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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Waldner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, in der Beschwerdesache des J in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für Unterricht und Kunst wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit des Austrittes aus einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
1.0. Aus der Säumnisbeschwerde und dem Verwaltungsakt ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
1.1. Mit Schreiben vom 9. Februar 1990 an den Magistrat der Stadt Wien erklärte der Beschwerdeführer seinen Austritt aus der römisch katholischen Kirche. Er sei am 24. Mai 1953 in E geboren und wenige Tage später in derselben Pfarre getauft worden. Sein Wohnsitz sei an einer im einzelnen angegebenen Adresse in Wien.
1.2. Mit Bescheid vom 19. April 1990 verweigerte der Magistrat der Stadt Wien die Kenntnisnahme der vom Beschwerdeführer erstatteten Meldung des Austrittes aus der katholischen Kirche gemäß Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger, RGBl. Nr. 49/1868 (im folgenden: IntKonfVerhG), in Verbindung mit § 3 der Verordnung der Minister des Cultus und des Inneren betreffend den Vollzug der den Übertritt von einer Kirche oder Religionsgesellschaft zu anderen regelnden Bestimmungen des IntKonfVerhG, RGBl. Nr. 13/1869 (im folgenden: AustrittsV). Nach der Begründung dieses Bescheides müsse der Austretende, um einen gesetzlich wirksamen Austritt aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft zu haben, denselben gemäß Art. 6 IntKonfVerhG der politischen Behörde melden. Nach der AustrittsV müsse die Meldung jene Angaben enthalten, die zur Beurteilung nötig seien, wem (welcher Kirche oder Religionsgenossenschaft) sie zu übermitteln sei. Da der schriftlichen Austrittsmeldung die nötige Unterlage (Taufschein etc.) nicht angeschlossen sei, sei der Einschreiter zur Nachreichung derselben unter Fristsetzung schriftlich aufgefordert worden. Dieser Aufforderung sei nicht entsprochen worden. Der Behörde habe somit die Grundlage für die Beurteilung der Entgegennahme der Meldung des Austrittes aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft gefehlt.
Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 23. April 1990 Berufung.
Mit Schriftsatz vom 19. November 1990 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag, da der Landeshauptmann von Wien über die Berufung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten entschieden habe.
1.3. Mit undatiertem Schreiben, welches dem Beschwerdeführer nachweislich am 11. März 1991 zugestellt wurde, nahm der Magistrat der Stadt Wien die Anmeldung des Austrittes aus der römisch katholischen Kirche "nunmehr nach Überprüfung der Magistratsabteilung 62 gemäß des Gesetzes vom 25. Mai 1968, R.G.Bl.Nr. 49 zur Kenntnis".
In seiner am 23. Mai 1991 zur Post gegebenen und am 27. Mai 1991 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde (datiert vom 21. November 1990) macht der Beschwerdeführer geltend, seit Einbringung des Devolutionsantrages bei der belangten Behörde sei ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten verstrichen, ohne daß die belangte Behörde über die Berufung entschieden hätte.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. 2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
2.1. Art. 6 Abs. 1 IntKonfVerhG lautet:
"Damit jedoch der Austritt aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft seine gesetzliche Wirkung habe, muß der Austretende denselben der politischen Behörde melden, welche dem Vorsteher oder Seelsorger der verlassenen Kirche oder Religionsgenossenschaft die Anzeige übermittelt."
Nach § 1 AustrittsV ist die zur Entgegennahme der Erklärung des Austrittes aus einer Kirche oder Religionsgesellschaft berufene politische Behörde die politische Bezirksbehörde (Bezirkshauptmannschaft) des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Meldenden. Gemäß § 3 AustrittsV muß die Meldung bei der Behörde mündlich zu Protokoll gegeben oder in einem an diese gerichteten, mit der Unterschrift des Austretenden versehenen Schriftstücke niedergelegt sein, und jene Angaben enthalten, die nötig sind, um zu beurteilen, wem sie zu übermitteln sei. Ist diesen Erfordernissen nicht entsprochen, so muß der Austretende zur Ergänzung des Fehlenden vorgeladen werden. Gemäß § 5 AustrittsV sind die Austretenden von der über ihre Anmeldung getroffenen Verfügung schriftlich zu verständigen. Die schriftliche Verständigung kann unterbleiben, wenn die Partei, deren Identität nachgewiesen ist, hierauf verzichtet oder wenn die mündliche Verständigung ausreicht.
2.2. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß die Austrittserklärung eine Willenserklärung des Austretenden ist, deren Wirksamkeit jedenfalls voraussetzt, daß sie bei der zuständigen Behörde einlangt. Weder der Verständigung des Austretenden über die Entgegennahme der Austrittserklärung noch die Übermittlung der Austrittsmeldung an den Vorsteher oder Seelsorger der verlassenen Kirche oder Religionsgesellschaft kommt Bescheidcharakter zu (vgl. Klecatsky-Weiler, 84, Anm. 8 und die dort zitierte Rechtsprechung). Hingegen hat die Behörde dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Austritt nicht erfüllt sind, über die Austrittsmeldung mit Bescheid abzusprechen (vgl. VfSlg. Nr. 800/1927).
Ähnlich wie etwa nach dem Auskunftspflichtgesetz oder nach § 47 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes ist im Falle der positiven Erledigung des Begehrens des den Austritt Erklärenden keine bescheidförmige Erledigung durch die Behörde vorzunehmen, sondern nur im Fall der Verweigerung der Entgegennahme der Austrittserklärung wegen Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen.
2.3. Im Beschwerdefall erfolgte zunächst eine solche ablehnende bescheidförmige Erledigung durch die zuständige Behörde erster Instanz. Da der Landeshauptmann von Wien über die dagegen erhobene Berufung nicht rechtzeitig entschied, wurde die belangte Behörde (der Bundesminister für Unterricht und Kunst) auf Grund des gestellten Devolutionsantrages zur Entscheidung über die Berufung zuständig. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer die Verständigung über die "Kenntnisnahme" seines Austrittes aus der römisch katholischen Kirche durch die Behörde erster Instanz nachweislich am 11. März 1991 zugestellt.
Mit dieser Verständigung von der "Zurkenntnisnahme" der Austrittserklärung hat das Verfahren dem Beschwerdeführer gegenüber in einer der verwaltungsrechtlichen Handlungsformen, die das Gesetz zum Zweck der Behandlung einer Austrittserklärung aus einer Religionsgesellschaft vorsieht, seine Erledigung und seinen Abschluß gefunden, indem dem Begehren des Beschwerdeführers Rechnung getragen wurde. Mit diesem seitens der dazu zuständigen Verwaltungsbehörde vorgenommenen, nicht bescheidmäßigen Verwaltungsakt wurde eine Erledigung der Berufung durch den im Devolutionswege zuständig gewordenen Bundesminister entbehrlich. Dieses Berufungsverfahren hat vielmehr infolge prozessualer Überholung durch die "Zurkenntnisnahme" der Austrittsmeldung seinen Gegenstand verloren.
2.4. Da somit im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde keine Pflicht der belangten Behörde mehr bestand, über die Berufung DURCH BESCHEID abzusprechen, lag die Prozeßvoraussetzung der Säumnis im Sinne des Art. 132 B-VG und § 27 VwGG nicht vor.
Die Säumnisbeschwerde war infolge dessen wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluß zurückzuweisen.
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991100126.X00Im RIS seit
25.01.2001