TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/17 91/15/0101

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Veröffentlicht am 17.02.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/04 Steuern vom Umsatz;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
UStG 1972 §3 Abs11;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 91/15/0102

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Sentspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner, und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N-Vereins in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 25. April 1991, Zlen. 6/2-2721/87-05, 6/2-2012/89-05, betreffend Umsatzsteuer 1981, 1982 und 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist ein Verein, der in den Streitjahren 1981 bis 1983 diverse von ausländischen Auftraggebern eingesandte Teppichmuster auf ihre Beschaffenheit im Inland prüfte, sodaß nach Ansicht des Betriebsprüfers ein positives Tun im Inland und damit eine steuerpflichtige sonstige Leistung gegeben war.

Der Beschwerdeführer vertrat demgegenüber die Auffassung, es handle sich bei den Ergebnissen der von ihm durchgeführten Untersuchungen um die Überlassung von gewerblichen Erfahrungen (know how) und daher um eine Duldung der Auswertung seiner inländischen Tätigkeit durch den Empfänger im Ausland.

Der Beschwerdeführer legte dazu im Verwaltungsverfahren zehn für ausländische Kunden erstellte "Gutachten" vor (vgl. die Beilagen I bis X der Verwaltungsakten), die er als repräsentativ bezeichnete und denen Kostennoten angeschlossen waren.

Der Betriebsprüfer vertrat zu diesen Beilagen die Auffassung, es handle sich bei der vom Beschwerdeführer entfalteten Tätigkeit um die Durchführung von Untersuchungen an textilen Bodenbelägen zur Feststellung von kennzeichnenden Merkmalen, der Bestimmung der Normdicke, des Polgewichtes, des Poleinsatzgewichtes, der Ursachen von Fehlstellungen in der Polschicht, der Prüfung der Kantenfestigkeit, Beurteilung der Teppichreinigung, Prüfung der elektrostatischen Aufladung, der Stuhlrolleneignung und der Bestimmung des Brandverhaltens durch bestimmte standardisierte Versuche sowie um Untersuchungen nach der Ursache von Verfleckung bzw. Verfärbung von textilen Bodenbelägen.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte nach Wiederaufnahme des Verfahrens unter anderem (die übrigen von den Bescheiden umfaßten Abgaben sind nicht streitgegenständlich) für die Streitjahre Umsatzsteuer mit S 498.769,--; S 522.563,-- und S 683.655,-- fest.

Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, seine in Rede stehende Tätigkeit sei eine Begutachtung zugesandter Teppichmuster, die dann dem Auftraggeber schriftlich zugeleitet und von diesem im Rahmen seines ausländischen Betriebes verwertet werde. Die im Inland durchgeführten Prüfungen bildeten nur die Grundlage für die daraus erstellten Gutachten. Der Fall sei dem der Mitteilung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen an ausländische Unternehmer vergleichbar, die maßgebliche Leistung bestehe in der Duldung der Auswertung dieser Ergebnisse.

In einer weiteren Eingabe zwecks Zusammenfassung der Berufungsanträge fügte der Beschwerdeführer noch hinzu, die im Inland vorgenommenen Messungen stellten nur untergeordnete Vorbereitungshandlungen dar. Auf Grund der umfassenden Erfahrungen des Beschwerdeführers in der Textilforschung sei er in der Lage, die zugesandten Muster zu prüfen und auf Grund der Untersuchungsergebnisse eine entsprechende Beratung über technische und wirtschaftliche Verwendbarkeit der untersuchten Materialien durchzuführen. Die Leistungen des Beschwerdeführers seien daher sowohl als Erstellung von Gutachten als auch technische Beratung sowie als Mitteilung eines auf den Einzelfall bezogenen Forschungsergebnisses i.S. des § 3 Abs. 11 UStG zu qualifizieren.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen des Beschwerdeführers ab. Sie stützte sich dabei ausdrücklich auf die Feststellungen der Betriebsprüfung, insbesondere die Auswertung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beilagen I bis X. Die belangte Behörde vertrat auf Grund dieser Unterlagen, wie schon der Betriebsprüfer, die Ansicht, das Schwergewicht der Leistungen des Beschwerdeführers liege in der Feststellung und Übermittlung von ihm erhobener Daten. Insbesondere den den zitierten Beilagen angehörenden Kostennoten sei zu entnehmen, daß in erster Linie die Materialprüfungen honoriert bzw. dafür entsprechende Beträge in Rechnung gestellt worden seien. Es hätte sich aber kein Anhaltspunkt für die Richtigkeit der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptungen gefunden. Der Interpretation der Untersuchungsergebnisse durch den Beschwerdeführer komme in den vorgelegten Fällen nur untergeordnete Bedeutung zu, weshalb die für ausländische Auftraggeber durchgeführten Untersuchungen überwiegend ein positives Tun darstellten, das im Inland erbracht worden sei. Die Umsatzsteuerpflicht sei daher gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem aus § 1 Abs. 1 Z.3 in Verbindung mit § 3 Abs. 11 UStG resultierenden Recht auf Umsatzsteuerfreiheit verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Nach § 3 Abs. 11 leg.cit. wird eine sonstige Leistung im Inland ausgeführt, wenn der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil im Inland tätig wird oder wenn der Unternehmer eine Handlung im Inland oder einen Zustand im Inland duldet oder eine Handlung im Inland unterläßt. Ein Dulden im Inland ist auch bei der technischen und wirtschaftlichen Beratung und Planung für Anlagen einschließlich der Anfertigung von Konstruktions-, Kalkulations- und Betriebsunterlagen und der Überwachung der Ausführung, bei der Überlassung von gewerblichen Verfahren und Erfahrungen, bei der Erstellung von Gutachten und bei der Datenverarbeitung gegeben, wenn die Auswertung dieser sonstigen Leistungen durch den Leistungsempfänger im Inland erfolgt.

Der Beschwerdeführer wendet sich im Kern seiner Argumentation vor allem dagegen, daß die belangte Behörde seine Leistungen nicht als Gutachten qualifiziert hat. Bereits mit diesem Argument ist der Beschwerdeführer im Recht.

Durch das Abgabenänderungsgesetz 1975, BGBl. Nr. 636/1975, wurde angeordnet, daß unter anderem die Erstellung eines Gutachtens ein Dulden im Sinne des Umsatzsteuerrechtes ist, wobei es für die Frage der Umsatzsteuerpflicht darauf ankommt, ob die Auswertung des Gutachtens durch den Besteller (Leistungsempfänger) im Inland oder im Ausland erfolgt.

Ausgehend davon, daß die belangte Behörde die Leistungen des Beschwerdeführers nicht als Gutachten qualifizierte, hat sie sich bisher mit der Frage nicht auseinandergesetzt, ob die Auswertung der Leistungen des Beschwerdeführers durch den Leistungsempfänger im Inland oder im Ausland erfolgt. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat sich daher mit der Prüfung dieser Frage derzeit nicht zu befassen.

Ein Gutachten (im engeren Sinn) besteht darin, daß eine (sachkundige) Person auf Grund ihrer besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse aus von ihr festgestellten (oder sonst bereits vorliegenden) Tatsachen Schlußfolgerungen zieht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0056, sowie Stoll, BAO Handbuch 404; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5 Rz 358; Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts2 Rz 1004; Platzgummer, Grundzüge des österreichischen Strafverfahrensrechts2 85; Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer II Rz 399a erster Satz). Auch die Mitteilung von Erfahrungssätzen durch einen Sachverständigen bzw. die Wiedergabe abstrakter Ergebnisse der Wissenschaft werden als Gutachten verstanden (Fasching aaO; Platzgummer aaO).

Vergleicht man diesen Gutachtensbegriff mit den dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Beilagen I bis X, die von beiden Parteien des Verwaltungsverfahrens als repräsentativ für die Tätigkeit des Beschwerdeführers bezeichnet werden, so ergibt sich daraus, daß der Beschwerdeführer für ausländische Leistungsempfänger Gutachten erstattet hat. So etwa hatte der Beschwerdeführer im ersten Fall der Beilage I für einen ausländischen Leistungsempfänger die Ursache der Verfleckung bzw. Verfärbung eines bestimmten Teppichs für das Bauvorhaben Essen-Steele festzustellen und sich darüber zu äußern, ob es sich hiebei um irreparable Verfleckungen bzw. Verfärbungen handelt. Der Beschwerdeführer erhob - wie aus der Beilage I eindeutig zu ersehen ist - zunächst einen Befund und zog daraus anschließend den fachtechnischen Schluß des Inhaltes, daß die festgestellten Flecken auf die Einwirkung farbstoffzerstörender Substanzen (z.B. aggressiver Haushalts- oder Sanitärreiniger) zurückzuführen und irreparabel seien; daß es sich hingegen dabei nicht um einen Mangel des textilen Bodenbelages handle. Der dieser Beilage angeschlossenen Rechnung sind einzelne der durchgeführten Prüfvorgänge zu entnehmen.

Ähnliches gilt für die übrigen Fälle, die aus den Beilagen I bis X ersichtlich sind, wobei auch der Umstand, daß in einzelnen dieser Fälle die Mitteilung des Beschwerdeführers an seinen ausländischen Auftraggeber nicht ausdrücklich in "Befund" und "Gutachten" gegliedert ist, der Qualifikation als Gutachten nicht entgegensteht, weil jedenfalls auch aus den Beilagen IV (vgl. dort Blatt 1 und Beilage 15); VI (vgl. dort Beilage 2 und 3); VIII (vgl. dort Beilage 2); IX (vgl. dort Beilage 1 bis 3); X (vgl. dort Beilage 2) deutlich wird, daß der Beschwerdeführer in allen diesen Fällen unter anderem z.B. das Vorliegen der Möglichkeit elektrostatischer Aufladungen, das Brennverhalten, die Qualmbildung und die Frage der Tropfenbildung (im Falle der Brennbarkeit) zu beurteilen hatte und daß er dazu nach Durchführung diverser Versuche und Untersuchungen eine Äußerung abgegeben hat, die das Ergebnis fachtechnischer Schlußfolgerungen ist.

Indem die belangte Behörde dies außer Acht ließ und sich ausschließlich auf die bei den genannten Beilagen befindlichen Rechnungen stützte, die für sich zur Frage des Vorliegens eines Gutachtens wenig Aussagewert haben, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muß, ohne daß auf die übrigen Beschwerdeausführungen weiter eingegangen zu werden braucht.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft Gebühren für überflüssigerweise vorgelegte Beilagen.

Schlagworte

Vorliegen eines Gutachtens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991150101.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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