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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der P in L, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VIII, vom 25. Oktober 1990, Zl. 6/4-4310/88-09, betreffend Einkommensteuer 1983 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war im Streitzeitraum zunächst in W, sodann ab 1986 in L wohnhaft. In ihrem Alleineigentum stehen zwei im Bereich des Finanzamtes G gelegene, mit Wohnhäusern bebaute Liegenschaften, die von ihr vermietet werden. Das Finanzamt, in dessen Bereich die Liegenschaften liegen, unterstellte in den Vorjahren eine gewerbliche Fremdenbeherbergung.
Für die Jahre 1983 bis 1986 legte die Beschwerdeführerin (wie auch schon für die Vorjahre) jeweils Erklärungen über gesondert festzustellende Einkünfte beim Finanzamt G vor. Darin wurden jeweils Verluste unterschiedlicher Höhe als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt. Anläßlich der Feststellung der Einkünfte des Jahres 1983 wurden der Beschwerdeführerin vom Finanzamt G Bedenken darüber vorgehalten, ob es sich bei den gegenständlichen Liegenschaften um eine einkommensteuerlich maßgebliche Einkunftsquelle handelt. In einer Eingabe vom 13. September 1984 vertrat die Beschwerdeführerin daraufhin mit näherer Begründung die Auffassung, daß die Voraussetzung eines Gewerbebetriebes sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht gegeben seien. In der Folge erließ das Finanzamt G jeweils vorläufige Bescheide, in denen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Jahre 1983 bis 1986 in Höhe der erklärten Verluste festgestellt wurden.
Nach Durchführung von Ermittlungen der Betriebsprüfungsabteilung vertrat das Finanzamt G die Ansicht, daß die Vermietung der Liegenschaften keine gewerbliche Tätigkeit, sondern lediglich eine Vermögensverwaltung darstelle. Das Finanzamt erließ am 5. Februar 1988 endgültige Bescheide für die Jahre 1983 bis 1986, in denen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit "0" festgestellt wurden. In der Begründung zu diesen Bescheiden wurde ausgeführt: "Im gegenständlichen Fall handelt es sich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (lt. Feststellung der Betriebsprüfung). Da aber gem. § 187 BAO nur die Einkünfte der ersten drei Einkunftsarten festgestellt werden können, wurden die vorläufigen Bescheide betreffend Feststellung der Einkünfte und der Gewerbesteuer endgültig mit NULL festgesetzt". Die Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.
In den von der Beschwerdeführerin beim Finanzamt für den
2. und 20. Bezirk in Wien eingereichten Einkommensteuererklärungen 1983 bis 1986 wurden die mit den beiden Liegenschaften in G zusammenhängenden Einkünfte als "Einkünfte aus selbstständiger Arbeit" erklärt. Nach Erlassung der endgültigen Bescheide des Finanzamtes G ergingen berichtigte Einkommensteuerbescheide 1983 bis 1985, in denen die Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb jeweils mit S 0,-- angesetzt wurden. Gleichzeitig erging ein Bescheid, nach dem die Einkommensteuer für 1986 nicht veranlagt wird.
Nach Einreichung eines Ansuchens um Verlängerung der Frist zur Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1983, 1984 und 1985 wurde innerhalb der verlängerten Berufungsfrist gegen die Einkommensteuerbescheide 1983 bis 1986 Berufung erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragte sinngemäß, die Einkünfte aus der Vermietung der in G gelegenen Liegenschaften als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen und begründete dieses Begehren damit, daß es sich bei dem Liegenschaftsbesitz um eine einkommensteuerlich maßgebliche Einkunftsquelle handle.
Eine die Berufung abweisende Berufungsvorentscheidung des nunmehr zuständigen Finanzamtes K wurde damit begründet, daß die Berufung Einwendungen enthält, die die Feststellungsbescheide des Finanzamtes G betreffen.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, durch den die Berufung wiederum als unerledigt galt, wurde ausgeführt, daß keine gewerblichen Einkünfte vorlagen, sodaß sich diesbezüglich Feststellungsbescheide des Finanzamtes G erübrigten. Bei "Vermietungseinkünften" könne es aber keine Feststellungsbescheide geben. Für die "Veranlagung der Einkünfte G" sei daher ausschließlich das Finanzamt K zuständig.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung, soweit sie die Einkommensteuer 1986 betraf, als verspätet zurück. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat dabei die Auffassung, daß das Finanzamt G über die beschwerdegegenständlichen Einkünfte aus der Vermietung der in G gelegenen Liegenschaften mit rechtskräftigen Feststellungsbescheiden dahin entschieden hätte, daß die Einkünfte aus Gewerbetrieb S 0,-- betragen. An den - wenn auch offensichtlich sachlich unrichtigen - Spruch dieser Bescheide sei das Wohnsitzfinanzamt gebunden. Diese Rechtswidrigkeit wäre in einer Berufung gegen die Feststellungsbescheide geltend zu machen gewesen. Die Rechtskraft dieser Bescheide habe bei gegebener Identität der Sache das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache zur Folge.
In der gegen diesen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, ihre negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung "im Rahmen eines Verlustausgleiches" mit ihren übrigen Einkünften zu verrechnen, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf die nach § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG ausgeführten Beschwerdepunkte in Verbindung mit dem sonstigen Inhalt der Beschwerde erstreckt sich die Beschwerde auf den im angefochtenen Bescheid erfolgten Ausspruch über Einkommensteuer 1983 bis 1985, nicht aber auf die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich Einkommensteuer 1986.
Gemäß § 187 Z. 2 BAO werden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb gesondert festgestellt, wenn das Betriebsfinanzamt nicht auch für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen des Unternehmers zuständig ist.
Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid gemäß § 252 Abs. 1 BAO nicht mit der Begründung angefochten werden, daß die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.
Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, dann ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen (§ 295 Abs. 1 Satz 1 BAO, erste Alternative).
Im Beschwerdefall liegen für die Streitjahre 1983 - 1985 gemäß § 200 BAO als endgültig erlassene Bescheide des Finanzamtes G vor, nach deren Spruch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit S "0,--" festgestellt werden, während in der gesondert erlassenen Begründung zu diesen Bescheiden festgehalten wird, daß es sich bei den von der Beschwerdeführerin erzielten Einkünften um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung handelt. Spruch und Begründung eines Bescheides bilden eine Einheit, sodaß für die Ermittlung des Sinnes eines Bescheides auch die Begründung heranzuziehen ist, insbesondere dann, wenn wegen der Unklarheit des Spruches an seinem Inhalt Zweifel bestehen (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 15. März 1960, Slg. 3638, und vom 17. Juni 1982, Slg. 9432, wie auch das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1992, 91/17/0101, 0102, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Begründung eines Bescheides kann daher als Auslegungsbehelf herangezogen werden, wenn der Spruch eines rechtskräftigen Bescheides für sich allein betrachtet Zweifel an seinem Inhalt offen läßt (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1976, Slg. 9112/A, vom 5. März 1990, 89/15/0015, und vom 14. Juni 1991, 88/17/0152).
Im Hinblick auf die den Bescheiden des Finanzamtes G vom 5. Februar 1988 beigegebene Begründung ist davon auszugehen, daß nach der vorhergehenden Erlassung von vorläufigen Bescheiden über eine Feststellung im Sinne des § 187 BAO das Finanzamt G in Form der Erlassung eines endgültigen Bescheides zum Ausdruck bringen wollte, daß mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 187 BAO eine Feststellung von Einkünften nicht stattzufinden hatte. Bei Heranziehung der Begründung der gegenständlichen Bescheide als Auslegungsbehelf kann daher der Auffassung der belangten Behörde, das Finanzamt G habe Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe der rechnerischen Größe S 0,-- (in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Februar 1975, Slg. 4798/F) festgestellt, nicht gefolgt werden.
Da somit eine bescheidmäßige - endgültige - Feststellung von Einkünften nicht erfolgt ist, vielmehr die vorläufige Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb im Zusammenhang mit der Betätigung der Beschwerdeführerin als Vermieterin der im Bereich des Finanzamtes G gelegenen Liegenschaften durch Erlassung eines endgültigen Bescheides aufgehoben worden ist, war das Finanzamt K gehalten, im Rahmen der Erlassung der Einkommensteuerbescheide über die Einkünfte aus dieser Betätigung abzusprechen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1. VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Einhaltung der FormvorschriftenSpruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991130004.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
13.02.2011