TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/19 92/12/0006

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Veröffentlicht am 19.02.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
64/03 Landeslehrer;

Norm

AVG §56;
AVG §63 Abs1;
LDG 1984 §26;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth und Dr. Knell als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der AB in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Oktober 1991, Zl. VIII/1-L-991, betreffend Todesfallbeitrag und Versorgungsgenuß, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen, das durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegt wird, hat der Landesschulrat für Niederösterreich der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 7. Mai 1991 einen Todesfallbeitrag in der Höhe von S 114.216,-- sowie einen Versorgungsgenuß in der Höhe von S 18.202,-- als Witwenversorgungsgenuß nach dem verstorbenen öffentlich-rechtlich Bediensteten BB zuerkannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe mit der Berufung geltend gemacht, die ihrem Gatten seit 1. März 1991 gebührende Dienstzulage gemäß § 57 Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 sei bei der Berechnung der ihr zustehenden Leistungen nicht berücksichtigt worden. Der Gatte der Beschwerdeführerin sei mit Dekret vom 20. Februar 1991 mit Wirkung vom 1. März 1991 zum Leiter der Hauptschule W ernannt worden. Am 8. April 1991 habe er beabsichtigt, den Dienst wieder anzutreten und habe deshalb den Bezirksschulinspektor aufgesucht, der ihm jedoch nahegelegt habe, den Dienst noch nicht anzutreten. Außerdem habe der später verstorbene Beamte noch an einer kommissionellen Beratung der Stadtgemeinde W über die Aufstockung der Hauptschule teilgenommen.

Dazu führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung aus, das Dekret der Landeslehrerkommission vom 20. Februar 1991 mit dem BB mit Wirkung vom 1. März 1991 zum Leiter der Hauptschule W ernannt worden sei, sei nach herrschender Ansicht als Bescheid zu qualifizieren. Ein Bescheid könne nach den Bestimmungen des AVG im Zusammenhang mit dem Zustellgesetz seine Rechtswirkung erst mit erfolgter Zustellung entfalten. Das Leiterbestellungsdekret habe krankheitshalber zunächst nicht ausgefolgt werden können und sei dem Gatten der Beschwerdeführerin auch später nicht zugestellt worden. Die im Dekret ausgesprochene Rechtswirkung habe daher nicht in Kraft treten können. So sehr die Behörde der Argumentation der Beschwerdeführerin Verständnis entgegenbringe, daß ihr Gatte trotz seiner schweren Krankheit den Wunsch gehabt hätte, den Leiterdienst anzutreten, so sei es der Behörde doch verwehrt, daraus Rechtswirkungen abzuleiten, die von den zwingenden Bestimmungen über die Zustellung und damit das Zustandekommen eines Bescheides abgehen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß die Landeslehrerkommission in ihrer Sitzung vom 20. Februar 1991 die bescheidmäßige Verleihung der Planstelle des Leiters der Hauptschule W an BB beschlossen hat. Das Dekret über die Verleihung der Planstelle wurde dem Beschwerdeführer nicht gesetzmäßig zugestellt.

Die Beschwerdeführerin bringt dazu vor, der Bezirksschulrat St. Pölten-Land sei mit Schreiben der Landeslehrerkommission vom 25. Februar 1991 verständigt worden, das Ernennungsdekret noch vor Wirksamkeit der Verleihung nachweislich auszufolgen. Eine Zustellung an den Beamten sei jedoch weder während seines Spitalsaufenthaltes noch danach an seinem Wohnsitz oder während seines Genesungsurlaubes erfolgt. Aktenkundig sei, daß der inzwischen verstorbene BB am 8. April 1991 beim Bezirksschulrat St. Pölten-Land vorgesprochen habe. Dabei hätte ihm der Ernennungsbescheid ausgefolgt werden können. BB habe in seiner Eigenschaft als Leiter der Hauptschule W schon an einer kommissionellen Beratung bei der Stadtgemeinde W wegen der Aufstockung der Hauptschule teilgenommen.

Die Beschwerdeführerin stellt in der Folge Behauptungen über politische Hintergründe der rechtswidrigen Nichtausfolgung des Ernennungsbescheides auf, die für die rechtliche Beurteilung der Sache ohne Belang sind.

Rechtlich wird in der Beschwerde ausgeführt, es müsse der Behörde konzediert werden, daß zum Zustandekommen eines Bescheides dessen Erlassung erforderlich sei und der Akt der Bescheiderlassung in seiner Zustellung bestehe. Die von der Beschwerdeführerin dennoch behauptete Unklarheit der Rechtslage und Judikatur auf diesem Gebiet stützt sie zu Unrecht auf Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, RZ 432. Wie die genannten Autoren unter RZ 431 unmittelbar vorangehend ausführen, bewirkt erst die Erlassung eines Bescheides den Eintritt der - mit ihm verbundenen - Rechtswirkungen; dies ist auch in subjektiver Hinsicht von Bedeutung, weil die Rechtswirkungen nur für die Personen eintreten, an die der Bescheid erlassen (zugestellt oder verkündet) wurde. Wird ein Bescheid gegenüber einer Person nicht erlassen, so ist er für sie ohne jede Wirkung.

Die von der Beschwerdeführerin zitierte Unklarheit betrifft ausschließlich Rechtslage und Judikatur zu § 26 Abs. 2 VwGG, welche Bestimmung im Beschwerdefall nicht anzuwenden ist.

Dagegen entspricht die dargestellte herrschende Lehre auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Danach ist nämlich ein schriftlicher Bescheid erst mit seiner Zustellung an die Partei erlassen und ab diesem Zeitpunkt rechtswirksam (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens S 402 f Nr. 85 ff).

Es entspricht auch der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, daß die Verleihung einer (schulfesten) Leiterstelle einer Hauptschule im Sinn des § 26 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 durch Bescheid erfolgt. Dem Dekret über die Verleihung der Stelle des Leiters der Hauptschule W kam daher, sofern es erlassen wurde Bescheidcharakter zu (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1974, Slg. N.F. Nr. 8643/A sowie Beschluß vom 12. Dezember 1988, Zl. 88/12/0215 u. a. sowie die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juli 1989, B 1857/88 und vom 1. Oktober 1990, Zl. B 51/90).

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, die sich (in eventu) darauf stützen, es habe sich bei dem Dekret über die Verleihung der Leiterstelle nicht um einen Bescheid gehandelt, sind somit unbegründet.

Ebensowenig vermögen die Ausführungen der Beschwerdeführerin über die Möglichkeit der Erlassung von "fingierten" oder "stillschweigenden" Bescheiden der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Es widerspricht der herrschenden Lehre und Rechtsprechung, daß Bescheide allgemein bereits dadurch existent werden könnten, daß dem Betroffenen der Bescheidinhalt bekannt wird. Dies unabhängig davon, aus welchen Gründen die Behörde die Zustellung eines Bescheides unterlassen hat. Weder das Schreiben des Zentralausschusses der Personalvertretung der Landeslehrer an BB vom 28. Februar 1991, in der er von der Entscheidung der Landeslehrerkommission verständigt wurde, noch seine spätere Teilnahme an einer Besprechung können die Rechtswirkung der Zustellung des Bescheides ersetzen.

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde als unbegründet gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Hochschulen Unterricht Kultuswesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992120006.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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