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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
HebG §3 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 26. April 1991, Zl. 551.775/1-II/B/13b/91, betreffend Gültigkeitserklärung eines ausländischen Hebammendiploms, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 5. Jänner 1990 auf Gültigkeitserklärung ihres im Jahre 1980 in England erworbenen Hebammendiploms gemäß § 3 Abs. 3 und 4 des Hebammengesetzes 1963, BGBl. Nr. 3/1964, unter folgenden aufschiebenden Bedingungen stattgegeben: Sie habe eine ergänzende theoretische Ausbildung in den Fächern "Grundzüge des Sanitätsrechtes mit besonderer Berücksichtigung des Hebammenwesens; Personenstandsrecht", "Grundzüge der sozialen Fürsorge mit besonderer Berücksichtigung der Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge; Grundzüge des Sozialversicherungsrechtes", "Allgemeine Hygiene und Infektionslehre, einschließlich Entwesung, Desinfektion und Sterilisation", "Geburtshilfe I", "Geburtshilfe II" und "Kinderheilkunde" sowie eine praktische Ausbildung in der Dauer von sechs Monaten an der geburtshilflichen Abteilung einer österreichischen Bundeshebammenlehranstalt zu absolvieren und darüber Prüfungen mit Erfolg abzulegen.
In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde behauptet die Beschwerdeführerin, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Gültigkeitserklärung ihres ausländischen Hebammendiploms ohne aufschiebende Bedingung, in eventu lediglich unter der aufschiebenden Bedingung eine Ergänzungsprüfung über die Vorschriften auf dem Gebiete des Hebammenwesens, der Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge verletzt zu sein. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat trotz zweimaliger Aufforderung (zugestellt am 16. August 1991 und am 8. November 1991) die Akten des Verwaltungsverfahrens nicht vorgelegt; sie hat auch keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, daß der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 38 Abs. 2 VwGG berechtigt ist, bei seiner Entscheidung vom Tatsachenvorbringen der Beschwerdeführerin auszugehen.
Gemäß § 3 Abs. 3 des Hebammengesetzes 1963 steht die Gültigkeitserklärung außerhalb Österreichs erworbener Hebammendiplome nach Einholung des Gutachtens einer Bundeshebammenlehranstalt und nach Anhörung des für den Wohnsitz der Gesuchswerberin zuständigen Hebammengremiums dem Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz zu. Die Gültigkeitserklärung eines ausländischen Diploms darf dann nicht versagt werden, wenn die Ausbildung im Ausland die für die Ausübung des Hebammenberufes in Österreich erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt hat. Für Hebammen, die in den Grenzgebieten tätig sind, gelten die Vereinbarungen mit den Nachbarstaaten. Nach § 3 Abs. 4 leg. cit. hat der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz nach Anhörung des zuständigen Hebammengremiums die Gültigkeitserklärung von im Ausland erworbenen Hebammendiplomen von dem erfolgreichen Besuch eines Fortbildungskurses oder der erfolgreichen Ablegung einer Ergänzungsprüfung abhängig zu machen, wenn die Ausbildung im Ausland die für die Ausübung des Hebammenberufes in Österreich erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht vermittelt hat. Die Bundeshebammenlehranstalt hat nach Prüfung der Unterlagen dem Bundesminister bekanntzugeben, aus welchen Fachgebieten die Ablegung einer Ergänzungsprüfung erforderlich ist. Die Ablegung einer Ergänzungsprüfung über die Vorschriften auf dem Gebiete des Hebammenwesens, der Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge ist jedenfalls erforderlich.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich zunächst, daß die Vorschreibung einer Ergänzungsprüfung über die Vorschriften auf dem Gebiete des Hebammenwesens, der Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge dem Gesetz entspricht. Insoferne ist der angefochtene Bescheid keinesfalls mit Rechtswidrigkeit behaftet.
Die Beschwerdeführerin behauptet, daß ihr Parteiengehör verletzt worden sei. Das Schreiben der belangten Behörde vom 20. September 1990, in dem ihr davon Mitteilung gemacht wurde, daß eine Gültigkeitserklärung unter Bedingungen wie im angefochtenen Bescheid in Aussicht genommen werde, sei ihr infolge eines neuerlich angetretenen Auslandsaufenthaltes nicht rechtswirksam zugestellt worden. Auch die gleichzeitig eingeholten weiteren Unterlagen - das Gutachten einer Bundeshebammenlehranstalt und die Stellungnahme des zuständigen Hebammengremiums - seien ihr nicht zur Kenntnis gebracht worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat von der Richtigkeit dieser Behauptung und damit vom Vorliegen dieser Verfahrensmängel auszugehen.
Die Beschwerdeführerin tut auch dar, was sie im Falle der Gewährung des Parteiengehörs in ihrer Stellungnahme vorgebracht hätte, sowie daß dieses Vorbringen die belangte Behörde zur Erlassung eines anderslautenden Bescheides hätte veranlassen müssen. Ihre in England sowie ihre bereits vorher in Österreich genossene Ausbildung - sie ist seit 1975 Diplomierte Krankenschwester - hätten ihr die nötigen Kenntnisse in den medizinischen Fächern vermittelt. Auf Grund ihres englischen Hebammendiploms habe sie in den Jahren 1984 bis 1986 im Sudan im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojektes als Hebamme gearbeitet.
Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht in der Lage, die Berechtigung dieses Vorbringens zu überprüfen und zu entscheiden, ob die von der Beschwerdeführerin im Ausland genossene Ausbildung die für die Ausübung des Hebammenberufs in Österreich erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt hat. Lediglich hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid genannten Rechtsfächer (soweit sie im letzten Satz des § 3 Abs. 4 des Hebammengesetzes angeführt sind) bestehen auf Seiten des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken; hinsichtlich der übrigen Rechtsfächer stellt sich die bislang unbeantwortete Frage, ob sie nicht durch das Krankenschwesterdiplom aus dem Jahre 1975 abgedeckt sind. Im übrigen kann der Gerichtshof die von der Beschwerdeführerin behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit der Bedingungen infolge nicht ausreichender Begründung und fehlender Unterlagen nicht beurteilen. Für den Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht erkennbar, welchen Inhalt und welche Bedeutung für den angefochtenen Bescheid das Gutachten und die Stellungnahme nach § 3 Abs. 3 und 4 leg. cit. hatten. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist und weil Stempelgebührenersatz nur im Ausmaß von S 480,-- zuzusprechen war (S 240,-- für zwei Beschwerdesausfertigungen, S 120,-- für die Vollmachtsurkunde und S 120,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992110020.X00Im RIS seit
11.02.1992