TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/5 91/13/0195

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Veröffentlicht am 05.02.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §260 Abs2;
BAO §273 Abs1;
BAO §276 Abs1;
BAO §278;
BAO §279 Abs1;
BAO §282 Abs1;
BAO §299 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1. Juli 1991, GZ. 6/3-3295/89-08, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Entscheidung über die Berufung hinsichtlich Einkommensteuer 1983 - 1985 und Gewerbesteuer 1985 durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem mit Niederschrift vom 6. März 1989 festgehaltenen mündlichen Anbringen beantragte der Beschwerdeführer gegen die an ihn ergangenen Berufungsvorentscheidungen vom 23. Jänner 1989 betreffend Einkommensteuer 1983 bis 1985 sowie Gewerbesteuer 1985 die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom 24. April 1989 als verspätet zurückgewiesen. Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom 16. August 1989 stattgegeben und der Zurückweisungsbescheid "ersatzlos" aufgehoben.

In weiterer Folge wies die Finanzlandesdirektion als Abgabenbehörde zweiter Instanz den genannten Antrag vom 6. März 1989 mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unzulässig zurück. Begründet wurde der Bescheid damit, daß der Antrag verspätet sei.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 260 Abs. 2 lit. d BAO obliegt dem Berufungssenat als Organ der Abgabenbehörde zweiter Instanz die Entscheidung über Berufungen unter anderem gegen Abgabenbescheide über die veranlagte Einkommensteuer und die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital. Der angefochtene Bescheid entscheidet nach seinem Spruch ausdrücklich "über die Berufung ... gegen die Bescheide ... betreffend

Einkommensteuer ... und Gewerbesteuer". Wenn die Berufungsentscheidung durch einen Berufungssenat zu fällen ist, werden die den Abgabenbehörden zweiter Instanz gemäß den §§ 278, 279 und 281 BAO eingeräumten Rechte zunächst vom Vorsitzenden des Senates ausgeübt (vgl. § 282 Abs. 1 BAO).

Der angefochtene Bescheid, mit dem über eine Berufung hinsichtlich solcher im § 260 Abs. 2 lit. d BAO angeführter Abgaben entschieden worden ist, ist weder von dem nach § 270 BAO gebildeten Berufungssenat noch von seinem Vorsitzenden erlassen worden; vielmehr wurde der Bescheid durch die Finanzlandesdirektion namens des Leiters dieser Behörde ausgefertigt. Damit erging der Bescheid durch eine unzuständige Behörde.

Im Hinblick auf die Fortsetzung des Berufungsverfahrens ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde zur Erlassung des bekämpften Bescheides auch aus folgenden Gründen nicht zuständig gewesen ist: Die Finanzlandesdirektion hat ihren Bescheid auf § 279 Abs. 1 BAO gestützt, wonach die Abgabenbehörden zweiter Instanz die Obliegenheiten und Befugnisse haben, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind. Der Berufungsbehörde stehen jedoch jene Befugnisse der Abgabenbehörde erster Instanz nicht zu, die kraft ausdrücklicher Gesetzesvorschriften in die sachliche Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz fallen (vgl. Stoll, Handbuch, S. 669). Nun wird im § 276 Abs. 1 letzter Satz BAO ausdrücklich bestimmt, daß ein verspätet eingebrachter Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz von der Abgabenbehörde erster Instanz durch Bescheid zurückzuweisen ist. Eine dem § 278 zweiter Satz BAO - wonach die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Zurückweisung (aus einem von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht aufgegriffenen Grund) auszusprechen hat - vergleichbare Bestimmung für den Antrag nach § 276 Abs. 1 BAO kennt das Gesetz nicht. Aus dem Zusammenhalt dieser Vorschriften ergibt sich somit, daß die Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Zurückweisung eines solchen verspätet eingebrachten Antrages nicht berechtigt ist.

Im Beschwerdefall ist überdies der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der entschiedenen Sache berechtigt. Ist doch in der Berufungsvorentscheidung vom 16. August 1989 in Stattgebung der gegen die Zurückweisung wegen Verspätung erhobenen Berufung vom 24. Mai 1989 die Aufhebung des Zurückweisungsbescheides vom 24. April 1989 ausgesprochen worden. Diese Berufungsvorentscheidung - die gemäß § 276 Abs. 1 zweiter Satz BAO wie eine Entscheidung über die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid wirkt - stand einer neuerlichen Zurückweisung deswegen entgegen, weil in dieser S a c h e - nämlich der Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages auf Entscheidung - bereits rechtskräftig entschieden worden ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991130195.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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