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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1053;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Kramer, Dr. Fellner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der X gemeinnützige registrierte Genossenschaft m.b.H. in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 9. August 1990, Zl. 1929-4/1990, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat an den Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 30. September 1987 stellte H einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Erbschaftssteuer in der Verlassenschaftssache nach J. Dieser Antrag wurde mit dem Umstand begründet, neu hervorgekommen sei, daß die Erblasserin außerbücherliche Eigentümerin von zwei Eigentumswohnungen mit dazugehörigen Garagenplätzen und nicht, wie im eidesstättigen Vermögensbekenntnis angegeben, Inhaberin einer Forderung in Geld gegenüber der Beschwerdeführerin gewesen sei. Als Beweis hiefür wurde zunächst ein Kaufvertrag vom 12./25. März 1974 vorgelegt, mit welchem J die Liegenschaft Gp. 320/1, EZ 45 KG R, an die Beschwerdeführerin um einen Kaufpreis von S 2,100.750,-- veräußert hatte. In diesem Vertrag heißt es unter Punkt II. unter anderem:
"... In Verrechnung mit dem Kaufpreis erwirbt die Verkäuferin von der Käuferin im zukünftigen Objekt "X" für einen Gegenwert von S 1,300.000,-- Wohnungseinheiten im Ausmaß von 130 m2 Wohnnutzfläche (Balkonflächen werden zu 50 % in die Nutzflächen eingerechnet) sowie 2 Tiefgaragenabstellplätze. Es wird vereinbart, daß die Wohnungen in mittlerer Stockwerkslage entsprechend der Ausstattungsliste des dzt. Bauvorhabens RE errichtet werden und die vereinbarten Nutzflächen auch bei Preissteigerungen als fix gelten ..."
Mit Eingabe vom 17. November 1987 legte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt Feldkirch die Kopie einer in Briefform abgeschlossenen Vereinbarung vom 1. Dezember 1975 vor und führte aus, daß aus dieser Vereinbarung ein Übereignungsanspruch der J entnommen werden könne. In diesem Schreiben heißt es:
"... In Gegenverrechnung mit dem Grundkauf erhalten Sie im Wohnblock A unserer geplanten Wohnanlage BH die 3-Zimmerwohnung, Top 26, im 3. Stock sowie die 2-Zimmerwohnung, Top 27, ebenfalls im 3. Stock und zwei Tiefgaragenabstellplätze.
Vereinbart war lt. Kaufvertrag eine Gesamtnutzfläche von 130 m2, in mittlerer Stockwerkslage, das wäre der zweite Stock. Für die beiden o.a. Wohnungen ergibt sich ein Gesamtausmaß von 133,64 m2 ...
Für die Differenz von 3,64 m2 sowie die Höherverlegung der Wohnung in den 3. Stock wird ein Pauschalbetrag von S 50.800,-- als Fixpreis vereinbart, der von Ihnen bei Rohbaufertigstellung bar aufzubringen ist ..."
Mit Bescheid vom 14. Dezember 1987 setzte das Finanzamt Feldkirch gegenüber H als Gesamtrechtsnachfolger nach J sowie gegenüber der Beschwerdeführerin (u.zw. hinsichtlich beider als Gesamtschuldner) für den im Schreiben vom 1. Dezember 1975 erblickten Erwerbsvorgang Grunderwerbsteuer fest.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung und brachte darin im wesentlichen vor, das steuerlich relevante Rechtsgeschäft sei im Rahmen des Kaufvertrages vom 12. bzw. 25. März 1974 in Punkt II. zustandegekommen. Das Finanzamt habe im Zuge der Abgabenerklärung für diesen Kaufvertrag hievon am 2. April 1974 Kenntnis erlangt. Es sei daher Bemessungsverjährung eingetreten. Das Schreiben vom 1. Dezember 1975 stelle nur eine nähere Beschreibung des Kaufgegenstandes dar, was angesichts der nunmehr vorliegenden Baupläne notwendig geworden sei. Weiters sei durch die genannte Bestimmung des Vertrages vom 12./25. März 1974 im Zusammenhalt mit dem Schreiben vom 1. Dezember 1975 Wohnungseigentum begründet worden, sodaß der begünstigte Zweck gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG erfüllt worden sei. Jedenfalls könnten als Bemessungsgrundlage nur die anteiligen Grundkosten herangezogen werden.
In dem nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung erstatteten Vorlageantrag brachte die Beschwerdeführerin weiters vor, beim gegenständlichen Erwerbsvorgang habe es sich nicht um den Kauf von Anteilen eines bebauten Grundstückes gehandelt, da weder am
12./25. März 1974 noch am 1. Dezember 1975 das Grundstück bebaut gewesen sei. Am 1. Dezember 1975 seien erst die genaueren Pläne vorgelegen. Auf Grund der Vereinbarung im Punkt II. des Vertrages vom 12./25. März 1974 sei überhaupt keine Begünstigung geltend gemacht worden, weshalb die Verjährungsfrist sofort zu laufen begonnen habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion für Vorarlberg die Berufung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die Vereinbarung im Kaufvertrag vom 12./25. März 1974 enthalte zwar einen bestimmten Kaufpreis, doch müsse, um die Bestimmtheit des Kaufgegenstandes annehmen zu können, die zu erwerbende Liegenschaft wenigstens durch ihre Adresse gekennzeichnet und, sofern ein Anteil an ihr erworben werden solle, dieser zumindest durch behördliche Entscheidung objektiv bestimmbar sein. Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses vom 12./25. März 1974 sei jedoch die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Kaufgegenstandes nicht gegeben gewesen, da weder Baupläne, geschweige denn eine Nutzwertfeststellung oder gar eine diesbezügliche Beschlußfassung seitens des zuständigen Gerichtes vorgelegen seien. Es sei nicht einmal die Anzahl der Wohnungen festgelegt worden. Erst in der Vereinbarung vom 1. Dezember 1975 sei der Kaufgegenstand genau festgelegt und hiedurch die Möglichkeit geschaffen worden, durch behördliche Entscheidung einen diesen Wohnungen entsprechenden Liegenschaftsanteil in objektiver Weise zu bestimmen. Dem Finanzamt könne daher nicht entgegengetreten werden, wenn es die zuletzt genannte Vereinbarung als steuerlich relevantes Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 angesehen habe.
Auch der Einwand der Verjährung sei unbegründet, weil die Vereinbarung vom 1. Dezember 1975 unbestrittenermaßen nicht zur Abgabenbemessung angezeigt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe diese Vereinbarung erst mit Eingabe vom 17. November 1987 der Abgabenbehörde vorgelegt. Die Verjährung habe daher erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen können. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 14. Dezember 1987 sei daher innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist erfolgt.
Zutreffend sei weiters die Ansicht der Abgabenbehörde erster Instanz, die Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 könne nicht gewährt werden. Wie sich aus der Aktenlage und der Einsicht in die Akten des Bezirksgerichtes Bregenz über die Nutzwertfeststellung der Wohnanlage ergebe, sei die Baubewilligung für diese Wohnanlage mit Bescheid vom 13. Februar 1976 erteilt worden, während die Nutzwerte der einzelnen Einheiten dieser Wohnanlage mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 6. April 1981 rechtskräftig festgelegt worden seien. Der Wohnungseigentumsvertrag sei erst am 4. Juni 1987 rechtsverbindlich abgeschlossen worden. Von der Begründung des Wohnungseigentums oder der Fertigstellung des Wohnhauses unmittelbar mit dem Erwerb der Liegenschaftsanteile könne daher keine Rede sein.
Es sei nach der Aktenlage schließlich unzweifelhaft, daß der Vertragswille der Parteien auf den Erwerb von zwei fertigen Wohnungen und zwei Tiefgaragenabstellplätzen samt Grundanteil gerichtet gewesen sei. Sohin sei es nicht rechtswidrig, die Baukosten neben den Grundstückskosten in die Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.
Aber auch wenn man die Vereinbarung im Kaufvertrag vom 12./25. März 1974 als steuerlich relevantes Rechtsgeschäft ansehen wollte, wäre für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts gewonnen, da auch diesbezüglich die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Steuerfreiheit gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 nicht gegeben wären und auch diesbezüglich keine ordnungsgemäße Anzeige erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin wird der Beschwerdepunkt wörtlich wie folgt umschrieben:
"Durch den angefochtenen Bescheid sind wir in unserem Recht auf gesetzmäßige Bemessung und Festsetzung der Grunderwerbsteuer verletzt, insbesondere auch im Recht auf rechtsrichtige Anwendung der §§ 208 Abs 2 BAO, 1 Abs 1 Z 1 GrEStG VERLETZT."
Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Rahmen ihrer Rechtsrüge wendet sich die Beschwerdeführerin nur mehr gegen die Auffassung der belangten Behörde, der Vertrag vom 12./25. März 1974 stelle hinsichtlich des "Erwerbes" von 130 m2 Wohnnutzfläche im zukünftigen Objekt "X" mangels Bestimmtheit des Kaufgegenstandes keinen Kaufvertrag dar. Vielmehr sei dieser rechtsgültige Kaufvertrag rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Grunderwerbsteuerbemessung angezeigt worden und es sei hinsichtlich dessen in der Zwischenzeit Bemessungsverjährung eingetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Auffassung nicht zu teilen.
Gemäß § 1 Abs. 1 des im Beschwerdefall noch anzuwendenden GrEStG 1955 unterliegen der Grunderwerbsteuer bestimmte Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen. Darunter fällt laut Z. 1 der zitierten Gesetzesstelle ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet.
Der Kauf ist nach österreichischem Recht ein grundsätzlich an keine Formvorschriften gebundener Konsensualvertrag, der - entsprechenden Abschlußwillen vorausgesetzt - durch die Willensübereinstimmung der Parteien über Ware und Preis zustande kommt (§ 1053 ABGB). Der Verwaltungsgerichtshof hat seit seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 9. Dezember 1971, Zl. 112/71, in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt etwa das Erkenntnis vom 11. April 1991, Zl. 90/16/0036 und die dort angeführte weitere Rechtsprechung) daran festgehalten, es genüge für die Begründung des Anspruches auf Übereignung, daß zwischen den Vertragsparteien Willensübereinstimmung darüber erzielt wurde, einen bestimmten oder doch durch behördliche Entscheidung objektiv bestimmbaren Anteil an einer Liegenschaft, die wenigstens durch die Adresse bezeichnet wird, um einen betragsmäßig festgesetzten Kaufpreis zu erwerben. In seinem zuletzt erwähnten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof weiters darauf hingewiesen, daß mit der Formulierung "durch behördliche Entscheidung objektiv bestimmbaren Anteil an einer Liegenschaft" die Festsetzung des Jahresmietwertes gemäß § 2 WEG 1948 (Parifizierung) bzw. die Festsetzung des Nutzwertes nach § 3 WEG 1975 bei von Wohnungseigentumsbewerbern geschlossenen Verträgen erfaßt ist.
Nach Abs. 1 der zuletzt genannten Gesetzesstelle ist der zum Erwerb des Wohnungseigentums erforderliche Mindestanteil ein solcher Anteil, der dem Verhältnis des Nutzwerts der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit zum Nutzwert aller Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten der Liegenschaft entspricht. Die Nutzwerte sind vom Gericht festzusetzen.
Nun wäre im Beschwerdefall eine solche Festsetzung des Nutzwertes auf Grund der Vereinbarungen im Kaufvertrag vom 12./25. März 1974 allein schon deshalb nicht möglich gewesen, weil nicht hervorgekommen ist, daß im Zeitpunkt dieses Vertragsabschlusses bereits das Flächenausmaß - und damit ein wesentlicher Faktor für die Bestimmung des Nutzwertes - der übrigen im zukünftigen Objekt "X" geplanten Wohnungen feststand; wie sich vielmehr aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung und im Vorlageantrag ergibt, wurden die Baupläne jedenfalls erst nach Abschluß des Kaufvertrages vom 12./25. März 1974 fertiggestellt (vgl. hiezu die ähnlich gelagerten Fälle des hg. Erkenntnisses vom 28. September 1977, Zlen. 1445 ua./76, sowie des Erkenntnisses vom 16. September 1982, Zl. 81/16/0117).
Die belangte Behörde ist daher in nicht rechtswidriger Weise davon ausgegangen, daß die Vereinbarung im Kaufvertrag vom 12./25. März 1974 noch keinen Übereignungsanspruch der J hinsichtlich der dort genannten Wohnungseinheiten begründete. Es geht daher auch die auf diesen Kaufvertrag bezughabende Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin ins Leere, wonach die belangte Behörde die Behauptung, daß dieser Kaufvertrag ordnungsgemäß angezeigt worden sei, übergangen habe.
Auch sonst vermag der Verwaltungsgerichtshof eine dem angefochtenen Bescheid anhaftende inhaltliche Rechtswidrigkeit oder einen von Amts wegen aufzugreifenden Verfahrensmangel nicht zu erkennen.
Die Frage, ob die Beschwerdeführerin zu Recht als Gesamtschuldnerin herangezogen wurde, ist vom oben wiedergegebenen Beschwerdepunkt nicht umfaßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1985, Zlen. 84/16/0006, 0007).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990160188.X00Im RIS seit
11.07.2001