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L92703 Jugendwohlfahrt Kinderheim Niederösterreich;Norm
AußStrG §183;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. Juli 1991, Zl. VII/1-F-31.401/15-91, betreffend Kostenersatz für Maßnahmen der Jugendwohlfahrtspflege, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. Juli 1991 wurde der Beschwerdeführer - nachdem ein vorangehender Bescheid der belangten Behörde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Mai 1990, Zl. 90/11/0048, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden war - gemäß § 9 des Niederösterreichischen Jugendwohlfahrtsgesetzes 1978 (NÖ JWG 1978), LGBl. 9270-1, verpflichtet, für die Unterbringung seines (Adoptiv-)Sohnes M im Schülerheim Schloß Judenau in der Zeit vom 19. Jänner 1989 bis 30. September 1989 einen Kostenersatz von monatlich S 2.000,-- zu leisten, wobei der anteilige Kostenersatz für Jänner 1989 S 870,-- betrage und sämtliche für diesen Zeitraum bereits geleisteten Zahlungen entsprechend berücksichtigt würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung (sowohl im Spruch als auch in der Begründung) die Bestimmungen des § 9 NÖ JWG 1978 zugrundegelegt, nach dessen Absatz 1 dann, wenn der Minderjährige, dem Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege zugute kommen, zur Tragung der Kosten dieser Maßnahmen nicht in der Lage ist, die zu seinem Unterhalt gesetzlich verpflichteten Angehörigen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht die Kosten zu tragen haben, und nach dessen Absatz 2 über die Tragung der Kosten im Verwaltungswege zu entscheiden ist. Im Hinblick darauf, daß vor Erlassung des angefochtenen Bescheides, nämlich am 1. März 1991, das Niederösterreichische Jugendwohlfahrtsgesetz 1991
(NÖ JWG 1991), LGBl. 9270-0, in Kraft getreten ist, stellt sich die Frage, ob nicht bereits die neue Rechtslage zu beachten gewesen wäre.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden, wobei allerdings eine andere Betrachtungsweise dann geboten ist, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist", oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war, wobei es in diesem Fall nur dann, wenn die Auslegung der Verwaltungsvorschriften ergibt, daß eine vor der Erlassung des Berufungsbescheides bestandene Rechtslage von Bedeutung ist, nicht auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides ankommt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Beschwerdefall an, so heißt es zwar - in Entsprechung des § 43 Abs. 1 erster Satz des am 1. Juli 1989 in Kraft getretenen Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 161, wonach die Ausführungsgesetze der Länder die Anwendung des neuen Rechtes auf die im Zeitpunkt seines Wirksamwerdens anhängigen Verfahren und Maßnahmen vorzusehen haben - in der Übergangsbestimmung des § 60 Abs. 1 NÖ JWG 1991, daß "anhängige Verfahren und Maßnahmen nach diesem Gesetz durchzuführen sind". Im Vordergrund steht aber die Beurteilung der Frage, ob über die Tragung derartiger Kosten weiterhin (wie früher nach § 9 Abs. 2 NÖ JWG 1978) im Verwaltungswege zu entscheiden ist, worüber sich im NÖ JWG 1991 keine Regelung findet. Es kommt vielmehr § 40 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 zum Tragen, wonach, soweit eine Vereinbarung über das Tragen und den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung (§ 33) nicht zustande kommt, darüber, unabhängig vom Alter des Kindes, auf Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers das Pflegschafts(Vormundschafts)gericht im Verfahren Außerstreitsachen entscheidet und hiebei der § 183 AußStrG sinngemäß anzuwenden ist. Das bedeutet, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mangels einer entsprechenden Übergangsbestimmung auf Grund der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage keinen Kostenersatz hätte auferlegen dürfen, sondern in Stattgebung der Berufung des Beschwerdeführers den erstinstanzlichen Bescheid vom 5. April 1989 ersatzlos hätte beheben müssen.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die vorgelegte Vollmacht (mit den darauf entfallenden Stempelgebühren) bereits im Verfahren zur Zl. 90/11/0048 Verwendung gefunden hat.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991110147.X00Im RIS seit
11.07.2001