Norm
KVG 1934 §2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der T-GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 14. Juni 1991, Zl. GA 11-1801/90, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine Kommanditgesellschaft, deren einziger Komplementär eine GesellschaftmbH ist. Kommanditist ist eine physische Person mit einer Hafteinlage von S 5.000,--. Besondere Vereinbarungen betreffend darüber hinausgehende Geldeinlagen des Kommanditisten sind dem Gesellschaftsvertrag vom 21. Mai 1980 nicht zu entnehmen.
Gemäß Punkt "VIERZEHNTENS 1." des Gesellschaftsvertrages bemißt sich das Auseinandersetzungsguthaben eines ausscheidenden Gesellschafters nach dem "wirklichen Wert am Stichtag und dem ideellen Wert (des Geschäftswertes) der Firma. Das Auseinandersetzungsguthaben ergibt sich demnach aus der auf den Tag des Ausscheidens zu errichtenden Inventur und Bilanz (Auseinandersetzungsbilanz, dem Status) und aus der Bewertung des Goodwill und eventuell bestehender stiller Reserven".
Eine für den Zeitraum 12. März 1980 bis 31. Oktober 1987 durchgeführte Kapitalverkehrsteuerprüfung ergab, daß in den einzelnen Wirtschaftsjahren die Einlagen des Kommanditisten dessen Entnahmen überstiegen. Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß Einlagen auf das Verrechnungskonto des Kommanditisten gemäß § 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 gesellschaftsteuerpflichtig seien. Ob und inwieweit der begünstigte Steuersatz gemäß § 9 Abs. 2 zu gewähren sei, müsse anhand eines Wertvergleiches zwischen dem nach dem ersten Teil des Bewertungsgesetzes berichtigten Reinvermögen und dem Stammkapital überprüft werden. Dabei seien alle stillen und offenen Reserven aufzulösen.
Das Finanzamt erließ der Rechtsansicht des Prüfers folgend einen Bescheid, worin Gesellschaftsteuer mit 1 % von
S 910.961,92 (gerundet S 9.110,--) und von 2 % von
S 1,080.656,-- (gerundet S 21.613,--) insgesamt S 30.723,-- festgesetzt wurde.
Zur Begründung verwies das Finanzamt auf den Betriebsprüfungsbericht.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin im wesentlichen mit den Argumenten, § 6 KVG scheine eine zu weit gehende gesetzliche Regelung zu sein und sei das Gesetz aus dem Jahr 1934 nicht mehr zeitgemäß. Die Gesellschaft mbH & Co KG habe sich "mehr und mehr der reinen Personengesellschaft angenähert", die Besteuerung von Einlagen natürlicher Personen führe zu einer Doppelbesteuerung, weil die Einlagen regelmäßig aus bereits versteuerten Einkünften stammten. Im konkreten Fall seien zwischen dem 1. November 1984 und dem 31. Oktober 1985 Einlagen von S 1,698.163,77 geleistet worden, die aus der Veräußerung von Privatbesitz stammten. Dieser Privatbesitz sei aus versteuerten Einkünften erworben gewesen, sodaß durch die Anwendung der Gesellschaftsteuer eine Doppelbesteuerung vorliege. Ein Teil der Einlagen sei mit 2 % versteuert worden, obwohl sich "bei einer Betrachtung über einen längeren Zeitraum" herausstelle, daß die Einlagen ausschließlich zur Verlustabdeckung dienten. Eine Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsrechte sei unter langfristigen Aspekten nicht gegeben.
Mit Berufungsvorentscheidung wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, worauf die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte.
Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sachverhaltsmäßig ging die belangte Behörde lediglich davon aus, es seien "Einlagen auf das Verrechnungskonto der Kommanditisten erfolgt, welche in den einzelnen Wirtschaftsjahren die Entnahmen überstiegen". In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe von § 6 Abs. 1 Z. 4 und § 2 Z. 3 lit. b KVG aus, Verlustabdeckungen seien nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als freiwillige Gesellschafterleistung steuerpflichtig. Zur Kritik der Beschwerdeführerin am Kapitalverkehrsteuergesetz und zur aufgeworfenen Problematik einer Doppelbesteuerung verwies die belangte Behörde darauf, daß ihr nicht eine Prüfung der gesetzlichen Bestimmung obliege, sondern lediglich die des gesetzeskonformen Vollzuges, der im vorliegenden Fall gemessen an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt sei. Die Steuerschuld entstünde mit der Erbringung der Leistung und sei das Vorliegen einer Überschuldung oder eines Verlustes am Stammkapital auf Grund der Bestimmungen des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes festzustellen. Dies könne naturgemäß nur auf jenen Zeitpunkt bezogen werden, in dem die Leistung erbracht werde. Die Frage, inwieweit das Kapitalverkehrsteuergesetz noch zeitgemäß sei, habe auf den vorliegenden Fall keine Auswirkungen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf richtige Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Kapitalverkehrsteuergesetzes, insbesondere auf Nichtfestsetzung von Gesellschaftsteuer verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 4 KVG gelten als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften Anteile der Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört.
Gemäß § 2 Z. 3 lit. b leg. cit. unterliegen der Gesellschaftsteuer freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistungen geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen (Beispiele: Verzicht auf Forderungen, Überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung, Übernahme von Gegenständen der Gesellschaft durch die Gesellschafter zu einer den Wert übersteigenden Gegenleistung).
Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. beträgt die Steuer 2 v.H.. Nach Abs. 2 Z. 1 lit. a dieser Gesetzesstelle ermäßigt sich die Steuer auf 1 v.H. ua bei Leistungen, soweit sie zur Deckung der Überschuldung einer inländischen Kapitalgesellschaft erforderlich sind.
Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst dagegen, eine Gesellschaft mbH & Co KG überhaupt zur Gänze in den Geltungsbereich des Kapitalverkehrsteuergesetzes einzubeziehen und meint, nur der "starre Kommanditanteil, nämlich die Pflichteinlage" falle unter das zitierte Gesetz. Aus § 2 Z. 3 lit. b KVG sei ableitbar, daß ein Kommanditist nur dann unter diese Vorschrift falle, wenn er gleichzeitig auch "direkter Gesellschafter" der Kapitalgesellschaft (gemeint der KomplementärgesellschaftmbH) sei. Überdies stelle die Leistung weiterer Einlagen "insbesondere Hafteinlagen" durch einen Kommanditisten "neben seiner Pflichteinlage" keine Werterhöhung dar.
All diesen Argumenten (die im übrigen erkennen lassen, daß die Beschwerdeführerin den Unterschied zwischen Haft- und Pflichteinlage eines Kommanditisten mißversteht) ist zu entgegnen, daß nach ständiger hg. Judikatur (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/15/0027 und die dort zitierte Vorjudikatur), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, eine Gesellschaft mbH & Co KG als Kapitalgesellschaft zu werten ist und daß bei ihr alle Tatbestände des § 2 KVG erfüllt sein können, insbesondere auch der nach § 2 Z. 3 lit. b. Insbesondere dann, wenn ein Kommanditist freiwillige Leistungen zur Abdeckung von Verlusten erbringt, liegt eine Leistung vor, die objektiv geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, wenn diese Leistung ohne Gegenleistung zum Zwecke der Sanierung der Gesellschaft gegeben wird (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 27. April 1987, Zl. 85/15/0192). Die Bezeichnung des Kontos, auf dem die geleistete Einlage verbucht wird (z.B. als sogenanntes "Verrechnungskonto") ist in diesem Zusammenhang unmaßgeblich, weil es allein darauf ankommt, ob die in Rede stehende Leistung zu einer wirtschaftlichen Stärkung der Gesellschaft führt oder nicht (vgl. dazu insbesondere das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis Zl. 90/15/0027).
Insoweit also die belangte Behörde die im vorliegenden Fall vom Kommanditisten unstrittig geleistete, in das Vermögen der KG übergegangene Einlage, die letzten Endes auch die Position des Kommanditisten als Gläubiger des Anspruches auf Auseinandersetzungsguthaben stärkte, an sich der Gesellschaftsteuerpflicht unterzogen hat, ist ihr somit im Sinn der obzitierten Judikatur keine inhaltliche Rechtswidrigkeit unterlaufen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt insbesondere auch nicht die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das (von ihr nicht mehr als zeitgemäß empfundene) Kapitalverkehrsteuergesetz, weil in der hg. Judikatur bereits ausgesprochen wurde (vgl. das ebenfalls bereits oben zitierte Erkenntnis Zl. 85/15/0192), daß die vom Gesetzgeber im Wege des § 6 Abs. 1 Z. 4 KVG aufgestellte Fiktion einen Vergleich der kapitalistischen KG mit anderen Gesellschaften (insbesondere Personengesellschaften) nicht zulasse.
Die Beschwerde ist allerdings im Ergebnis aus anderen Gründen berechtigt:
Die Beschwerdeführerin hat schon im Verwaltungsverfahren ausgeführt, ihr Kommanditist habe im Wirtschaftsjahr 1984/85 Einlagen von S 1,698.163,77 geleistet. In diesem Zusammenhang wendet sich die Berufung der Beschwerdeführerin erkennbar unter anderem auch dagegen, daß ein Teil dieser Einlagen mit dem Steuersatz von 2 % versteuert wurde. In diesem Zusammenhang wurde in der Berufung ausdrücklich behauptet, die Einlage hätte "ausschließlich zur Verlustabdeckung" gedient. Auch in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde strebt die Beschwerdeführerin - wenn auch mit anderen rechtlichen Argumenten - erkennbar unter anderem die Anwendung des begünstigten Steuersatzes auf die gesamte in Rede stehende Einlage an.
Dabei stellt sich das grundlegende Problem, ob und in welchem betragsmäßigen Ausmaß im vorliegenden Fall überhaupt ein Anwendungsbereich für den begünstigten Steuersatz vorliegt. Weder die angefochtene Berufungsentscheidung noch der erstinstanzliche Bescheid noch der Prüfungsbericht, auf den sich letzterer bezieht, enthalten dazu Tatsachenfeststellungen, die zur Frage des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Anwendung des § 9 Abs. 2 Z. 1 lit. a KVG einer nachprüfenden Kontrolle zugänglich wären. Insbesondere auch aus dem zitierten Prüfungsbericht (vgl. OZl. 101 bis 103 der Verwaltungsakten) ergibt sich nicht, ob zum relevanten Zeitpunkt der jeweils erbrachten Einlage eine Überschuldung der Gesellschaft vorlag und inwieweit die in Rede stehende Einlage des Kommanditisten zur Deckung dieser Überschuldung ERFORDERLICH war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. April 1986, Zl. 85/15/0079, Slg. NF 6107/F, aber auch das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Juni 1991, Zl. 89/15/0012 und die dort zitierte Vorjudikatur). Demnach ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig ist.
Mit Rücksicht darauf erübrigte sich auch ein Eingehen auf den "in eventu" gestellten Antrag, die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof abzutreten (dem im übrigen, weil im Gesetz nicht vorgesehen, nicht entsprochen werden kann).
Von der - durch das Begehren des Ersatzes für Verhandlungsaufwand - erkennbar beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die begehrte Zuerkennung eines "Streitgenossenzuschlages gemäß § 15 RATG" konnte nicht erfolgen, weil die zitierte Norm für den Aufwandersatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einerseits gar nicht anwendbar ist und andererseits Streitgenossen nicht vorhanden sind.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991150096.X00Im RIS seit
11.06.2001