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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1968 §5 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 91/19/0304Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. des M K (geboren am 1. Jänner 1947) und 2. des M K jun. (geboren am 7. Mai 1973), beide in P, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. September 1991, Zl. St-128/2/91 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und Zl. St-127/2/91 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen von insgesamt S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I
1. Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vom 5. September 1991 wurden die Beschwerdeführer - es handelt sich um türkische Staatsangehörige - gemäß § 10a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz aus Österreich ausgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführer seien am 17. Mai 1991 von Jugoslawien kommend, versteckt in einem Lkw, nach Österreich gelangt und hätten in der Folge Anträge auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft eingebracht. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer komme einem Asylwerber, der ausgewiesen werde, nicht die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 5 Abs. 1 Asylgesetz zu. Nach § 5 Abs. 2 Asylgesetz stehe ein Aufenthaltsverbot der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nicht entgegen. Aus der Tatsache, daß die Ausweisung in dieser Gesetzesstelle nicht genannt sei, müsse der Umkehrschluß gezogen werden, daß die Verfügung der Ausweisung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung entgegenstehe. Auch eine teleologische Interpretation führe zu diesem Ergebnis, weil die Ausweisung keine Folgewirkungen habe. Der Fremde könne, wenn er die Bedingungen für die Einreise erfülle, allenfalls sofort nach der Ausreise wieder in das Bundesgebiet einreisen.
Bei der Übung des in § 10a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz eingeräumten Ermessens seien jene Gesichtspunkte im Vordergrund gestanden, die zur Wiedereinführung der Sichtvermerkspflicht für türkische Staatsangehörige geführt hätten.
2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
II
1.1. Gemäß § 10a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz können Fremde, die unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und nicht zurückgeschoben werden dürfen, innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten nach der Einreise mit Bescheid ausgewiesen werden.
1.2. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, daß in ihren Fällen die Tatbestandsmerkmale nach dieser Gesetzesstelle erfüllt sind, sie vertreten jedoch auch im Beschwerdeverfahren die Auffassung, daß ihnen die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz zukomme und diese der Erlassung eines Ausweisungsbescheides entgegenstehe.
2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Asylgesetzes, BGBl. Nr. 55/1955, ist der Asylwerber bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens (§ 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn er den Antrag auf Asylgewährung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt stellt, in dem er in das Bundesgebiet eingereist ist oder in dem er von der Gefahr einer Verfolgung aus einem der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention (im Sinne des § 1 Asylgesetz) angeführten Gründe Kenntnis erlangt hat.
Gemäß § 5 Abs. 2 Asylgesetz steht der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung ein nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes erlassenes Aufenthaltsverbot nicht entgegen; in diesem Fall ersetzt die vorläufige Aufenthaltsberechtigung eine Bewilligung gemäß § 6 des Fremdenpolizeigesetzes.
Gemäß § 5 Abs. 3 Asylgesetz kommt die vorläufige Aufenthaltsberechtigung einem Asylwerber nicht zu, der auf Grund einer bereits getroffenen rechtskräftigen Feststellung nach § 1 oder § 3 nicht Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, oder der bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Konvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat; seine Aufenthaltsberechtigung richtet sich in diesen Fällen ausschließlich nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes.
2.2. Die belangte Behörde ist im Gegensatz zur erstinstanzlichen Behörde, die das Fehlen der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 3 Asylgesetz angenommen hat, nicht davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführer in einem anderen Staat anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden haben (vgl. zu diesem Begriff das hg. Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0231, mit weiteren Judikaturhinweisen), sondern hat - wie bereits erwähnt - die Auffassung vertreten, die Ausweisung sei trotz der im Sinne des § 5 Abs. 1 Asylgesetz rechtzeitigen Stellung eines Antrages auf Asylgewährung rechtens. Dieser Auffassung kann aus folgenden Erwägungen nicht beigetreten werden:
2.3. Wenn jemand zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, kann er - mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung - nicht ausgewiesen werden. Die Ausweisung hätte gemäß § 10a Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz zur Folge, daß er das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen hätte. Da keine gesetzliche Regelung vorhanden ist, welche die Erlassung eines Ausweisungsbescheides auch im Falle der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung zuließe, muß davon ausgegangen werden, daß ein trotz der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung erlassener Ausweisungsbescheid rechtswidrig ist. Für dieses Verständnis betreffend das Verhältnis des § 10a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz zu § 5 Abs. 1 Asylgesetz spricht auch der Zweck der zuletzt genannten Bestimmung, die darauf abzielt, dem Asylwerber für die Dauer des Feststellungsverfahrens, solange also noch nicht feststeht, ob er Flüchtling ist oder nicht, den Aufenthalt im Bundesgebiet unabhängig von den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes jedenfalls zu gestatten. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang im § 5 Abs. 2 Asylgesetz bestimmt, daß nicht einmal ein Aufenthaltsverbot - für dessen Erlassung weit schwerwiegendere Gründe vorliegen müssen (vgl. § 3 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz) als für die Ausweisung gemäß § 10a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz - der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung entgegensteht. Der Größenschluß spricht daher ebenso wie die Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung nicht für, sondern gegen die Auffassung der belangten Behörde.
2.4. Für den Standpunkt der belangten Behörde ist auch aus ihrem Argument nichts zu gewinnen, daß mit der Erlassung eines Ausweisungsbescheides nicht wie im Falle eines Aufenthaltsverbotes das Verbot des Aufenthaltes im Bundesgebiet für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit verbunden ist. Es ist nämlich nicht zu erkennen, welchem Zweck der von der belangten Behörde als rechtmäßig angesehene Vorgang dienen soll, den Asylwerber zunächst trotz vorläufiger Aufenthaltsberechtigung auf Grund eines Ausweisungsbescheides außer Landes zu schaffen und ihm unmittelbar daran anschließend gemäß § 2a Asylgesetz die Stellung eines Asylantrages bei der Grenzkontrollstelle und die formlose Einreise zu gestatten.
3. Aus den dargelegten Gründen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991190303.X00Im RIS seit
11.07.2001