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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. September 1990, Zl. I/7-St-R-9063, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchpunktes 1 zur Gänze sowie hinsichtlich der Spruchpunkte 2 bis 5 im Ausspruch über die Strafen und den bezüglichen Kostenersatz jeweils wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. September 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 22. Mai 1989 gegen 1.30 Uhr an einem näher beschriebenen Ort Verwaltungsübertretungen und zwar nach
1)
§ 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO, 2) und
3)
je nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 9 Abs. 1 StVO, 4) § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 7 Abs. 1 StVO sowie 5) § 99 Abs. 4 lit. i in Verbindung mit § 97 Abs. 5 StVO begangen zu haben. Es wurden Geldstrafen bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und zwar zu 1) S 9.000,-- (216 Stunden) und zu 2) bis 5) je S 1.000,-- (je 24 Stunden).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, womit Spruchpunkt 1 zur Gänze sowie hinsichtlich der Spruchpunkte 2 bis 5 (allein) die Strafbemessung bekämpft wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Was zunächst den Spruchpunkt 1 anlangt, so ist darauf hinzuweisen, daß die Beschwerde am 2. November 1990 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt ist und die belangte Behörde die Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers auf Grund einer Atemluftkontrolle als erwiesen annahm. Bei der mittels eines Gerätes im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. b StVO vorgenommenen Untersuchung der Atemluft des Beschwerdeführers wurde ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,89 bzw. 0,88 mg/l gemessen.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1991, G 274-283/90 und Folgezahlen, wurden der zweite Satz des Absatzes 4a ("Im Falle einer Untersuchung der Atemluft nach Abs. 2a lit. b hat eine Vorführung nach Abs. 4 zu unterbleiben.") sowie die Wortfolge "von 0,4 bis 0,5 mg/l" in Absatz 4b des § 5 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung der 13. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 105/1986, als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof sprach aus, daß die aufgehobenen Bestimmungen auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden sind, in denen vor dem 27. Februar 1991, 10.30 Uhr, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde.
Somit ist auch im Beschwerdefall die bereinigte Rechtslage der verwaltungsgerichtlichen Prüfung des angefochtenen Bescheides zugrunde zu legen. Danach hätte der mittels eines Atemalkoholmeßgerätes gemäß § 5 Abs. 2a lit. b StVO 1960 untersuchte Beschwerdeführer die Mitwirkung der Organe der Straßenaufsicht an einer Blutabnahme zum Zwecke der Blutalkoholbestimmung zur Beseitigung der von ihm gehegten Zweifel am Ergebnis der Atemalkoholmessung in Anspruch nehmen können. Da ihm dies nach der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtslage verwehrt war, er jedoch auf diese Weise das Ergebnis der Atemluftuntersuchung im Sinne des § 5 Abs. 4a StVO 1960 hätte widerlegen können, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer den Straßenaufsichtsorganen gegenüber keine Blutabnahme verlangt hat, schadet nicht, weil ein derartiges Begehren nach der damaligen Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte; das Unterlassen eines aussichtslosen Verlangens kann ihm nicht zum Nachteil gereichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1991, Zl. 90/02/0180).
Der Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Aber auch die Rüge des Beschwerdeführers in Hinsicht auf die Strafbemessung zu den Punkten 2 bis 5 ist berechtigt: Die belangte Behörde hat als Begründung hiefür unter anderem ausgeführt, im Hinblick auf das rücksichtslose Verhalten, welches darin bestandes habe, daß der Beschwerdeführer diese Übertretungen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand begangen habe, und unter Berücksichtigung seiner Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse erscheine das Ausmaß der verhängten Strafen erforderlich, um den Strafzweck zu erreichen. Damit hat die belangte Behörde allerdings die Rechtslage verkannt, wird doch der Unwertgehalt der zu den Punkten 2 bis 5 angeführten Taten, welcher darin gelegen sein soll, daß sie in alkoholisiertem Zustand begangen wurden, durch die auf Grund des im § 22 VStG verankerten Kumulationsprinzips ohnedies gesondert zur Anwendung gelangende Strafdrohung des § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO abgegolten.
Der angefochtene Bescheid war daher auch hinsichtlich der Strafbemessung einschließlich der damit verbundenen Kostensprüche zu den Punkten 2 bis 5 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren sei zur Strafbemessung hinsichtlich des Spruchpunktes 5 noch darauf verwiesen, daß die belangte Behörde hier die im § 99 Abs. 4 lit. i StVO vorgesehene HÖCHSTstrafe verhängt hat, wofür sie allerdings eine entsprechende Begründung schuldig geblieben ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Normen und Materien StVOEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020010.X00Im RIS seit
12.06.2001