TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/29 92/02/0061

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Veröffentlicht am 29.01.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §58 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1;
VStG §19;
VStG §20;
VStG §44a lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des W in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Mai 1991, Zl. VerkR-390.105/3-1991-II/Sch, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über Strafart und Strafausmaß sowie die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens abspricht, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Mai 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 29. Juli 1990 gegen 1.00 Uhr sein dem Kennzeichen nach bestimmtes Motorfahrrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand auf der Hackenbucher-Bezirksstraße vom Haus Hackenbuch Nr. 22 kommend, ca. 2,5 km in das Ortsgebiet von Ibm, Gemeinde Eggelsberg, bis zum öffentlichen Parkplatz gegenüber dem Haus Ibm Nr. 18 (Bäckerei Buttenhauser) gelenkt zu haben. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen, weshalb nach der zuletzt zitierten Gesetzesstelle über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Beschwerdevorbringen die Schlüssigkeit und Vollständigkeit des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens bekämpft und der belangten Behörde vorwirft, in vorwegnehmender Beweiswürdigung die von ihm zum Umfang seines Alkoholkonsums vor Fahrtantritt angebotenen Beweise nicht aufgenommen zu haben und solcherart zu einer unrichtigen diesbezüglichen Feststellung gelangt zu sein, braucht darauf nicht weiter eingegangen zu werden, weil die belangte Behörde bereits auf Grund des unbekämpft gebliebenen Akteninhaltes in rechtlich unbedenklicher Weise davon ausgehen durfte, daß der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt alkoholbeeinträchtigt im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 war. Denn nach der auch durch die Angaben des Zeugen K bestätigten Aussage des Beschwerdeführers am Gendarmerieposten Braunau am Inn vom 30. Juli 1990 kam es am 27. Juli 1990 auf der Gartenparty seines Bruders zu einer wörtlichen Auseinandersetzung zwischen diesem und dem Beschwerdeführer, weil "ich beim Aufheben meines unter den Tisch gefallenen Feuerzeuges, ich selbst vor lauter Rausch unter den Tisch fiel". Nach seinen eigenen Angaben unternahm der Beschwerdeführer im unmittelbaren Anschluß daran die inkriminierte Fahrt mit seinem Motorfahrrad. Den weiteren Verlauf des Geschehens schilderte der Beschwerdeführer sodann wie folgt:

"Da ich am rechten Handrücken Abschürfungen habe und auch Prellungen, vermute ich, daß es mich auf der Fahrt stürzte oder ich aber auch mit dem Moped im Stand umfiel. Ich ging dann in die Discothek und zwar in die Küche. Ich kann mich nur mehr dumpf erinnern bzw. erfuhr ich auch von den anderen, daß ich mir ein Messer in den Bauch rennen wollte. Warum ich dies tat, weiß ich heute nicht mehr. Ich nehme aber an, daß es auf meinen Rauschzustand zurückzuführen ist."

Unter diesen, vom Beschwerdeführer selbst geschilderten und auch in der Folge nicht bestrittenen Umständen, ist die Frage, welche Alkoholmengen der Beschwerdeführer vor Fahrtantritt genoß, und welche Blutalkoholkonzentration sich daraus errechnen läßt, für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 befand, bedeutungslos. Es bedarf vielmehr keiner weiteren Begründung, daß ein Mensch, der "vor lauter Rausch unter den Tisch fiel" und sich "wegen seines Rauschzustandes" nicht mehr an das Motiv eines in diesem Zustand unternommenen Selbstmordversuches zu erinnern vermag, die im § 5 Abs. 1 StVO 1960 geforderte Fahrtüchtigkeit nicht mehr besitzt.

Auch mit seinem weiteren Vorbringen, die belangte Behörde habe zu Unrecht den Tatzeitpunkt mit "gegen 1.00 Uhr" angenommen, vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Da der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich lediglich eine Prüfung dahingehend obliegt, ob die Beweiswürdigung der belangten Behörde auf ausreichender Sachverhaltsgrundlage erfolgte und schlüssig ist. Ob die Beweiswürdigung hingegen richtig in dem Sinn ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, ist der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Die belangte Behörde gelangte nach der Begründung des angefochtenen Bescheides zur Annahme des in Rede stehenden Tatzeitpunktes deshalb, weil der Beschwerdeführer einerseits nach seinen eigenen Angaben bis ca. 24.00 Uhr des Vortages getrunken habe und es anschließend noch zu einer Auseinandersetzung mit seinem Bruder gekommen sei und er andererseits am Ziel seiner Fahrt gegen 1.30 Uhr in einen Raufhandel verwickelt gewesen sei. Dabei sei noch zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben auf der Fahrt vermutlich gestürzt sei, sodaß auch dieser Zeitraum zu berücksichtigen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag nun ausgehend von dieser schlüssigen Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht zu erkennen, inwieweit die belangte Behörde zu einem im Sinne des Vorbringens des Beschwerdeführers anderen, nämlich früheren Tatzeitpunkt hätte kommen können, hätte sie die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 6. Mai 1991 genannten Zeugen vernommen. Denn nach dem damaligen Vorbringen des Beschwerdeführers hätten diese Zeugen bestätigen können, daß der Beschwerdeführer bei der fraglichen Party bis ca. 0.30 Uhr Bier getrunken habe.

Das weitere, unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides den Eintritt der Verfolgungsverjährung behauptende Beschwerdevorbringen ist deshalb unschlüssig, weil die belangte Behörde, wie auch der Beschwerdeführer nicht bestreitet, innerhalb der Verjährungsfrist genau jene Tat, nämlich die "gegen 1.00 Uhr" begangene Tat verfolgte, der der Beschwerdeführer in der Folge auch tatsächlich schuldig erkannt wurde.

Mit Recht bekämpft der Beschwerdeführer allerdings die Rechtsansicht der belangten Behörde, bei der Strafbemessung wäre im vorliegenden Fall § 20 VStG 1950 nicht heranzuziehen.

Gemäß § 20 VStG 1950 kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof hiezu ausgesprochen hat, kommt die außerordentliche Milderung der Strafe bei einem Jugendlichen unabhängig davon in Betracht, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1989, Zl. 89/03/0048). Das bedeutet im vorliegenden Fall, daß die belangte Behörde im Hinblick auf das Alter des am 5. März 1973 geborenen Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt vom außerordentlichen Milderungsrecht des § 20 leg. cit. hätte Gebrauch machen müssen. Das bedeutet allerdings im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen nicht, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall zwingend eine die Untergrenze des Strafrahmens des § 99 Abs. 1, Einleitungssatz, StVO 1960, unterschreitende Strafe hätte verhängen müssen. Sie hätte aber bei der Strafbemessung zu berücksichtigen gehabt, daß im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Bestimmung des § 20 VStG 1950 von einer Untergrenze des Strafrahmens von S 4.000 auszugehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1990, Zl. 89/03/0027).

Da die belangte Behörde dies verkannte, erweist sich der im angefochtenen Bescheid enthaltene Strafausspruch einschließlich der Kostenentscheidung als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. In diesem Umfang war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im übrigen erweist sich die Beschwerde aus den dargelegten Gründen als nicht berechtigt. Sie war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020061.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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