Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
LMG 1975 §9 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. November 1990, Zl. MA 63-E 10/90/Str., betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. November 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der E-GmbH. nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/1983 zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 3. April 1989 in W, X-Gasse, ein falsch bezeichnetes Lebensmittel in Verkehr gebracht habe, indem sie an die H-GmbH. in W, Y-Gasse, eine Packung "Olivenöl von Kilis" zu 948 g mit der verbotenen gesundheitsbezogenen Angabe "Das Olivenöl von Kilis - Freund ihrer Gesundheit" geliefert habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 lit. c und § 9 Abs. 1 lit. a des Lebensmittelgesetzes 1975 - LMG 1975, BGBl. Nr. 86, verletzt. Es wurde eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er wolle "die Feststellung der belangten Behörde übernehmen", daß auf einer Packung "Olivenöl von Kilis" ein Aufdruck des Wortlautes "Das Olivenöl von Kilis - Freund ihrer Gesundheit" gewesen sei. Seiner Ansicht nach sei jedoch der inkriminierte Bestandteil "... Freund ihrer Gesundheit" keine den Bestimmungen des § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 entgegenstehende Angabe. Aus diesen Worten gehe keine Verbindung zu einem bestimmten Bestandteil des Begriffes "Gesundheit" hervor. Es werde nicht Bezug genommen auf die Physis und die Psyche des Menschen, es werde nicht Bezug genommen auf bestimmte Krankheiten, auch nicht auf bestimmte medizinische oder homöopathische Heilverfahren; weiters fehle jeder Hinweis auf allfällige Besserungs- oder Heilungserfolge bei der Verwendung von "Olivenöl von Kilis". Der inkriminierte Wortlaut sei ein solcher, welcher bei einem vernunftbegabten Lebewesen nur ein Lächeln nach sich ziehe, da der Leser keine bestimmte Verbindung zum Begriff "Gesundheit" ersehen oder herstellen könne. Die gebrauchten Worte seien vollkommen wertneutral, seien weder negativ noch positiv auszulegen oder zu verstehen, es lasse sich sogar behaupten, daß diese Worte einen scherzhaften Inhalt hätten. Weder ein Wahrheits- noch ein Unwahrheitsgehalt sei in ihnen enthalten. Komme diesen Worten aber keine Ernsthaftigkeit zu, handle es sich sohin im allgemeinen Sprachgebrauch um eine unmißverständliche Scherzerklärung, welche weder zum Kauf noch zum Nichtkauf auffordere oder einlade, dann komme den Worten "... Freund ihrer Gesundheit" keine rechtlich relevante Bedeutung zu.
Dem Beschwerdeführer werde im angefochtenen Bescheid zur Last gelegt, am 3. April 1989 eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben. Im Spruch des Straferkenntnisses vom 3. November 1989 werde jedoch nicht angegeben, wann die Verwaltungsübertretung begangen worden sei. Der Spruch dieses Straferkenntnisses habe sohin das Tatbild der Verwaltungsübertretung nicht in eindeutig unterscheidbarer Weise bezeichnet; erstmals im Berufungsbescheid vom 30. November 1990 werde als Tatzeit der 3. April 1989 angegeben. Es sei daher Verfolgungsverjährung eingetreten.
Die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weil der Anzeiger/Meldungsleger nicht als Zeuge vernommen worden sei, obwohl der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung bestritten habe. Jedenfalls seien die bisher vorliegenden Ermittlungsergebnisse derart mangelhaft und unzureichend, daß eine Sachentscheidung noch nicht gefällt werden könne.
Als Verletzung von Verfahrensvorschriften werde auch gerügt, daß dem Beschwerdeführer nach Überreichung der Berufungsschrift der bisherige Akteninhalt vor Erlassung des Berufungsbescheides nicht vollinhaltlich nachweislich zur Kenntnis gebracht worden sei, damit er dazu Stellung nehmen könne. Bezüglich der Strafbemessung ist der Beschwerdeführer der Meinung, die belangte Behörde hätte von der Möglichkeit des Absehens von der Strafe nach § 21 VStG Gebrauch machen müssen, denn selbst wenn der inkriminierte Wortlaut des Aufdruckes gegen eine gesetzliche Bestimmung verstoßen sollte, sei doch für den Beschwerdeführer als Staatsbürger der Türkei, auch wenn er in Wien ein Großhandelsunternehmen führe, die Art und Weise der Auslegung dieses Aufdruckes nicht so geläufig wie einer Person, welche Deutsch als Muttersprache habe. Daß die Folgen der Übertretung unbedeutend seien, sei evident.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.
Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß der belangten Behörde ein Rechtsirrtum unterlaufen ist, wenn sie die auf der Etikette enthaltene Aufschrift "Das Olivenöl von Kilis - Freund ihrer Gesundheit" als (verbotene) gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 eingestuft hat. Entscheidend dafür ist - wenngleich § 9 Abs. 1 LMG 1975 diesen Ausdruck nicht verwendet - die Verkehrsauffassung, also der Eindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten ergibt, wobei auch auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen ist. Aus § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 (im Zusammenhalt mit § 9 Abs. 3 leg. cit.) ergibt sich, daß zum Schutz der Konsumenten vor Täuschung jegliche, wenn auch an sich wahrheitsgemäße, Angaben verboten sind, die irgendwie den Eindruck physiologischer Einwirkungen erwecken. Darunter fallen auch Generalisierungen, die zwar von kritischen Menschen nicht ernst genommen werden mögen, von denen aber nicht auszuschließen ist, daß sie bei der Masse der Konsumenten den beabsichtigten Eindruck erzielen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1986, Zl. 85/10/0190, und die dort angeführte Vorjudikatur). Wenn daher die belangte Behörde die Angabe "Das Olivenöl von Kilis - Freund ihrer Gesundheit" als eine solche qualifizierte, die unter § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 fällt, so kann dies nach Auffassung des Gerichtshofes nicht als rechtswidrig angesehen werden, weil eine derartige Einstufung dieser Angabe in dem hier maßgebenden Zusammenhang für jedermann einsichtig ist.
Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Tatzeit sei ihm erstmals im angefochtenen Bescheid angelastet worden, ist aktenwidrig. Sie findet sich sowohl im Beschuldigtenladungsbescheid vom 7. September 1989 als auch im erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 3. November 1989.
Der Beschwerdeführer hat im erstinstanzlichen Verfahren eine Stellungnahme abgegeben, die von der Strafbehörde erster Instanz als Rechtfertigung in der Richtung gedeutet wurde, daß die E-GmbH., bevor sie ihre Ware verkaufe, deutschsprachige Etiketten aufklebe, welche den gesetzlichen Bestimmungen entsprächen. Selbst wenn man die Stellungnahme des Beschwerdeführers in diese Richtung deutet, ist daraus für ihn nichts zu gewinnen. Er hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren nähere Ausführungen, insbesondere ob sich dies auch auf die beanstandete Ware beziehe, gemacht, noch Beweise für seine Behauptung angeboten. Demgegenüber konnte sich die belangte Behörde auf die durch ein amtliches Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung und eine Fotokopie der inkriminierten Etikette untermauerte Anzeige stützen. Angesichts dieser Beweislage bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung zur Vernehmung des Anzeigers als Zeugen. Der Beschwerdeführer hat in seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde auch nicht angegeben, welche Sachverhaltselemente durch eine Vernehmung des Anzeigers als Zeugen geklärt werden sollten bzw. zu welchem Beweisthema dieser hätte vernommen werden sollen. Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde vielmehr angeführt, er wolle "die Feststellung der belangten Behörde übernehmen", daß auf einer Packung "Olivenöl von Kilis" ein Aufdruck des Wortlautes "Das Olivenöl von Kilis - Freund ihrer Gesundheit" gewesen sei. Im vorliegenden Fall liegen daher die vom Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. NF Nr. 9602/A, genannten Voraussetzungen, unter denen die Behörde verpflichtet ist, einen Anzeiger/Meldungsleger als Zeugen zu vernehmen, nicht vor.
Dem Beschwerdeführer wurde anläßlich seiner Einvernahme bei der Strafbehörde erster Instanz der (aus der Anzeige bestehende) Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit gegeben, sich zu rechtfertigen. Weitere, dem Beschwerdeführer nicht bekanntgegebene Beweismittel hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es bestand für sie daher auch keine Verpflichtung, dem Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens den gesamten Akt nochmals vorzuhalten. Dem Beschwerdeführer stand es allerdings frei, Akteneinsicht zu nehmen. Daß ihm diese verweigert worden sei, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen und wird vom Beschwerdeführer selbst auch nicht behauptet.
Nach § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Eine Person, die in Österreich ein Großhandelsunternehmen führt, ist verpflichtet, sich über die auf dem Gebiet ihrer Tätigkeit erlassenen Vorschriften zu informieren. Unkenntnis dieser Vorschriften vermag vor einer Bestrafung daher nicht zu schützen. Sie führt auch nicht dazu, daß das Verschulden des Täters geringfügig ist und daher § 21 Abs. 1 VStG anzuwenden wäre.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991100012.X00Im RIS seit
17.02.1992