TE Vwgh Beschluss 1992/2/5 88/13/0175

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Veröffentlicht am 05.02.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
BAO §308 Abs1;
BAO §308 Abs3;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 89/13/0090

Betreff

Der VwGH hat in den Rechtssachen des NN in W, über 1. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde an den VwGH gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld, vom 27.7.1988, Zl. 6/1-1210/4/85, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1974 bis 1978, Einkommensteuer für die Jahre 1973 bis 1978, Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1.1. der Jahre 1974 bis 1977 und 1979 sowie Vermögensteuer ab dem 1.1. der Jahre 1974, 1975, 1977 und 1978 und 2. Beschwerde gegen den eben zitierten Bescheid, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde als Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides den 9. August 1988 angegeben.

Begründung

In ihrer Gegenschrift weist die belangte Behörde darauf hin, daß der angefochtene Bescheid in Wahrheit schon am 8. August 1988 zugestellt worden sei, und zwar an den Steuerberater des Beschwerdeführers, dem der Beschwerdeführer Zustellvollmacht erteilt gehabt habe. Zum Beweis für die Richtigkeit des Zustelldatums wird auf den Rückschein verwiesen, auf dem das Datum der Übernahme des angefochtenen Bescheides durch eine Angestellte des Steuerberaters mit "88/08/08" angegeben ist und auf dem ein die Zustellung bescheinigender Poststempel gleichen Datums aufscheint. Die erst am 20. September 1988 zur Post gegebene Beschwerde wäre danach verspätet.

In seinem fristgerecht eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt der Beschwerdeführer vor, die angefochtene Entscheidung sei in der Kanzlei seines Steuerberaters mit einer Einlaufstampiglie, die das Datum 9. August 1988 ausweise, versehen worden. Sein nunmehriger Rechtsfreund, der mit der Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde beauftragt worden sei, habe die Beschwerdefrist von diesem Datum ausgehend berechnet. Erst durch die Gegenschrift der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer davon Kenntnis erlangt, daß die Zustellung des angefochtenen Bescheides tatsächlich bereits am 8. August 1988 erfolgt sei. Es müsse davon ausgegangen werden, daß ein berufsmäßiger Parteienvertreter seine Mitarbeiter hinsichtlich der exakten Eintragung des Zustelldatums auf Schriftstücken hinreichend angewiesen und kontrolliert habe, und daß bei ständigen Mitarbeitern bzw. Angestellten diesbezüglich auch eine entsprechende Verläßlichkeit gegeben sei. Wenn daher bei einem Vollmachtswechsel dem Klienten bzw. dessen neuen Vertreter die Ausfertigung einer behördlichen Entscheidung übergeben bzw. übermittelt werde, die mit einem Eingangsstempel des früheren Vertreters versehen sei, könne für den Beschwerdeführer und dessen neuen Vertreter kein Anlaß bestehen, an der Richtigkeit des vermerkten Zustelldatums zu zweifeln, ebensowenig, wie der frühere Zustellbevollmächtigte an der Verläßlichkeit seiner Mitarbeiter habe zweifeln müssen, wenn diese ständig mit der Empfangnahme von Schriftstücken und der Führung der Fristvormerke befaßt seien. Auch bei zumutbarer und gehöriger Aufmerksamkeit müsse man als Parteienvertreter davon ausgehen, daß das Zustelldatum richtig vermerkt sei, weil ja der jeweilige Vertreter die Schriftstücke zumeist nicht persönlich in Empfang nehme, sondern die Zustellung an dessen Mitarbeiter erfolge.

Im übrigen bestünden aber auch Zweifel daran, daß die Zustellung tatsächlich schon am 8. August 1988 erfolgt sei, weil im Posteingangsbuch des Steuerberaters unter diesem Datum kein Posteingang vermerkt sei. Diesbezüglich werde die Einvernahme des Steuerberaters und seiner Angestellten als Auskunftspersonen beantragt.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Parteienvertreters trifft die Partei (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seite 656 f) und zwar auch dann, wenn der Vertreter die Partei nur im Verwaltungsverfahren nicht aber auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten hat (vgl. den hg. Beschluß vom 26. März 1979, 3108/78).

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. Dolp aaO Seite 665 sowie das hg. Erkenntnis vom 26. September 1990, 89/13/0240, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer hat als Wiedereinsetzungsgrund vorgebracht, sein mit der Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde beauftragter Rechtsanwalt habe im Vertrauen auf die Richtigkeit des Eingangsvermerkes auf dem angefochtenen Bescheid die Beschwerdefrist ermittelt. Es habe für ihn kein Anlaß bestanden, an der Richtigkeit dieses Vermerkes zu zweifeln. Dies mag zutreffen. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, daß das Ereignis, das zur Fristversäumnis geführt hat, der unrichtige Vermerk betreffend die Zustellung des angefochtenen Bescheides war. Dieses Ereignis war daher dahingehend zu untersuchen, ob es unvorhergesehen oder unabwendbar war und ob es sich bei einem allfälligen Verschulden daran nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt hat. Bezüglich dieses Ereignisses enthält der Wiedereinsetzungsantrag jedoch kein konkretes Vorbringen, das allein eine derartige Prüfung ermöglichen würde. Es wird lediglich allgemein die Auffassung vertreten, daß von einem Verschulden des Parteienvertreters "bei versehentlich unrichtigem Vermerk des Zustelldatums" (durch einen seiner Angestellten) keine Rede seien könne. Diese Auffassung kann in ihrer allgemein gehaltenen Formulierung nicht geteilt werden. Vielmehr entscheiden die Umstände des Einzelfalles, ob der Vermerk eines unrichtigen Eingangsdatums durch einen Angestellten des Parteienvertreters, das zu einer Fristversäumnis führt, einen Wiedereinsetzungsgrund darstellt oder nicht.

Im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wird weder vorgebracht, wie es zu dem Vermerk eines unrichtigen Eingangsdatums entweder tatsächlich oder möglicherweise gekommen ist, noch wird dargelegt, daß der Steuerberater im Rahmen seiner Kanzleiorganisation in ausreichender Weise Vorsorge getroffen hat, daß derartige Versehen tunlichst vermieden werden (vgl. Dolp, aaO Seite 657 ff).

Da somit der Wiedereinsetzungsantrag keinen genügend konkret ausgeführten Wiedereinsetzungsgrund enthält, war der Antrag abzuweisen.

Die zusätzlich vom Beschwerdeführer im Wiedereinsetzungsantrag geäußerten "Zweifel an der Richtigkeit des Inhaltes der Übernahmsbestätigung und des Rücklaufstempels des Postamtes" waren jedenfalls nicht geeignet, um dem Wiedereinsetzungsantrag zum Erfolg zu verhelfen, weil einem Wiedereinsetzungsantrag nur stattgegeben werden kann, wenn die betreffende Frist tatsächlich versäumt wurde.

Im übrigen hegt der Gerichtshof jedoch keinen Zweifel daran, daß die Zustellung des angefochtenen Bescheides bereits am 8. August 1988 erfolgt ist. Selbst wenn man nämlich von der Annahme ausgehen wollte, daß der Angestellten des Steuerberaters bei Eintragung des Übernahmedatums auf dem Rückschein ein Irrtum unterlaufen sein könnte und dieser Irrtum dem Zusteller nicht aufgefallen wäre, so erscheint es doch ausgeschlossen, daß ZUSÄTZLICH zu diesen beiden möglichen Fehlerquellen auch das mit Poststempel auf dem Rückschein vermerkte und mit dem von der Angestellten bescheinigten Übernahmedatum idente Zustelldatum unrichtig gewesen sein sollte. Bei dieser Sachlage erübrigte sich die Aufnahme weiterer Beweise, weil die Versäumung der Beschwerdefrist durch den Beschwerdeführer als erwiesen angenommen werden konnte. Die Beschwerde war daher aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988130175.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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