 1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.
Zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin einen Verstoß des angefochtenen Bescheides gegen die Vorschrift des § 44a lit. b VStG, da es insoweit ausreichte, als übertretene Norm die Vorschrift des § 4 Abs. 2 StVO zu zitieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 90/02/0208). Da die Beschwerdeführerin selbst auf das Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11 525/A, - welches die maßgebliche Rechtsanschauung zu der nach § 44a lit. b VStG zu zitierenden Vorschrift enthält - verweist, ist das davon abweichende Vorbringen in der Beschwerde geradezu unverständlich. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bedurfte es auch nicht einer diesbezüglichen näheren Konkretisierung durch Anführung des zweiten Satzes des § 4 Abs. 2 StVO (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 90/02/0208), zumal die Zuordnung der Tat zum Tatbestand des zweiten Satzes zufolge ihrer Umschreibung klar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0413). Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das hg. Erkenntnis vom 12. September 1984, Zl. 83/03/0365, geht fehl, weil es sich dort um einen anders gelagerten Sachverhalt gehandelt hat. Weshalb die belangte Behörde im Spruch auch eine Feststellung über das Nichtvorliegen eines Verstoßes gegen den ersten Satz des § 4 Abs. 2 StVO zu treffen gehabt hätte, ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht einsichtig.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin besteht eine Verständigungspflicht nach dem zweiten Satz des § 4 Abs. 2 StVO nicht nur dann, wenn Verletzungen vorliegen, die die Hilfeleistungsverpflichtung im Sinne des ersten Satzes auslösen, sondern auch solche, die nicht nennenswert sind. Die Beschwerdeführerin übersieht, daß die Verständigungspflicht auch dem Zweck dient, daß die Sicherheitsbehörden sich vom körperlichen Zustand der unfallsbeteiligten Lenker (etwa im Hinblick auf eine allfällige Alkoholisierung) überzeugen können (vgl. zum Ganzen das zitierte hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 90/02/0208). Der von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang gewählten Wortinterpretation vermag sich der Verwaltungsgerichtshof daher nicht anzuschließen.
Die Beschwerde erweist sich sohin in bezug auf die hier in Rede stehende Verwaltungsübertretung als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
ZUR ÜBERTRETUNG NACH § 4 ABS. 1 LIT. C STVO:
Was zunächst den behaupteten Verstoß gegen die Vorschrift des § 44a lit. b VStG anlangt, so genügt es auf die obigen Ausführungen zur Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO zu verweisen; auch hier reichte die bloße Zitierung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO als übertretene Norm aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1990, Zl. 90/18/0001).
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Februar 1990, Zl. 89/18/0169) besteht eine Mitwirkungspflicht im Grunde des § 4 Abs. 1 lit. c StVO jedenfalls dann, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 2 StVO besteht.
Wohl gilt die Vorschrift des § 4 Abs. 1 lit. c StVO an sich ohne Einschränkung, sie hat aber nicht immer und überall auch die Pflicht zum Inhalt, das Fahrzeug an der Unfallstelle unverändert zu belassen, bis der Sachverhalt festgestellt worden ist. Die Belassung von Fahrzeugen an der Unfallstelle wird jedoch immer dann notwendig sein, wenn dies zur Feststellung des Sachverhaltes dienlich ist oder dienlich sein kann. Ist aber der Sachverhalt einschließlich des Verschuldens auch nach Wegschaffung der Fahrzeuge klar und ohne Schwierigkeiten zu rekonstruieren oder vermag die Belassung eines Fahrzeuges an der Unfallstelle eine Klärung nicht herbeizuführen, dann wird eine solche Verpflichtung nicht bestehen (vgl. das von der Beschwerdeführerin zitierte hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 1973, Slg. Nr. 8513/A, nur Rechtsatz).
Daß die Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung berechtigt gewesen wäre, das Fahrzeug von der Unfallstelle zu entfernen und - so die Aktenlage - in ihrer Garage unterzubringen, mußte die belangte Behörde nicht annehmen. Vielmehr ergibt sich aus der diesbezüglichen Aussage des einschreitenden Gendarmeriebeamten, daß eine Rekonstruktion des Verkehrsunfalles nicht mehr möglich war, zumal das Fahrzeug nicht einmal in der Nähe des Unfallortes belassen wurde. Was die in diesem Zusammenhang gerügte Unterlassung der Einvernahme eines - beim Verkehrsunfall gar nicht anwesend gewesenen - Zeugen anlangt, so legt die Beschwerdeführerin nicht dar, weshalb die belangte Behörde nach dessen Einvernahme zu einem anderen Bescheid hätte kommen können; sie hat es somit unterlassen, eine Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels darzutun.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin auch in diesem Punkt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Hilfeleistung Meldepflicht Mitwirkung und Feststellung des Sachverhaltes Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020009.X00Im RIS seit
12.06.2001