TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/13 90/06/0108

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Veröffentlicht am 13.02.1992
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde

1) des P und 2) der A in N, sowie 3) der L in T, alle vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 21. Juni 1990, Zl. A 17 K 5.620/1990-4, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsänderung (mitbeteiligte Partei: S-Gesellschaft m.b.H. in Graz),

Spruch

1) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde der Drittbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

2) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben anteilig der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich des Grundstückes Nr. 562/17 inneliegend in EZ 1841, KG X, liegt ebenso wie für die anschließenden Grundstücke eine Widmungsbewilligung des Magistrates Graz (Baurechtsamt) - wohl namens des Stadtsenates - vom 1. Februar 1960 vor, wonach eine Parzellierung zur Errichtung einer Siedlung von 51 Wohnhäusern und 18 Garagen gemäß den eingereichten Plänen bewilligt wurde. Diese Pläne wiesen die Lage und die im wesentlichen gleiche Größe der beabsichtigten Gebäude aus. Nach dem Ergebnis der Verhandlung sollten 22 zweigeschoßige und 29 eingeschoßige Einfamilienhäuser errichtet werden.

Mit der am 8. November 1989 beim Magistrat Graz eingelangten Eingabe beantragte die mitbeteiligte Partei mit Zustimmung der Grundeigentümer der genannten Liegenschaft eine Änderung der Widmungsbewilligung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Kraftfahrzeugabstellplätzen. In dem dazu erstatteten Gutachten des Stadtplanungsamtes wurde u. a. darauf hingewiesen, daß der Widmungsgrund an zwei Privatwegen (B-Straße, S-Gasse), die künftig in das öffentliche Gut aufgenommen werden sollten, liege und insofern gut erschlossen sei. Die erstgenannte Straße erhalte eine Breite von 14,5 m, die zweite eine Breite von 8 m. Im Stadtentwicklungskonzept 1990 sei Wohngebiet mittlerer Dichte (maximale Bebauungsdichte 0,6 bis 0,8), im Flächenwidmungsplan 1982 "reines Wohngebiet" mit einem Bebauungsdichtewert von 0,1 bis 0,6 vorgesehen. Als Gebietscharakter sei ein Einfamilienhaus-Siedlungsgebiet vorwiegend mit zweigeschoßigen Wohnhäusern (vorwiegend auch mit ausgebauten Dachgeschoßen) gegeben. Im konkreten Fall handle es sich um eine unbebaute Eckparzelle am Rande dieses Gebietes. Der Widmungsgrund habe ein Ausmaß von 951 m2, wozu noch ein zwischen Grundstücksgrenze und Straßenfluchtlinie gelegener Grünstreifen mit einer Breite von 3,5 m komme, um dessen Einbeziehung in die Widmungsfläche anzusuchen sei.

Das Planungsamt schlug in der Folge eine Bebauungsdichte von mindestens 0,3, höchstens 0,6 der Nettobauplatzfläche (entsprechend Bebauungsdichteverordnung vom 7. Juli 1987), einen Bebauungsgrad von mindestens 0,15, höchstens 0,3 der Nettobauplatzfläche, eine Gebäudehöhe für Wohngebäude von mindestens 3 m, höchstens 7 m (Höhenlage der angrenzenden Verkehrsfläche) sowie offene Bebauungsweise vor. Die nicht bebauten Flächen, die nicht als Verkehrsfläche oder Kinderspielplatz verwendet würden, seien als Grünflächen auszugestalten.

In der über das Widmungsänderungsansuchen durchgeführten mündlichen Verhandlung ersuchten Erst- und Zweitbeschwerdeführer lediglich um Aufrechterhaltung der Widmungsbewilligung vom 1. Februar 1960 mit den gleichen Auflagen, ohne dies weiter zu begründen.

Mit dem namens des Stadtsenates erlassenen Bescheid vom 11. April 1990 wurde die Widmungsänderung entsprechend dem Antrag der mitbeteiligten Partei und dem Gutachten des Stadtplanungsamtes erteilt; das Vorbringen der Beschwerdeführer wurde als unzulässig zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge. Sie verwies darauf, daß im § 61 Abs. 2 der Stmk. Bauordnung alle Vorschriften erschöpfend aufgezählt würden, aus denen Nachbarrechte erwüchsen. Nur diesen Bestimmungen komme der Charakter subjektiv-öffentlicher Rechte zu, deren Verletzung der Nachbar geltend machen könne, unter der Voraussetzung, daß er sie im Sinn des § 42 AVG rechtzeitig eingewendet habe.

Rechtskräftige Widmungen könnten ganz oder teilweise abgeändert werden, da die Widmungsbewilligung kein unveränderbarer Verwaltungsakt sei. In dieser komme nämlich nicht zum Ausdruck, daß eine Widmung nur in der bewilligten Form, sondern daß sie jedenfalls in dieser zulässig sei, ohne daß eine Entscheidung über andere Arten der Widmung vorweggenommen werde. Aus der Rechtskraft eines Widmungsbescheides könnten subjektiv-öffentliche Nachbarrechte nur dann entstehen, wenn im Streit zwischen Nachbarn ein in Rechtskraft erwachsener Bescheid ergangen sei, in dem die Rechtslage verbindlich gestaltet worden sei, was hier keinesfalls zutreffe. Die Einwendung des Nachbarn, daß ein Bebauungsdichtewert von 0,6 eine Entwertung seines Grundstückes mit sich bringe, da mit erhöhtem Lärm, vermehrten Autoabgasen und größeren Luftverunreinigungen zu rechnen sein werde, sei eine privatrechtliche Einwendung und müsse auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden. Die Stmk. Bauordnung 1968 kenne kein subjektiv-öffentliches Recht zur Erhaltung der Sonnenlage des Hauses und das Gartens eines Nachbarn.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

I) ZUR BESCHWERDE DER DRITTBESCHWERDEFÜHRERIN:

Parteien im Verwaltungsverfahren und zuletzt auch im angefochtenen Bescheid waren - neben einem anderen Nachbarn - lediglich der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin. Daß die Drittbeschwerdeführerin nach dem Vorbringen der Beschwerde zusammen mit dem Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin Miteigentümerin des Nachbargrundstückes S-Gasse 26 sei, ändert nichts daran, daß der angefochtene Bescheid nur über die Berufung des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin, nicht aber über eine - offensichtlich gar nicht erhobene - Berufung der Drittbeschwerdeführerin abspricht. Damit fehlte ihr jedoch wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges die Beschwerdeberechtigung, sodaß ihre Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen war.

II) ZUR BESCHWERDE DES ERST- UND DER

ZWEITBESCHWERDEFÜHRERIN:

Gemäß § 3 der Stmk. Bauordnung in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 14/1989 (BO) sind auf das Verfahren zur Erlangung einer Widmungsbewilligung (Widmungsänderung) die Bestimmungen über die Bauverhandlung nach § 61 sinngemäß anzuwenden. Nach § 61 Abs. 2 kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung (damit auch der Widmungsbewilligung) nur aus den in der Folge taxativ aufgezählten Bestimmungen Einwendungen erheben, soweit sie auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Da ein Widerspruch mit dem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und Bebauungsrichtlinien weder behauptet wurde noch ersichtlich ist (§ 61 Abs. 2 lit. b BO) und die Abstände nach dem Gesetz festgelegt wurden (lit. d), kommt im Widmungsbewilligungsverfahren lediglich die Verletzung der Bestimmungen über das Planungsermessen bei Festlegung der Bebauungsgrundlagen (lit. c des § 61 Abs. 2 BO) in Betracht.

Wie schon die belangte Behörde völlig zutreffend ausgeführt hat, ist die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde und damit auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nach ständiger Rechtsprechung seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, im Fall eines Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf die Nachbarn nach § 61 Abs. 2 der Stmk. Bauordnung zutrifft, auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich deren dieses Mitspracherecht als ein subjektiv-öffentliches Recht besteht. Diese Entscheidungsbefugnis wird weiters aber auch durch eine eingetretene Präklusion im Sinn des § 42 AVG eingeengt, wenn wie hier die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG zur Bauverhandlung geladen wurden und an dieser offensichtlich auch teilgenommen haben. Damit dürfen nur diejenigen Einwendungen berücksichtigt werden, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, Zl. 84/05/0043, BauSlg. Nr. 1021).

Selbst bei großzügigster Auslegung des Begriffes von Einwendungen kann dem "Ersuchen" um Aufrechterhaltung der Widmungsbewilligung vom 1. Februar 1960 mit den gleichen Auflagen nur die Einwendung des Vorliegens einer rechtskräftigen Widmungsbewilligung entnommen werden.

Völlig zutreffend hat aber schon die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß der Nachbar kein Recht auf Aufrechterhaltung einer bestehenden Widmung hat, gleichgültig ob diese auf einer Widmungsbewilligung oder auf generellen Normen, wie einem Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan beruht. Der besondere Ausnahmefall des hg. Erkenntnisses vom 3. November 1983, Zl. 83/06/0175, ZfVB 1984 Nr. 1440, daß in der rechtskräftigen Widmungsbewilligung über widerstreitende Ansprüche von Nachbarn entschieden worden ist, liegt hier nicht vor.

Daran kann weder etwas ändern, daß es sich hier um eine "geschlossene Siedlung" handelt, noch daß die Gefahr besteht, daß bei Ausnützung der Widmung dem Haus und Garten der Beschwerdeführer die Sonnenlage genommen werde. Wie schon die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, kennt die Stmk. Bauordnung 1968 kein derartiges subjektiv öffentliches Recht; vielmehr gilt der allgemeine Grundsatz, daß der Eigentümer eines Grundstückes durch Schaffung entsprechender Freiräume auf den eigenen Grundflächen für ausreichende Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse zu sorgen hat.

Da die belangte Behörde daher zu Recht die Berufung des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin abgewiesen hat, war auch deren Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Nur der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß selbst dann, wenn die Beschwerdeführer eine mangelhafte Wahrnehmung des Planungsermessens bei der Änderung der Widmung eingewendet hätten, keine Bedenken gegen das vorliegende Gutachten des Stadtplanungsamtes bestünden, zumal es sich nicht um ein inmitten der Siedlung gelegenes Grundstück, sondern um ein Eckgrundstück handelt, dessen Bebauung sich in die allgemeine Stadtplanung einfügt; die vorgesehenen Bebauungsdichtewerte wurden keineswegs überschritten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990060108.X00

Im RIS seit

13.02.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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