TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/11 92/11/0006

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Veröffentlicht am 11.02.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §56;
AVG §57 Abs3;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. Dezember 1991, Zl. I/7-St-S-9160/1, betreffend Bestätigung des Außerkrafttretens eines Mandatsbescheides und Aussetzung eines Entziehungsverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, dem angefochtenen Bescheid und dem gleichzeitig vorgelegten erstinstanzlichen Bescheid vom 6. September 1991 ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Mandatsbescheid vom 11. Juli 1991 entzog die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B bis einschließlich 15. Jänner 1992. Begründet wurde diese Maßnahme damit, daß der Beschwerdeführer am 15. Juni 1991 ein Kfz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet habe. Der Beschwerdeführer erhob am 17. Juli 1991 Vorstellung.

Am 22. Juli 1991 richtete die "Führerscheinabteilung" der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung an deren Strafabteilung eine Anfrage über den Stand des gegen den Beschwerdeführer anhängigen Strafverfahrens wegen des Vorfalles vom 15. Juni 1991. Mit Schreiben vom 7. August 1991 teilte die Behörde dem Beschwerdeführer mit, daß das Entziehungsverfahren bis zur Entscheidung in dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 gemäß § 38 AVG ausgesetzt worden sei. Nach den insoweit übereinstimmenden Begründungen der beiden eingangs erwähnten Bescheide sei dieses "mit Aktenvermerk vom 5. August 1991" erfolgt.

In seinen Eingaben vom 21. August 1991 an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung stellte der Beschwerdeführer u.a. die Anträge 1. auf Bestätigung des Außerkrafttretens des Mandatsbescheides gemäß § 57 Abs. 3 AVG und 2. "auf bescheidmäßige Ausfertigung der Aussetzungsverfügung".

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. Dezember 1991 wurde der erstere Antrag gemäß § 57 Abs. 3 AVG abgewiesen und der letztere Antrag gemäß § 38 AVG zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Antrages auf Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 57 Abs. 3 AVG damit, daß durch die Anfrage vom 22. Juli 1991 der mit dem Entziehungsverfahren befaßten Abteilung der Erstbehörde an deren Strafabteilung über den Stand des gegen den Beschwerdeführer anhängigen Strafverfahrens das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Diese Anfrage sei innerhalb der Frist des § 57 Abs. 3 AVG ergangen und sie habe der Ermittlung des für das Entziehungsverfahren maßgebenden Sachverhaltes gedient. Daher sei der Mandatsbescheid vom 11. Juli 1991 nicht außer Kraft getreten.

Die Zurückweisung des Antrages "auf bescheidmäßige Ausfertigung der Aussetzungsverfügung" begründete die belangte Behörde damit, daß - wie sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0069, ergebe - die Partei keinen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Aussetzung des Verfahrens habe.

2. Zur Abweisung seines Antrages auf Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 57 Abs. 3 AVG bringt der Beschwerdeführer vor, die Anfrage vom 22. Juli 1991 sei nicht als Einleitung des Ermittlungsverfahrens im Sinne der genannten Gesetzesstelle anzusehen. Es habe sich dabei um eine bloß innerbehördliche Anfrage und überdies nur "über den Stand des Ermittlungsverfahrens" gehandelt. Damit habe sie nicht der Feststellung des "historischen" Sachverhaltes gedient. Auch hätte sie "zumindest nach außen hin bei einer anderen Dienststelle oder Behörde in Erscheinung treten" müssen. Daher sei der vorliegende Fall nicht mit dem vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Dezember 1989, Zl. 89/11/0288, entschiedenen vergleichbar. Damals habe das Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien eine Anfrage an ein Bezirkspolizeikommissariat und überdies mit dem Ersuchen "um Bekanntgabe des Sachausganges" gerichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, daß auch Ersuchen der für das Entziehungsverfahren zuständigen Abteilung an die Strafabteilung derselben Behörde etwa "um Bekanntgabe des Sachausganges" eines Strafverfahrens (vgl. neben dem in der Beschwerde genannten Erkenntnis Zl. 89/11/0288 auch jenes vom 4. Dezember 1987, Zl. 87/11/0115) oder "um Bekanntgabe der Vormerkungen" (Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 91/11/0014) der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes dienen und daher als Einleitung des Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 57 Abs. 3 AVG anzusehen sind. In dem Erkenntnis Zl. 89/11/0288 hat sich der Gerichtshof mit einem dem vorliegenden vergleichbaren Beschwerdevorbringen befaßt und die Meinung des damaligen Beschwerdeführers verworfen, daß ein bloß behördeninternes Ersuchen um Bekanntgabe des Sachausganges bei Kenntnis davon, daß das Strafverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sein kann, nicht als Einleitung des Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 57 Abs. 3 AVG anzusehen sei. Dem fügte der Gerichtshof hinzu, in einem Falle, in dem die Behörde zur Aussetzung des Verfahrens berechtigt ist, würde es genügen, diese Anordnung im Akt festzuhalten, weil sich bereits daraus zweifelsfrei ergebe, daß sich die Behörde mit dieser Angelegenheit befasse. Unter Hinweis auf dieses Erkenntnis hat der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 91/11/0014, ausgesprochen, daß eine bestimmte Art von Ermittlungen oder eine bestimmte Form für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 57 Abs. 3 AVG nicht vorgesehen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Behörde eindeutig zu erkennen gibt, daß sie sich nach Erhebung der Vorstellung durch Anordnung von Ermittlungen mit der den Gegenstand des Mandatsbescheides bildenden Angelegenheit befaßt. In diesem Zusammenhang ist eine Anfrage der für das Entziehungsverfahren zuständigen Abteilung einer Bezirksverwaltungsbehörde an deren Strafabteilung nicht anders zu sehen als eine solche Anfrage des Verkehrsamtes der Bundespolizeidirektion Wien an ein Bezirkspolizeikommissariat - in beiden Fällen handelt es sich um einen bloß innerbehördlichen Vorgang.

Auf dem Boden dieser Rechtslage erweist sich der Standpunkt des Beschwerdeführers als nicht berechtigt. Die belangte Behörde hat die unbestritten gebliebene Tatsache der Anfrage der "Führerscheinabteilung" der Erstbehörde vom 22. Juli 1991 an deren Strafabteilung zu Recht als Einleitung des Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 57 Abs. 3 AVG gewertet. Denn aus ihr ergibt sich eindeutig, daß die Erstbehörde aufgrund der Vorstellung des Beschwerdeführers in die Prüfung der Frage eingetreten ist, ob die der Entziehungsmaßnahme zugrundeliegende Annahme, der Beschwerdeführer habe eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 gesetzt, berechtigt ist. Daß es sich hiebei um eine "innerhalb derselben Behörde nach außen nicht in Erscheinung tretende Anfrage" gehandelt hat, ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung.

Da § 57 Abs. 3 AVG eine Bestätigung des Außerkrafttretens eines Mandatsbescheides nur für den Fall vorsieht, daß das Ermittlungsverfahren nicht binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung eingeleitet wurde, dieser Fall hier aber nicht vorliegt, entspricht die Abweisung des diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers dem Gesetz.

3. Gegen den zurückweisenden Ausspruch des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerde vor, wenngleich die Behörde ein Verfahren formlos aussetzen könne, sei sie doch gehalten, über einen Antrag der Partei "auf bescheidmäßige Ausfertigung der Aussetzungsverfügung" zu entscheiden. Das ergebe sich aus § 73 AVG und sei auch unter dem Gesichtspunkt einer wirksamen rechtlichen Kontrolle geboten.

Der Beschwerdeführer vertritt mit Recht die Auffassung, die Behörde sei verpflichtet, über einen solchen Antrag der Partei bescheidförmig zu entscheiden. Denn dazu ist sie aufgrund ihrer Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 1 AVG gehalten. Dieser Verpflichtung ist aber im vorliegenden Fall durch die bescheidmäßige Zurückweisung dieses Antrages des Beschwerdeführers ohnedies entsprochen worden.

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen von der Annahme aus, daß das bei der Erstbehörde anhängige Entziehungsverfahren tatsächlich ausgesetzt worden sei. Dies ist jedoch nicht der Fall, da mangels eines die Aussetzung anordnenden (mündlichen oder schriftlichen) Bescheides dieses Verfahren in Wirklichkeit gar nie im Rechtssinn ausgesetzt worden ist. Es verblieb bei der im Aktenvermerk vom 5. August 1991 festgehaltenen, dem Beschwerdeführer mit dem Schreiben der Erstbehörde vom 7. August 1991 formlos bekanntgegebenen Absicht, mit der Weiterführung des Entziehungsverfahrens bis zur Beendigung des Strafverfahrens zuzuwarten. Ein förmlicher Aussetzungsbescheid, auf den der gegenständliche Antrag der Sache nach abzielte und der allein eine Aussetzung des Entziehungsverfahrens bewirkt hätte, wurde nicht erlassen. Die Zurückweisung dieses Antrages entspricht dem Gesetz, weil § 38 AVG der Partei keinen Anspruch auf Aussetzung des Verfahrens einräumt (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. März 1964, Slg. 6260/A, und vom 19. Februar 1986, Zl. 84/11/0020; siehe dazu sinngemäß auch die in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis Zl. 89/11/0069 erwähnte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Aussetzung eines Entziehungsverfahrens keines förmlichen Aussetzungsbescheides bedarf, um schuldhafte Säumigkeit im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG zu vermeiden).

Der Einwand, es hätte deshalb einer bescheidförmigen Aussetzung des Entziehungsverfahrens bedurft, weil nur so eine Kontrolle des Vorliegens der Voraussetzungen für die "Aussetzung" gewährleistet sei, ist nicht berechtigt. Denn mangels rechtswirksamer Aussetzung des Verfahrens wäre die Oberbehörde im Falle eines Devolutionsantrages des Beschwerdeführers gezwungen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Aussetzung vorgelegen sind und die Erstbehörde ein Verschulden an der behaupteten Säumigkeit trifft (vgl. auch dazu das soeben erwähnte, einen insoweit gleichgelagerten Fall betreffende Erkenntnis Zl. 89/11/0069). Im vorliegenden Fall erübrigt sich allerdings eine Prüfung dieser Fragen, da mit dem angefochtenen Bescheid nicht über einen Devolutionsantrag des Beschwerdeführers abgesprochen wurde.

Mangels eines Rechtsanspruches auf Aussetzung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer durch die Zurückweisung seines auf bescheidförmige Aussetzung gerichteten Antrages in seinen Rechten nicht verletzt.

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Bescheidcharakter BescheidbegriffAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideVerschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992110006.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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