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70/02 Schulorganisation;Norm
SchOG 1962 §8 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentDr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde der A J in B, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter C J, dieser vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 14. Juni 1991, Zl. IV Ju 8/3-1991, betreffend Bestimmung von Beurteilungsgrundlagen gemäß § 18 Abs. 12 des Schulunterrichtsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Unterricht und Kunst) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Schriftsatz vom 27. April 1991 beantragte die außerordentliche Schülerin des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums B, daß für sie gemäß § 18 Abs. 12 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG) hinsichtlich der Beurteilung der Unterrichtsgegenstand Deutsch an die Stelle der Fremdsprache Englisch trete, sodaß sie im Gegenstand Deutsch wie in der Fremdsprache Englisch beurteilt werde. Die Antragstellerin wurde am 14. Juni 1974 in Rumänien geboren; ihre Muttersprache ist Rumänisch.
1.2. Mit Entscheidung des Direktors der genannten Anstalt vom 10. Mai 1991 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin abgelehnt.
Nach der Begründung werde an keiner österreichischen Schule Rumänisch im Umfang der ersten lebenden Fremdsprache unterrichtet, weshalb die Durchführung entsprechender Externistenprüfungen nicht möglich sei. Der Antrag habe deshalb abgelehnt werden müssen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen und die Entscheidung des Schulleiters bestätigt.
Nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesstelle vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die durch den Strichpunkt voneinander getrennten beiden Halbsätze des § 18 Abs. 12 erster Satz SchUG sinngemäß so miteinander verknüpft seien, daß der im zweiten Halbsatz vorgesehene Leistungsnachweis in der Muttersprache des Schülers möglich sein müsse und diese Möglichkeit als Voraussetzung für die im ersten Halbsatz vorgesehene Bewilligung anzusehen sei. Diese Auslegung werde auch durch die Literatur (JONAK-KÖVESI, Das österreichische Schulrecht) gestützt. Im Beschwerdefall ergebe sich, daß für den Unterricht in Rumänisch kein Lehrplan als Pflicht- oder als Freigegenstand an einer österreichischen Allgemeinbildenden höheren Schule vorhanden sei. Es wäre daher für die Beschwerdeführerin nicht möglich, in ihrer Muttersprache - allenfalls im Wege einer Externistenprüfung - Leistungen nachzuweisen, die jenen eines Schülers deutscher Muttersprache im Pflichtgegenstand Deutsch entsprächen.
1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die Bestimmung des § 18 Abs. 12 SchUG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 211/1986 lautet:
"(12) Auf Antrag eines Schülers, dessen Muttersprache nicht die Unterrichtssprache der betreffenden Schule ist, hat der Schulleiter zu bestimmen, daß hinsichtlich der Beurteilung die Unterrichtssprache an die Stelle der lebenden Fremdsprache tritt, wenn eine lebende Fremdsprache als Pflichtgegenstand in der betreffenden Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist; der Schüler hat in seiner Muttersprache Leistungen nachzuweisen, die jenen eines Schülers deutscher Muttersprache im Pflichtgegenstand Deutsch entsprechen, allenfalls auch im Wege von Externistenprüfungen (§ 42), sofern die Durchführung von Prüfungen in der betreffenden Sprache möglich ist. Dasselbe gilt sinngemäß für die Pflichtgegenstände Kaufmännischer Schriftverkehr, Phonotypie, Kurzschrift und Maschinschreiben. Das Jahreszeugnis ist mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen. Dieser Absatz gilt nicht für die Bildungsanstalten für Kindergärtnerinnen, für Bildungsanstalten für Kinderpädagogik und für Bildungsanstalten für Erzieher."
2.2.1. Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, dem Antrag eines Schülers müsse bei Vorliegen der im § 18 Abs. 12 erster Halbsatz SchUG angeführten Voraussetzungen stattgegeben werden. Die von der belangten Behörde behauptete Verknüpfung des zweiten Halbsatzes dieser Bestimmung mit dem ersten Halbsatz in der Weise, daß das Erfordernis des Leistungsnachweises in der Muttersprache Voraussetzung für die Bewilligung des Antrages sei, widerspreche dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Gesetzesstelle. Dies sei auch daraus ersichtlich, daß nach § 18 Abs. 12 zweiter Halbsatz der Leistungsnachweis ALLENFALLS auch im Wege von Externistenprüfungen möglich sei, SOFERN die Durchführung von Prüfungen in der betreffenden Sprache möglich sei. Aus den Worten "allenfalls" und "sofern" gehe unzweifelhaft hervor, daß die Möglichkeit der Ablegung von Prüfungen in der Muttersprache nicht als conditio sine qua non für die Bewilligung eines Antrages eines fremdsprachigen Schülers anzusehen sei.
Der Zweck dieser Bestimmung liege darin, daß ein Schüler nichtdeutscher Muttersprache auch dann, wenn er die zum Verständnis des Unterrichtes notwendigen Deutschkenntnisse besitze, in diesem Unterrichtsgegenstand Schwierigkeiten haben werde, wenn er gleich einem Schüler deutscher Muttersprache beurteilt werde. Aus diesem Grund solle ihm die Möglichkeit geboten werden, in Deutsch wie beim Besuch einer Fremdsprache beurteilt zu werden. Erst damit werde für den Betroffenen die Chancengleichheit mit den Schülern hergestellt, deren Muttersprache Deutsch sei. Dies könne jedoch nicht von den Zufälligkeiten österreichischer Lehrpläne abhängig sein. Ein solches Ergebnis könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dessen erklärtes Ziel bei der Einführung des § 18 Abs. 12 SchUG gewesen sei, Kindern von Einwanderern die Möglichkeit zu geben, wie österreichische Staatsbürger die Vorzüge dieses Bildungssystems zu genießen.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine Rechtwidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
2.2.2. Im Beschwerdefall ist zunächst von § 24 Abs. 1 SchUG auszugehen: Nicht schulpflichtigen außerordentlichen Schülern - um einen solchen handelt es sich bei der die fünfte Klasse der genannten Schule besuchende Beschwerdeführerin - ist auf ihr Verlangen im Zeitpunkt ihres Ausscheidens bzw. am Ende eines jeden Unterrichtsjahres eine Schulbesuchsbestätigung über die Dauer ihres Schulbesuches bzw. über das Unterrichtsjahr und die besuchten Unterrichtsgegenstände auszustellen.
Nur wenn nicht schulpflichtige außerordentliche Schüler innerhalb der ersten beiden Monate gemäß § 24 Abs. 2 SchUG beantragen, daß ihre Leistungen in den von ihnen besuchten Unterrichtsgegenständen beurteilt werden, sind die §§ 17 bis 21 und § 23 sinngemäß anzuwenden. In diesem Fall hat die Schulbesuchsbestätigung auch die Beurteilung der Leistungen in den Unterrichtsgegenständen (das sind Pflichtgegenstände und Freigegenstände) zu enthalten.
Nach § 18 Abs. 1 leg.cit hat der Lehrer die Beurteilung der Leistungen der Schüler in den einzelnen Unterrichtsgegenständen durch ständige Beobachtung ihrer Mitarbeit im Unterricht sowie durch die in die Unterrichtsarbeit eingeordnete pünktliche, schriftliche und praktische oder nach anderen Arbeitsformen ausgerichtete Leistungsfeststellungen zu gewinnen. Maßstab für die Leistungsbeurteilung sind die Forderungen des Lehrplanes unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand des Unterrichtes.
Die Unterrichtssprache und die lebende Fremdsprache, die als Pflichtgegenstand in der betreffenden Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen sind, gelten als Pflichtgegenstände im Sinne des § 8 lit. c des Schulorganisationsgesetzes, das heißt, es handelt sich um Unterrichtsgegenstände, deren Besuch für alle in die betreffende Schule aufgenommenen Schüler verpflichtend ist, sofern sie nicht vom Besuch befreit oder im Falle des Religionsunterrichtes auf Grund der Bestimmungen des Religionsunterrichtsgesetzes vom Besuch abgemeldet worden sind. Eine Befreiung vom Besuch der genannten Unterrichtsgegenstände kommt dabei nicht in Frage.
Schon daraus ergibt sich, daß eine Bewilligung nach § 18 Abs. 12 SchUG nur zu einem AUSTAUSCH von Pflichtgegenständen, was die Beureilung anlangt, führen kann, nicht jedoch dazu, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Muttersprache gar keine Leistungen nachzuweisen hat, die jenen eines Schülers deutscher Muttersprache im Pflichtgegenstand Deutsch entspreche. Voraussetzung für eine Bewilligung nach § 18 Abs. 12 SchUG ist daher, daß der Schüler eine Schulart in einer Klasse besuchen muß, in der eine lebende Fremdsprache als Pflichtgegenstand vorgesehen ist UND ein Leistungsnachweis des Schülers in seiner Muttersprache, allenfalls auch im Wege von Externistenprüfungen, möglich ist. Dies erfordert jedoch als Maßstab der Leistungsbeurteilung das Vorhandensein eines entsprechenden Lehrplanes in der Muttersprache des Schülers (vgl. § 18 Abs. 1 zweiter Satz SchUG).
Für dieses Ergebnis sprechen auch die Materialien des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 139/1974: Beweggrund für die Einführung des § 18 Abs. 12 war danach eine spürbare Zunahme des Schulbesuches durch Kinder nicht deutscher Muttersprache, was seine Ursache vornehmlich in dem verstärken Einsatz ausländischer Arbeitnehmer in der heimischen Wirtschaft hatte, da Gastarbeiter in zunehmendem Maße mit ihren Familien nach Österreich gekommen seien, was für sie unter anderem die Verpflichtung begründe, für die Erfüllung der Schulpflicht durch ihre schulpflichtigen Kinder in Österreich Sorge zu tragen. Wenn auch durch § 3 Abs. 1 lit. b leg. cit.sichergestellt sei, daß ein ordentlicher Schüler die Unterrichtssprache so weit beherrschen müsse, daß er dem Unterricht zu folgen vermag, sei eine Rücksichtnahme auf sprachliche Schwierigkeiten doch nicht überflüssig.
Ein Schüler nichtdeutscher Muttersprache werde auch dann, wenn er die zum Verständnis des Unterrichtes notwendigen Deutschkenntnisse besitze, im Unterrichtsgegenstand Deutsch Schwierigkeiten haben, wenn er gleich einem Schüler deutscher Muttersprache beurteilt werde. Es solle ihm deshalb die Möglichkeit geboten werden, in Deutsch wie beim Besuch einer Fremdsprache beurteilt zu werden, während er in seiner Muttersprache so zu beurteilen sein werde, wie ein Schüler mit deutscher Muttersprache im Pflichtgegenstand Deutsch (vgl. 345 BlgNR 13. GP, Seite 43 f.).
Da in Österreich derzeit kein Lehrplan für Rumänisch besteht, was auch von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt wird, war ihrer Beschwerde der Erfolg zu versagen.
2.3. Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
2.4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991100160.X00Im RIS seit
02.07.2001Zuletzt aktualisiert am
23.11.2011