TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/29 91/03/0266

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Veröffentlicht am 29.01.1992
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 idF 1986/105;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der W in U, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. August 1991, Zl. IIb2-V-8941/4-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 14. Jänner 1991 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 8. August 1990 um 21,05 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in St. Johann i.T. auf der Speckbacherstraße (Gemeindestraße) in Richtung Oberndorf auf Höhe eines bestimmten Hauses gelenkt und dadurch eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO wurde über sie eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen) verhängt. Nach der Begründung sei die Beschwerdeführerin um 21,05 Uhr auf die Gegenfahrbahn geraten und habe den entgegenkommenden Pkw gestreift, bei welchem Unfall an beiden Fahrzeugen schwerer Sachschaden entstanden sei. Die um 21,49 Uhr am Gendarmerieposten St. Johann wegen deutlicher Alkoholisierungssymptome vorgenommene Messung der Atemluft mittels Alkomat habe einen Alkoholgehalt von 0,79 mg/l (dies entspreche einem Blutalkoholgehalt von 1,58 %o) ergeben. Dies stütze sich auf die Anzeige, das Ergebnis der Atemluftmessung, die Zeugenaussage des Gendarmeriebeamten Bez.Insp. K. und die Rechtfertigung der Beschwerdeführerin. Der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin habe vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe unmittelbar nach dem Unfall noch vor dem Eintreffen der Gendarmerie zwei doppelte Schnäpse konsumiert. Nur so sei der Meßwert von 0,79 mg/l erklärbar. Außerdem sei das Ergebnis nicht gültig, weil die Kalibrierungsfrist des Alkomaten bereits überschritten gewesen sei. Auch habe die Beschwerdeführerin Medikamente zu sich genommen, welche Einfluß auf den Alkoholgehalt gehabt hätten. Zum später behaupteten Nachtrunk sei zu bemerken, daß der Gendarmeriebeamte (auch) als Zeuge angegeben habe, die Beschwerdeführerin habe bei der Amtshandlung über Befragen erklärt, nach dem Unfall keine alkoholischen Getränke mehr konsumiert zu haben. Der Beamte sei im Besitz einer Ermächtigungsurkunde der Erstbehörde vom 28. Dezember 1987, welche ihn zur Durchführung der Alkomatuntersuchung berechtige. Der bestimmt genannte Alkomat sei erst am 4. Juli 1990 amtlich geprüft worden. Der Amtsarzt Dr. W. habe in seinem Gutachten auch zu der Medikamenteneinnahme Stellung genommen und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Beschwerdeführerin durch Alkohol- und Medikamenteneinflluß (wobei aber nach dem Gutachten die Medikamente den Atemluftalkoholgehalt nicht beeinflussen) fahruntauglich gewesen sei. Nach § 5 Abs. 1 StVO gelte der Zustand einer Person bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber als von Alkohol beeinträchtigt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. August 1991 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. Dies wurde zunächst unter Hinweis auf das erstinstanzliche Straferkenntnis begründet und sodann weiters ausgeführt, daß im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei. Sodann wurde das Gutachten der Amtssachverständigen Dr. Sch. vom 24. Mai 1991 wörtlich wiedergegeben. Darin heißt es u.a., der erste Alkomattest habe um 21,49 Uhr das Ergebnis von 0,79 mg/l und um 21,50 Uhr von 0,86 mg/l erbracht, der zweite um 21,56 Uhr den Wert von 0,83 mg/l und um 21,59 Uhr von 0,89 mg/l. Die Beschwerdeführerin habe bei der am 29. April 1991 durch die Amtssachverständige durchgeführten Untersuchung und Befragung angegeben, nach dem Unfall (nur) einen Schnaps (2 cl) konsumiert zu haben. Dann sei schon die Polizei gekommen. Gehe man vom geringsten Meßwert von 0,79 mg/l aus und rechne mit dem für die Beschwerdeführerin günstigsten Umrechnungsfaktor von 1,7, so ergebe sich im Tatzeitpunkt unter Berücksichtigung des Abbaues ein Blutalkoholgehalt von 1,5 %o im günstigsten Fall für die Beschwerdeführerin. Selbst wenn man die vom Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin behauptete Nachtrunkform in Rechnung stelle, ergebe sich noch immer ein Mindestblutalkoholgehalt von 0,9 bis 1,00 %o zum Deliktszeitpunkt. Gehe man von der von der Beschwerdeführerin selbst angegebenen Nachtrunkmenge aus, dann sei die errechenbare Blutkonzentration noch wesentlich höher. Die vier Meßergebnisse könnten Ausdruck dafür sein, daß ein Nachtrunk gewesen sei. Es zeige sich jedenfalls, daß noch eine Alkoholnachresorption stattgefunden habe. Die Einnahme der angegebenen Medikamente habe das Ergebnis nicht beeinflußt. Dieses Gutachten, so führte die belangte Behörde weiters aus, sei schlüssig und widerspruchsfrei. Die Beschwerdeführerin sei diesem nicht mit durch ein auf gleicher fachlicher Ebene liegendes Gutachten entgegengetreten. Im übrigen sei es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, die Art und Menge des Nachtrunks in Form von zwei Schnäpsen glaubhaft darzulegen. Aktenkundig sei weiters, daß die Fahrt der Beschwerdeführerin auf einer öffentlichen Verkehrsfläche unternommen worden sei. Der Unrechtsgehalt der Übertretung sei gravierend. Als Schuldform sei zumindest grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Mildernd sei das bisherige Wohlverhalten der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen gewesen. Erschwerungsgründe lägen nicht vor. Die Beschwerdeführerin beziehe ein monatliches Einkommen in der Höhe von S 8.000,--. Sie sei für ein Kind sorgepflichtig. Im Hinblick darauf sei die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe, die sich an der untersten Grenze des Strafrahmens orientiere, durchaus schuld- und tatangemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist der von der belangten Behörde angezogene § 5 Abs. 1 StVO jene Bestimmung, die durch das von der Beschwerdeführerin festgesetzte Verhalten verletzt wurde. Eine Mitzitierung des § 99 Abs. 1 lit. a StVO war nicht erforderlich. Das in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 90/18/0006, betrifft einen anderen Sachverhalt (Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO). Es liegt daher kein Verstoß gegen § 44a lit. b VStG vor.

Verfehlt ist auch die Meinung der Beschwerdeführerin, es hätte das Ergebnis der Atemluftuntersuchung nicht gegen sie verwertet werden dürfen, weil sie von den einschreitenden Gendarmeriebeamten die Vornahme einer Blutabnahme verlangt habe, welche diesem Ersuchen jedoch unter Hinweis darauf, daß dies im Gesetz nicht vorgesehen sei, nicht nachgekommen seien. Die Tat geschah am 8. August 1990, das erstinstanzliche Straferkenntnis wurde am 18. Jänner 1991 erlassen. Die Berufungsbehörde hat im Verwaltungsstrafverfahren ihrer Entscheidung die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides gegebene Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen. Die Änderung der Rechtslage nach Fällung der Entscheidung der Behörde erster Instanz ist nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 VStG ohne Bedeutung (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., Anm. 6 zu § 1 VStG, S. 691 4. Abs.). Auf den Beschwerdefall war daher noch die Rechtslage vor dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1991, G 274 bis 283/90 u. a., anzuwenden (vgl. die Kundmachung BGBl. Nr. 207/1991, ausgegeben am 25. April 1991). Nach dieser (vgl. § 5 Abs. 4a zweiter Satz und § 5 Abs. 4b) bestand bei einem Meßergebnis der Alkoholgehalt der Atemluft von über 0,5 mg/l, wie dies auf den Beschwerdefall zutrifft, keine Verpflichtung der Organe der Straßenaufsicht zur Mitwirkung an einer vom Betroffenen beabsichtigten Blutabnahme zur Bestimmung des Blutalkoholgehaltes. Das in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 89/02/0162, betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt.

Wenn die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Verwendungsrichtlinien des Bundesministeriums für Inneres für Alkomaten, wonach in den Fällen, in denen die beiden ausgedruckten Meßwerte bei einem Meßwert von über 0,5 mg/l um mehr als 10 % auseinanderliegen, der Atemtest nicht verwertbar und die Untersuchung zu wiederholen ist, behauptet, daß dies vorliegend der Fall gewesen sei, weil die Differenz 0,07 mg/l betrage, so ist das unrichtig, wie der Vergleich der Meßwerte des ersten maßgebenden Testes von 0,79 mg/l und 0,86 mg/l beweist. Das gleiche gilt für den zweiten Test mit Meßergebnissen von 0,83 bzw. 0,89 mg/l.

Die belangte Behörde hat die maßgebende Feststellung, daß sich die Beschwerdeführerin zur Tatzeit (Zeitpunkt des Lenkens) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, vor allem auf das Gutachten der ärztlichen Amtssachverständigen vom 24. Mai 1991 gestützt, aus dem sich ergibt, daß die Beschwerdeführerin, auch unter Annahme eines Nachtrunks, im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO alkoholbeeinträchtigt gewesen ist. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Meinung der belangten Behörde, daß dieses Gutachten schlüssig und widerspruchsfrei ist. Diesem ist die Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren nicht wirksam entgegengetreten. Auch die Beschwerde läßt insoweit ein konkretes überzeugendes Vorbringen vermissen. Einer Feststellung der genauen Höhe des Alkohlgehaltes zum Zeitpunkt der Tat bedurfte es nicht. Im übrigen ergeben sich die Werte aus dem wiedergegebenen Sachverständigengutachten. Wenn die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Behörde erster Instanz der vom Vertreter der Beschwerdeführerin behaupteten Menge des Nachtrunks (zwei doppelte Schnäpse) keinen Glauben geschenkt hat, so vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu finden, daß insoweit der belangten Behörde ein relevanter Verfahrensmangel vorzuwerfen ist, wenn man bedenkt, daß die Beschwerdeführerin dem Meldungsleger gegenüber am Tatort, wo in der Regel am ehesten richtige Angaben gemacht werden, über ausdrückliches Befragen erklärt hat, keinen Nachtrunk (in Form alkoholischer Getränke) zu sich genommen zu haben, und letztlich der Amtssachverständigen gegenüber bei der Untersuchung angegeben hat, lediglich EINEN Schnaps (im Ausmaß von 2 cl) konsumiert zu haben. Einer Vernehmung des Zeugen Josef G. (Unfallsgegner) bedurfte es nicht, da schon in der Anzeige festgehalten wurde, daß sich die Beschwerdeführerin vor dem Eintreffen der Gendarmerie in ein nahegelegenes Lokal begeben hatte, um zu telefonieren. Daß der Zeuge eine bestimmte von der Beschwerdeführerin genossene Alkoholmenge bezeugen könne, wurde nie behauptet. Der Akteninhalt läßt klar erkennen, daß es sich beim Tatort um eine öffentliche Verkehrsfläche (zutreffender: Straße mit öffentlichem Verkehr) gehandelt hat, der Meldungsleger zur Vornahme der Atemluftuntersuchung berechtigt war und das verwendete Gerät erst kurz vorher überprüft wurde. Das damit im Zusammenhang stehende Vorbringen der Beschwerdeführerin beinhaltet lediglich die Aufnahme unzulässiger Erkundungsbeweise. Der Aktenlage kann nicht entnommen werden, daß die Beschwerdeführerin auch einen Test mittels Alkoteströhrchen abgelegt hat, sodaß sich jedes Eingehen darauf erübrigte, ganz abgesehen davon, daß in der Beschwerde nicht einmal vorgebracht wird, welche Rückschlüsse sich daraus für den maßgebenden Sachverhalt ergeben würden.

Letztlich vermag auch das gegen die Strafbemessung gerichtete Beschwerdevorbringen nicht durchzuschlagen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte die Sorgepflicht für ein Kind nicht berücksichtigt, ist aktenwidrig, wie die Bescheidbegründung beweist. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung bedarf es bei einer Angabe des monatlichen Einkommens mit "ca. S 8.000,--" keiner weiteren Erhebung etwa über eine noch exaktere Höhe. Da das Gesetz für eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO einen Strafrahmen mit einer Geldstrafe von S 8.000,-- bis S 50.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit Freiheitsstrafe von einer bis zu sechs Wochen) vorsieht, aber über die Beschwerdeführerin lediglich eine an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens liegende Strafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen) verhängt wurde, vermag der Verwaltungsgerichtshof auch unter Einbeziehung der in der Beschwerde weiters im Zusammenhang mit der Straffrage angestellten Erwägungen nicht zu finden, daß der belangten Behörde bei der Strafbemessung eine zur Aufhebung des Strafausspruches führende Rechtswidrigkeit unterlaufen ist.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991030266.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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