TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/20 92/18/0035

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Veröffentlicht am 20.02.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z7;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 13. Dezember 1991, Zl. Fr-76.025, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 11. Juli 1991 war gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 und 7 sowie Abs. 3 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, ein mit 11. Juli 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das "Bundesgebiet Österreich" erlassen worden. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

2. Mit Eingabe vom 28. November 1991 an die genannte Behörde stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes unter Hinweis darauf, daß die Gründe für dessen Erlassung weggefallen seien. Zum einen bestritt der Beschwerdeführer, daß er die österreichische Botschaft in Ankara über den Zweck seiner Einreise nach und den Aufenthalt in Österreich in die Irre geführt habe. Zum anderen brachte er vor, daß im Fall der Einreise nach Österreich seine Wohnsitzverhältnisse geordnet seien; auch sein Lebensunterhalt sei für die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich gesichert. Er beantragte die zeugenschaftliche Einvernahme seines Bruders Ibrahim Döner zum Beweis dafür, daß dieser für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers aufkommen werde.

3. Unter dem Datum 13. Dezember 1991 erließ die Bundespolizeidirektion Linz (die belangte Behörde) einen Bescheid, mit dem sie, gestützt auf § 8 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, (FrPolG) aussprach, daß das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot nicht behoben werde.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde u.a. folgendes aus: Der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 10. Juli 1991 angegeben, daß er auf Einladung seines Bruders nach Österreich gekommen sei (ihm sei dementsprechend von der österreichischen Botschaft in Ankara ein Sichtvermerk ausschließlich für Besuchszwecke mit Gültigkeitsdauer bis 31. März 1991 erteilt worden). Der Beschwerdeführer habe weiters angegeben, daß er bereits in der Türkei den Entschluß gefaßt habe, in Österreich zu bleiben, um hier als Kraftfahrer zu arbeiten. Seinen glaubwürdigen Angaben zufolge habe der Beschwerdeführer nicht vorgehabt, nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihm erteilten Sichtvermerkes in die Türkei zurückzukehren. Die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien nicht weggefallen, weil die Strafe wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich ab 1. April 1991 (rechtskräftige Strafverfügung vom 10. Juli 1991 wegen Übertretung des § 2 Abs. 1 Z. 2 FrPolG idF BGBl. Nr. 190/1990) noch aufrecht sei; zudem der Strafbetrag von S 500,-- noch nicht bezahlt worden sei, und außerdem auch die übrigen Gründe, die für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebend gewesen seien, als zutreffend erachtet werden müßten. Was den Antrag des Beschwerdeführers auf zeugenschaftliche Einvernahme seines Bruders anlange, so hätte eine derartige Vorgangsweise in der Sache selbst schon deshalb nichts gebracht, weil der Umstand, daß im Fall der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich der Bruder für dessen Lebensunterhalt aufkommen würde, "mit der Frage der Entscheidung im Sinne des § 8 des Fremdenpolizeigesetzes überhaupt nichts zu tun (hat)".

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, aus diesen Gründen den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 8 FrPolG ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhang mit § 3 FrPolG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die für die Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1991, Zl. 91/19/0087).

2. Insoweit die Beschwerde die Ansicht der belangten Behörde rügt, die Gründe für die seinerzeitige Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien deshalb nicht weggefallen, weil der Beschwerdeführer die über ihn verhängte Geldstrafe wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich noch nicht bezahlt habe, ist sie im Recht. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, inwiefern die Nichtbezahlung dieser Geldstrafe einen Schluß darauf zuließe, daß die aus der Erfüllung der Tatbestände des § 3 Abs. 2 Z. 6 und 7 FrPolG idF BGBl. Nr. 575/1987 resultierenden, für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer maßgeblichen öffentlichen Interessen nach wie vor gegeben seien. Allerdings führt diese unrichtige rechtliche Beurteilung nicht zur Aufhebung des bekämpften Bescheides.

3. Wenn der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte seine Angaben im Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, wonach sein Lebensunterhalt im Falle seines Aufenthaltes in Österreich von seinem Bruder bestritten werde, zu Unrecht nicht beachtet, so wäre dieses Vorbringen - unter der Voraussetzung, daß es entsprechend belegt war - dann zielführend, wenn dieser unter dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 2 Z. 7 FrPolG idF BGBl. Nr. 575/1987 relevante Hinweis erstmals im besagten Antrag vom 28. November 1991 enthalten gewesen wäre, also dieser Umstand infolge früherer diesbezüglicher Angaben des Beschwerdeführers von der belangten Behörde nicht schon bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen war. Diesfalls läge keine Änderung der insoweit maßgeblichen Umstände vor. Es bedarf indes keiner abschließenden Beurteilung dieser Frage. Denn selbst wenn die belangte Behörde auch in diesem Punkt einen verfehlten Rechtsstandpunkt eingenommen haben sollte, wäre damit für den Beschwerdeführer aus nachstehenden Überlegungen nichts gewonnen.

4. Die Beschwerde hat nicht einmal behauptet, daß sich die zur Beurteilung der aus der Verwirklichung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG idF BGBl. Nr. 575/1987 resultierenden öffentlichen Interessen maßgeblichen Umstände seit Verhängung des Aufenthaltsverbotes zugunsten des Beschwerdeführers geändert hätten. Der Beschwerdeführer hat aber auch nicht dargetan, daß und gegebenenfalls in welcher Weise seit diesem Zeitpunkt die für die Bewertung seiner privaten und familiären Interessen bedeutsamen Umstände eine Änderung zu seinen Gunsten erfahren hätten.

Da somit jedenfalls die sich aus der Erfüllung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. ergebende Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides weiterhin gegeben war - daß das solcherart konstituierte öffentliche Interesse für sich allein die Befristung des Aufenthaltsverbotes auf fünf Jahre nicht zu tragen vermag, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch für den Gerichtshof nicht zu erkennen -, und eine Interessenabwägung gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. nicht geboten war, entspricht die von der belangten Behörde getroffene bekämpfte Entscheidung im Ergebnis dem Gesetz.

5. Von daher gesehen ist den Verfahrensrügen - mangelhafte Sachverhaltsermittlung, insbesondere Unterlassen der Einvernahme des Bruders des Beschwerdeführers, sowie Verletzung des Parteiengehörs - der Boden entzogen, abgesehen davon, daß - entgegen der Meinung der Beschwerde - in bezug auf die "Rechtsansicht der belangten Behörde" ohnehin Parteiengehör nicht zu gewähren ist (vgl. § 45 Abs. 3 AVG).

6. Schließlich ist noch festzuhalten, daß dem Beschwerdeführer die Bekämpfung des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Beschwerdeführung gegen die Abweisung seines Antrages auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes verwehrt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1991, Zl. 91/19/0304).

7. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Schlagworte

freie BeweiswürdigungParteiengehör Rechtliche Würdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180035.X00

Im RIS seit

20.02.1992

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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