TE Vfgh Beschluss 1989/6/21 G18/89

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Veröffentlicht am 21.06.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Reisegebührenvorschrift 1955 §39 idF ArtVII Z8 BGBl 288/1988
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung des Abs1 erster Satz sowie der Abs2 und 4 des §39 der Reisegebührenvorschrift 1955 idF des ArtVII Z8 des BG BGBl. 288/1988 wegen fehlender Legitimation - Erwirkung eines dienstrechtlichen Feststellungsbescheides möglich und zumutbar

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit der als "Beschwerde" bezeichneten Eingabe stellten die Einschreiter an den Verfassungsgerichtshof unter Berufung auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG die Anträge, den Abs1 erster Satz sowie die Abs2 und 4 des §39 der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. 133 (im folgenden: RGV 1955), idF des ArtVII Z 8 des Bundesgesetzes BGBl. 288/1988 als verfassungswidrig aufzuheben, zu erkennen, daß den Antragstellern die Reisegebühren gemäß den von ihnen erstellten Reiserechnungen auch nach dem 1. Juli 1988 zustehen, und zu erkennen, daß der Bund schuldig ist, den Antragstellern die verzeichneten Prozeßkosten zuzuerkennen.

Zur Begründung dieser Anträge wird im wesentlichen ausgeführt:

Die Antragsteller stünden als Gendarmeriebeamte in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; sie versähen (mit wenigen Ausnahmen) - der Autobahngendarmerie zugeteilt - jeweils bei einer Außenstelle der Verkehrsabteilung eines Landesgendarmeriekommandos Dienst. Bis zum 30. Juni 1988 habe iS des §39 RGV 1955 jeder der Antragsteller monatlich eine Reiserechnung gelegt, auf deren Grundlage die ihm zustehenden Reisegebühren (zwischen S 1.500,-- und S 2.500,-- für jeden Beamten) vom jeweiligen Landesgendarmeriekommando ausbezahlt worden seien. Auf Grund der mit Wirkung vom 1. Juli 1988 geänderten Fassung des §39 RGV 1955 erhielten die Antragsteller anstelle der Tagesgebühren lediglich eine monatliche Pauschalvergütung von S 910,-- und, soweit sie beim Gendarmerie-Verkehrsposten Bregenz Dienst versähen, nur eine solche von S 455,--.

Die Antragsteller erachten sich durch die bekämpften Bestimmungen der RGV 1955 in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums deshalb verletzt, weil durch die bekämpfte Regelung Gendarmeriebeamte, die in besonders hohem Ausmaß eine dienstliche Reisetätigkeit entfalten müssen, in einer sachlich nicht begründbaren Weise schlechter gestellt würden als andere Bundesbeamte. Insbesondere erhielten die Beamten des Gendarmerie-Verkehrspostens Bregenz, die gemeinsam mit Beamten der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos Dienst versähen, für dieselbe Tätigkeit eine nur halb so hohe Pauschalvergütung wie die Beamten der Verkehrsabteilung.

2. Zur Antragslegitimation führen die Antragsteller dem Sinne nach im wesentlichen folgendes aus: Durch die bekämpften Bestimmungen werde tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides, in die Rechtsposition der Antragsteller eingegriffen, da ihnen unmittelbar auf Grund des Gesetzes selbst nur mehr die dort festgesetzte monatliche Pauschalvergütung ausbezahlt werde. Auf die Erwirkung eines (Feststellungs-)Bescheides könnten die Antragsteller schon deshalb nicht verwiesen werden, weil es nach der (geänderten) Gesetzeslage nicht strittig sei, daß ihnen nur mehr die - ihnen auch tatsächlich ausbezahlte - Pauschalvergütung zustehe. Im übrigen sei es angesichts nach dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. 288/1988 ergangener Befehle einzelner Landesgendarmeriekommanden, das Einreichen von Reiserechnungen zu unterlassen, möglich, daß der Versuch zur Erreichung solcher Feststellungsbescheide als Zuwiderhandeln gegen einen Befehl angesehen werde.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Anträge erwogen:

1. Die Eingabe der Einschreiter ist trotz ihrer Bezeichnung als Beschwerde als Individualantrag iS des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG zu werten, zumal sie sich ausdrücklich auf diese Bestimmung beruft und - dem §62 Abs1 VerfGG entsprechend - die Aufhebung genau bezeichneter Normen begehrt (vgl. zB VfSlg. 8292/1978).

2. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG idF BGBl. 302/1975 erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Die Antragslegitimation setzt, wie im Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und in der späteren Judikatur - so zB in den Erkenntnissen VfSlg. 8485/1979, 8700/1979 - bekräftigt wurde, auch voraus, daß für den Rechtsschutz kein anderer zumutbarer Weg als die Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof zur Verfügung steht.

3. Der durch §39 RGV 1955 - sowohl in der Fassung vor als auch nach dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. 288/1988 - gewährte Anspruch ist ein gegen den Bund gerichteter vermögensrechtlicher Anspruch. Dieser gründet sich auf das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund. Da es sich somit um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, also nicht um eine bürgerliche Rechtssache iS des §1 JN handelt, ist eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung hierüber nicht gegeben (vgl. etwa VfSlg. 10266/1984).

4. Ebensowenig besteht eine positive Rechtsnorm, wonach über einen Anspruch der hier in Rede stehenden Art mit Bescheid abzusprechen wäre.

5. Den Antragstellern steht jedoch ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung zur Verfügung:

Die Antragsteller gehören ihrem eigenen Vorbringen zufolge dem in §39 Abs1 RGV 1955 idF des ArtVII Z 8 der Novelle BGBl. 288/1988 umschriebenen Personenkreis an. Behaupten sie nun, daß die ihnen zustehende Gebühr von Verfassungs wegen nach einem anderen als dem gesetzlich vorgesehenen Berechnungsmodus zu ermitteln sei, so hat hierüber die zuständige Behörde - angesichts der dienstrechtlichen Natur des Anspruches die zuständige Dienstbehörde - mit Feststellungsbescheid zu entscheiden, zumal ein rechtliches Interesse der Antragsteller an der Feststellung gegeben ist, in welcher Höhe ihnen die in Rede stehende Gebühr zusteht (vgl. dazu VfSlg. 10.200/1984, 10.293/1984). Die auf Grund derartiger Anträge durchzuführenden Verfahren wären weder aufwendig noch notwendigerweise von langer Dauer, da die Aufnahme von Beweisen im Hinblick auf den von vornherein feststehenden Sachverhalt praktisch nicht in Betracht käme und die materiell-rechtlichen Fragen auf dem Boden einer klaren Gesetzeslage zu beantworten wären. Die - innerhalb der gesetzlichen Frist zu erlassenden - Feststellungsbescheide könnten von den Antragstellern mit Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof und an den Verfassungsgerichtshof bekämpft werden, wobei den Antragstellern die Möglichkeit geboten wäre, sämtliche gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen sprechenden Bedenken darzulegen und die Stellung eines entsprechenden Gesetzesprüfungsantrages durch den Verwaltungsgerichtshof bzw. die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen anzuregen. Es ist den Antragstellern nach der Lage der Fälle durchaus zumutbar, diesen Weg zu beschreiten (siehe dazu VfSlg. 8432/1978, 8433/1978, 8464/1978, 9285/1981, 10.200/1984). Dies zeigt nicht zuletzt der Umstand, daß fünf der Antragsteller entsprechende Feststellungsbescheide erwirkt und dagegen beim Verfassungsgerichtshof zu B506-510/89 protokollierte Beschwerden erhoben haben.

Bei dieser Rechtslage kommt dem Vorbringen der Antragsteller, sie hätten im Fall der Einbringung eines Antrages auf Erlassung eines Feststellungsbescheides Disziplinarmaßnahmen zu gewärtigen, keine Bedeutung zu, weil es schlechterdings denkunmöglich ist, einen von der Rechtsordnung eingeräumten Rechtsweg zulässigerweise zum Anlaß von Disziplinarmaßnahmen zu machen.

Es ergibt sich somit, daß den Antragstellern die Legitimation zur Stellung eines Antrages iS des Art140 Abs1 B-VG mangelt.

6. Der auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützte Antrag auf Aufhebung von näher bezeichneten Bestimmungen des §39 RGV 1955 idF der Novelle BGBl. 288/1988 war daher mangels Legitimation der Antragsteller zurückzuweisen.

7. Der Antrag, zu erkennen, daß den Antragstellern die Reisegebühren gemäß den von ihnen erstellten Reiserechnungen auch für die Zeit nach dem 1. Juli 1988 zustehen, mußte wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückgewiesen werden. Diesen Antrag als Klage iS des Art137 B-VG (§38 VerfGG) zu werten, verbietet sich schon deshalb, weil sich die Eingabe ausdrücklich (nur) auf Art140 B-VG beruft.

8. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z 2 lita und e VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Auslegung eines Antrages, Dienstrecht, Reisegebühren, Feststellungsbescheid, VfGH / Individualantrag, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:G18.1989

Dokumentnummer

JFT_10109379_89G00018_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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