TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/19 90/12/0156

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Veröffentlicht am 19.02.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
64/05 Sonstiges besonderes Dienstrecht und Besoldungsrecht;

Norm

AVG §56;
BDG 1979 §14 Abs1 Z1;
BDG 1979 §14 Abs1 Z2;
BDG 1979 §75 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
RDG §75 Abs1 impl;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34;
VwGG §42 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der NN in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 16. Februar 1990, Zl. 221.212/28-2.8/89, betreffend Karenzurlaub gemäß § 75 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Kontrollor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Militärkommando X, Ergänzungsabteilung-Stellungskommission.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 4. Dezember 1989 um Gewährung eines Urlaubes unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) für die Zeit vom 1. März 1990 bis 28. Februar 1991 gemäß § 75 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979, BGBl. Nr. 333, keine Folge. Begründend wurde nach Zitierung des § 75 Abs. 1 BDG 1979 ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei in der Ergänzungsabteilung des Militärkommandos X auf den Arbeitsplatz "gemäß OPN FO 1, PosNr. 292 Chefoperator/ortsfeste Stellungskommission eingeteilt". Da für sie während ihrer (beabsichtigten) längerfristigen Abwesenheit kein geeigneter Ersatz namhaft gemacht werden könne, stünden der Gewährung des erbetenen Karenzurlaubes zwingende dienstliche Gründe entgegen. Die belangte Behörde sehe sich daher außer Stande, von dem ihr eingeräumten freien Ermessen Gebrauch zu machen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf gesetzmäßige Entscheidung über ihr Ansuchen auf Karenzurlaub nach § 75 Abs. 1 BDG 1979 durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 kann dem Beamten auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Daraus folgt, daß das Gesetz die Gewährung eines Karenzurlaubes für den Fall ausdrücklich untersagt, daß ihr zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, sie in allen anderen Fällen jedoch dem freien Ermessen der für die Entscheidung zuständigen Dienstbehörde anheimstellt (vgl. zur verwandten Bestimmung des § 75 Abs. 1 RDG das Erkenntnis vom 12. Dezember 1988, Zl. 87/12/0077). Ob der Karenzurlaubsgewährung zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, ist von der Behörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen.

Die belangte Behörde begründet ihre Annahme, daß der begehrten Gewährung auf Karenzurlaub für die Dauer eines Jahres zwingende dienstliche Gründe entgegenstünden, ausschließlich damit, daß für die Beschwerdeführerin während ihrer (beabsichtigten) längerfristigen Abwesenheit kein geeigneter Ersatz namhaft gemacht werden könne.

Dagegen wendet die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ein, es sei ihr zu dieser Sachverhaltsannahme kein Parteiengehör gewährt worden. In diesem Fall hätte die Beschwerdeführerin die Unrichtigkeit dieser Annahme nachgewiesen. Es sei nämlich schon gemäß der Vertretungsregelung, der "Dienstanweisung für das Personal der Aufnahme (Kanzleikraft/Aufnahme)" auch für ihre Vertretung während längerer Abwesenheiten gesorgt. Es habe sich auch gezeigt, daß während ihrer Krankenstände, die ein relativ großes Ausmaß erreicht hätten, die Vertretung einwandfrei funktioniert habe. Darüberhinaus wäre auch eine Personalzuteilung möglich gewesen. Auch werde nicht angegeben, was versucht worden sei, um einen "geeigneten Ersatz namhaft" zu machen. Der angefochtene Bescheid sei aber nicht nur mit den genannten relevanten Verfahrensmängeln behaftet, er sei auch inhaltlich rechtswidrig. Wegen zu trockener Luft im EDV-Raum (in dem sie ihren Dienst zu versehen habe) sei ihre Gesundheit empfindlich beeinträchtigt worden und habe sie immer wieder krankheitsbedingt dem Dienst fernbleiben müssen. Deshalb sei schon im Jahre 1988 von ihrem unmittelbaren Dienstvorgesetzten um Überprüfung bzw. Abhilfe ersucht worden. Es habe sich jedoch in dieser Hinsicht nichts Konkretes ergeben. Durch ihre Krankenstände sei objektiviert, daß die Verrichtung ihres Dienstes derartige Auswirkungen auf ihren Gesundheitszustand habe, daß durch die Dauer eben dieser Krankenstände auch Rückwirkungen einträten, die für den Dienstbetrieb unerwünscht sein müßten und unerwünscht seien. Dementsprechend liege es nicht nur in ihrem, sondern auch im Interesse des Dienstgebers, Abhilfe zu schaffen. Von der Karenzurlaubszeit könne erwartet werden, daß sie ihren Gesundheitszustand positiv beeinflusse. Im Hinblick auf inzwischen getroffene Maßnahmen zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit im EDV-Raum bestehe auch die Aussicht, daß eine einmal herbeigeführte Besserung dauerhaft bleibe. So oder so müsse es aber jedenfalls auch im Interesse des Dienstes gelegen sein, eine Klärung herbeizuführen, weil der bisherige Zustand eindeutig unbefriedigend sei. Andererseits sei die vorgesehene Karenzurlaubszeit von einem Jahr nicht von einer solchen "kategorisch größeren Dauer", daß nicht aus der Vertretungsmöglichkeit während ihrer Krankenstände geschlossen werden könne, daß auch diese Abwesenheit dienstlich verkraftbar sein müsse. Es sei daher dienstlich offensichtlich zweckmäßiger, diesbezüglich dienstliche Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen und damit zu einer endgültigen Klärung zu gelangen, als der Beschwerdeführerin den Karenzurlaub zu verwehren.

Die zuletzt genannten Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet, eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen. Wäre nämlich bei Prüfung der Rechtsrüge (voraussetzungsgemäß) die Mängelfreiheit der entscheidungswesentlichen Feststellung der belangten Behörde zu unterstellen und demgemäß davon auszugehen, daß für die Beschwerdeführerin während ihrer längerfristigen Abwesenheit kein geeigneter Ersatz namhaft gemacht werden könne, so läge - zunächst losgelöst von den beiden in diesem Zusammenhang erhobenen Einwänden - in der rechtlichen Bewertung dieser Feststellung dahin, es stünden der Gewährung des begehrten Karenzurlaubes zwingende dienstliche Interessen entgegen, im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 13. Oktober 1986, Zl. 86/12/0193, und vom 12. Dezember 1988, Zl. 87/12/0077) keine Rechtswidrigkeit. Der Beschwerdeeinwand zur angeblichen Verkraftbarkeit der dienstlichen Abwesenheit der Beschwerdeführerin in der Dauer eines Jahres wegen der bisherigen Verkraftung von Vertretungen während ihrer Krankenstände stellt bei Zugrundelegung des vom Wortlaut her gebotenen Verständnisses der entscheidungswesentlichen Feststellung der belangten Behörde (es könne für eine so lange Abwesenheit kein geeigneter Ersatz namhaft gemacht werden) und der Überlegung, daß - abstrakt gesprochen - die Möglicheit einer geeigneten Vertretung für kurzfristige Krankenstände nicht notwendig eine solche für eine längerfristige Abwesenheit nach sich zieht, keine Inhaltsrüge, sondern eine Bekämpfung dieser Feststellung dar; auf sie ist daher bei der Behandlung der Verfahrensrügen einzugehen. Zu den (zwar als Inhaltsrügen zu wertenden) Beschwerdeausführungen zur angeblichen (nach der Aktenlage umstrittenen) gesundheitlichen Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin auf ihrem Arbeitsplatz ist zu bemerken, daß nicht der Karenzurlaub das adäquate Mittel einer Abhilfe gegen solche Beeinträchtigungen und nicht das Verfahren über die Gewährung eines Karenzurlaubes das geeignete Verfahren zur Klärung des Bestehens solcher Beeinträchtigungen darstellt. Daß die Voraussetzungen der Gewährung eines Karenzurlaubes völlig unabhängig davon zu beurteilen sind, erweist vor allem die bei derartigen Beeinträchtigungen letztlich in Betracht kommende Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers, nach § 14 Abs. 1 Z. 1 oder Z. 2 BDG 1979 vorzugehen.

Hingegen kommt den verfahrensrechtlichen Einwänden Berechtigung zu. Denn - in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen - hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin nicht nur gemäß § 45 Abs. 3 AVG vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Möglichkeit einer Stellungnahme zur Frage des geeigneten Ersatzes während der vorgesehenen Dauer des Karenzurlaubes einräumen müssen, sondern in einer die Geltendmachung von Einwänden durch die Beschwerdeführerin und die Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden Weise entsprechend den §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG - unter Bedachtnahme auf die bisherigen häufigen Vertretungen der Beschwerdeführerin während ihrer krankheitsbedingten Abwesenheiten vom Dienst - auch näher darzulegen gehabt, aus welchen konkreten Umständen für sie während der vorgesehenen karenzurlaubsbedingten Abwesenheit vom Dienst kein geeigneter Ersatz namhaft gemacht werden könne. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Gegenschrift kann wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geltenden Neuerungsverbotes nicht Bedacht genommen werden. Die genannten Verfahrensmängel sind auch relevant, weil nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften einerseits zu einer anderen Beruteilung der für die Gewährung eines Karenzurlaubes nötigen Tatbestandsvoraussetzung des Nichtvorliegens zwingender dienstlicher Interessen und andererseits in diesem Fall zu einer positiven Ermessensübung gekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Für das gemäß § 63 Abs. 1 VwGG fortzusetzende Verfahren wird bemerkt, daß im Hinblick auf das Verstreichen des Endzeitpunktes des von der Beschwerdeführerin begehrten Karenzurlaubes nur mehr eine Feststellungsentscheidung in Betracht kommt, sofern noch ein Feststellungsinteresse besteht, das freilich nicht allein wegen des Verstreichens des eben genannten Zeitpunktes verneint werden darf (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 27. September 1990, Zl. 89/12/0225, und vom 18. November 1991, Zl. 90/12/0141).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzerls BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990120156.X00

Im RIS seit

19.02.1992

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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