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50 GewerberechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zulässigkeit eines Individualantrages auf Aufhebung des §3 Abs1 LadenschlußG idF BGBl. 421/1988; Verbindung mit einem amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung von Teilen des §2 LadenschlußG aus Anlaß eines zulässigen Individualantrages auf Aufhebung des §1 der Wr. LadenschlußV Aufhebung des §2 Abs1 LadenschlußG (allgemeine Ladenschlußzeit an Werktagen für den Kleinverkauf von Waren) und von Teilen des §2 Abs4 LadenschlußG (Ermächtigung an den Landeshauptmann zur Verkürzung dieser zulässigen Offenhaltezeit) - unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit; durch Festlegung des Samstag Nachmittag als Sperrhalbtag in §3 Abs1 LadenschlußG idF BGBl. 421/1988 kein Überschreiten der dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung zustehenden GestaltungsfreiheitSpruch
1. §2 Abs1 und die Worte "Wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies zulassen, kann der Landeshauptmann mit Verordnung allgemein oder für Verkaufsstellen bestimmter Art oder für bestimmte Gebiete anordnen, daß, abweichend von den in den Abs1 bis 3 festgesetzten Ladenschlußzeiten," sowie die Worte "die Verkaufsstellen um höchstens eine Stunde früher zu schließen und um höchstens eine Stunde länger geschlossen zu halten sind" in §2 Abs4 des Ladenschlußgesetzes, BGBl. Nr. 156/1958, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 1989 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
2. §3 Abs1 des Ladenschlußgesetzes, BGBl. Nr. 156/1958 idF BGBl. Nr. 421/1988, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren über Individualanträge auf Prüfung des §1 der Verordnung des Landeshauptmanns von Wien über den Ladenschluß an Werktagen (Wiener Ladenschlußverordnung, künftig: Wr. LSchV), LGBl. 21/1965, anhängig, die von einer zum Betrieb eines Handelsgewerbes befugten Kommanditgesellschaft und von deren gewerberechtlichem und handelsrechtlichem Geschäftsführer gestellt wurden. Diese Anträge sind zu V82/87 protokolliert.
b) Die mit den genannten Anträgen angefochtene Bestimmung des §1 Wr. LSchV lautet:
"Alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Verkaufsstellen) sind, soweit sich nach den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt, an Werktagen von 18 Uhr bis 8 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln von 18.30 Uhr bis 7 Uhr geschlossen zu halten."
c) Der Verfassungsgerichtshof nahm in seinem Beschluß vom 14. Juni 1988, V82/87-25, an, daß die beiden Anträge zulässig seien:
Da die angefochtene Bestimmung eine Beschränkung der Offenhaltezeiten für Handelsunternehmungen normiere, dürfte die antragstellende KG als zur Ausübung eines Handelsgewerbes Berechtigter in ihrer Rechtssphäre direkt betroffen sein. Eine solche direkte Betroffenheit nahm der Gerichtshof auch für den ebenfalls antragstellenden handels- und gewerberechtlichen Geschäftsführer der gewerbeausübungsberechtigten KG an, da dieser für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch das Unternehmen nach den Vorschriften der GewO und des §9 VStG verantwortlich sei.
Weiters nahm der Verfassungsgerichtshof an, daß der Eingriff in die Rechtssphäre der Betroffenen nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt sei und die Interessen der beiden antragstellenden Parteien aktuell berührt seien. Auch dürfte den Antragstellern kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs in ihre Rechtsposition zur Verfügung stehen.
2. Aus Anlaß der Prüfung des §1 Wr. LSchV hegte der Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Abs1 und eines Teiles des Abs4 des §2 des Ladenschlußgesetzes (künftig: LSchG), BGBl. 156/1958. Er beschloß daher die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen. Dieses Verfahren ist zu G198/88 protokolliert.
a) Der unter der Rubrik "Allgemeine Ladenschlußzeiten an Werktagen" stehende §2 LSchG hat folgenden normativen Inhalt:
§2 Abs1 lautet:
"Die Verkaufsstellen (§1 Abs1 bis 3) sind, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, an Werktagen von 18 Uhr bis 7.30 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln von 18.30 Uhr bis 6.30 Uhr, geschlossen zu halten."
Die Abs2 und 3 enthalten hier nicht maßgebliche von dieser Regel abweichende Festlegungen der Zeiten, bis zu denen Verkaufsstellen für Milch und Milchprodukte sowie Bäckereibetriebe geschlossen zu halten sind.
§2 Abs4 LSchG (die in Prüfung stehenden Worte sind hervorgehoben) normiert sodann:
"Wenn die Einkaufsbedürfnisse, insbesondere der berufstätigen Bevölkerung, dies zulassen, kann der Landeshauptmann mit Verordnung allgemein oder für Verkaufsstellen bestimmter Art oder für bestimmte Gebiete anordnen, daß, abweichend von den in den Abs1 bis 3 festgesetzten Ladenschlußzeiten, entweder
a) die Verkaufsstellen um höchstens eine Stunde früher zu schließen und um höchstens eine Stunde länger geschlossen zu halten sind oder
b) die Verkaufsstellen während der Geschäftszeiten durch höchstens zwei Stunden geschlossen zu halten sind."
(Mit Erkenntnis vom 4. Oktober 1988, G107/88, hat der Verfassungsgerichtshof die bei der Wiedergabe des §2 Abs4 LSchG nicht hervorgehobenen Worte als verfassungswidrig aufgehoben und für das Inkrafttreten der Aufhebung eine Frist bis 30. September 1989 bestimmt.)
b) Der Verfassungsgerichtshof nahm an, daß die angefochtene Bestimmung des §1 der Wr. LSchV ihre gesetzliche Grundlage in Abs1 und den bei der Wiedergabe des §2 Abs4 hervorgehobenen Worten des Abs4 des §2 LSchG findet, er also diese Bestimmungen bei der Entscheidung über die Verordnungsprüfungsanträge anzuwenden haben dürfte. Da er das Bedenken hatte, daß diese Bestimmungen mit der Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 Abs1 StGG, letzter Fall) in Widerspruch stehen, leitete er ein Verfahren zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit ein und führte seine Bedenken dazu wie folgt aus:
"a) Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung G132/87 (und Folgezahlen) vom 1. Dezember 1987 (betreffend den Sperrhalbtag im Ladenschlußrecht) ausgeführt hat, greifen generelle Regelungen, die die zulässigen Öffnungszeiten für Betriebseinrichtungen beschränken, in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit ein.
Der Gesetzgeber ist - wie der Gerichtshof in seiner oben zitierten Entscheidung (mwH auf frühere Judikatur) weiters dargetan hat - dem Art6 StGG zufolge ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und unter bestimmten Umständen verboten ist, sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechts nicht verletzt und die gesetzliche Regelung auch sonst der Verfassung entspricht. Dies wurde durch die jüngere Judikatur dahin ergänzt und präzisiert, daß eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsfreiheit beschränkt, nur zulässig ist, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist.
Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsfreiheit zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Ausdrücklich hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten:
'Wenn die die Berufsausübung beschränkenden Regelungen - im Sinne der oben genannten Entscheidung (VfSlg. 10718/1985) - durch ein öffentliches Interesse sachlich gerechtfertigt sein müssen, so bedeutet das, daß Ausübungsregelungen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnde Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern.'
b) Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Überprüfung gesetzlicher Regelungen auf ihre Übereinstimmung mit der Erwerbsausübungsfreiheit zunächst zu prüfen, ob die Beschränkungen überhaupt im öffentlichen Interesse liegen. Bei der Entscheidung, welche (etwa wirtschafts- oder sozialpolitische) Ziele der Gesetzgeber mit seinen Regelungen verfolgt, ist ihm innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Unter Hinweis auf VfSlg. 9911/1983 und andere Entscheidungen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem eben zitierten Erkenntnis betreffend den Sperrhalbtag darauf hingewiesen, daß er nicht zu beurteilen habe, ob die Verfolgung eines bestimmten Ziels zweckmäßig ist; er könne dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolge, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen seien.
In der genannten Entscheidung ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die Ziele, denen die damals in Prüfung gestandenen Bestimmungen des LSchG dienten - die Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher, die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion - an sich im öffentlichen Interesse liegen. Der Gerichtshof nimmt vorläufig an, daß diese Ziele auch den nunmehr in Prüfung gezogenen Bestimmungen zugrunde liegen und sieht auch im vorliegenden Fall keinen Anlaß daran zu zweifeln, daß diese Zielsetzungen des Gesetzes im öffentlichen Interesse liegen. Er hat aber Bedenken ob der Tauglichkeit und Adäquanz der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des LSchG zur Erreichung dieser Ziele:
c) Durch die in Prüfung gezogene Regelung des §2 Abs1 LSchG wird die zulässige Offenhaltezeit von Verkaufsstellen für den Kleinverkauf von Waren festgelegt, und zwar durch exakte Festlegung von Zeiten, in denen die Verkaufsstellen geschlossen zu halten haben. Konfrontiert man diese Regelung mit den Zielen, denen das Ladenschlußgesetz dient und die als im öffentlichen Interesse gelegen anerkannt werden, so zeigt sich - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig meint - folgendes:
aa) Zur Erreichung des Ziels, verbraucherfreundliche Einkaufszeiten zu bewirken, scheint die zeitliche Beschränkung der Offenhaltezeit offenkundig absolut untauglich zu sein. Dies einerseits deshalb, weil die Begrenzung von Offenhaltezeiten stets die Wirkung hat, daß der Konsument in seinen Einkaufsmöglichkeiten beschränkt wird, und andererseits deshalb, weil die Ladenschlußregelung ja keine Verpflichtung zum Offenhalten normiert, sondern bloß ein Gebot zum Geschlossenhalten der Verkaufsstellen zu bestimmten Zeiten.
bb) Was das (wettbewerbsordnende) Ziel des LSchG anlangt, die Gewerbetreibenden nicht zu überlangen Geschäftszeiten zu nötigen, die vielfach betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären (so die EB zum Entwurf zum geltenden LSchG, 478 BlgNR, 8. GP), so scheint dem Verfassungsgerichtshof die Regelung zwar an sich tauglich zu sein, aber eine unverhältnismäßige Beschränkung zu bewirken. Dieses Ziel mag es rechtfertigen, von Gesetzes wegen Maximaloffenhaltezeiten festzulegen; der Verfassungsgerichtshof vermag aber - zumindest vorerst - nicht zu erkennen, daß es die wettbewerbsordnende Funktion sachlich zu rechtfertigen vermag, den Unternehmern vorzuschreiben, zu welchen Zeiten sie ihre Geschäfte offenhalten dürfen und wann sie diese geschlossen zu halten haben.
cc) Aber auch die sozialpolitische Funktion des Ladenschlußrechts scheint die Regelung nicht rechtfertigen zu können: Der Verfassungsgerichtshof hat schon im mehrfach zitierten Erkenntnis vom 1. Dezember 1987, G132/87 (und Folgezahlen) darauf hingewiesen, daß die Regelung und Begrenzung der Arbeitszeit, in der Dienstnehmer beschäftigt werden dürfen, primär Aufgabe der arbeits(zeit)rechtlichen Regelungen (insb. des ArbeitszeitG und des ArbeitsruheG) ist. Unter Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des geltenden LSchG hat er ausgeführt, daß auch das Ladenschlußgesetz - wenngleich es Unternehmer auch dann bindet, wenn sie keine Arbeitnehmer beschäftigen - eine sozialpolitische (Hilfs)Funktion hat, die sich daraus ergibt, daß allzulange Geschäftszeiten bei jenen Handelsbetrieben, die Arbeitnehmer beschäftigen, die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften erschweren könnten. Der Verfassungsgerichtshof hat ausdrücklich festgehalten, daß auch Auswirkungen von primär gewerberechtlichen Vorschriften auf die Lage der Arbeitnehmer eine Beschränkung der Freiheit der Erwerbsbetätigung (sowohl der selbständig wie auch der unselbständig Tätigen) rechtfertigen können, wenn das Gewicht der geschützten Interessen die Grundrechtsbeschränkung zu rechtfertigen vermag. Er hat dazu ausgeführt:
'So werden etwa Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer, sofern sie die freie Erwerbs- und Berufsausübung einschränken, auch weitgehende Beschränkungen des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts rechtfertigen und auch Vorkehrungen für ausreichende Ruhe- und Erholungszeiten sowie der Schutz vor überlangen Arbeitszeiten werden eine weitergehende Beschränkung der sich aus Art6 StGG ergebenden Rechtspositionen rechtfertigen.'
Die in Prüfung gezogene Regelung, die die Sperrzeiten generell zeitlich fixiert, scheint aber in die Erwerbsfreiheit wesentlich weiter einzugreifen, als dies durch die sozialpolitische Zielsetzung des Gesetzes gerechtfertigt werden kann. So dürfte schon angesichts der Tatsache, daß die maximalen Offenhaltezeiten auch nach geltendem Recht deutlich über den zulässigen Arbeitszeiten des Verkaufspersonals liegen, die Regelung nur bedingt geeignet sein, eine Überschreitung der Arbeitszeit hintanzuhalten. Aber auch Aspekte des Schutzes der Gesundheit und ausreichender Ruhe- und Erholungszeiten scheinen die gesetzliche Regelung nicht rechtfertigen zu können: Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt nicht, daß es sachlich gerechtfertigt wäre, würde das LSchG etwa - in Entsprechung der Regelung des §12 Arbeitszeitgesetz - vorschreiben, daß die Verkaufsstellen in der Nacht durch 11 Stunden geschlossen zu halten sind; auch dürfte es (angesichts der großen Zahl der im Handel beschäftigten weiblichen Dienstnehmer) keine unverhältnismäßige Einschränkung der Erwerbsfreiheit darstellen, würde das Ladenschlußrecht - in Übereinstimmung mit den Regelungen des BG über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. 237/1969 - ein Geschlossenhalten zu jenen Zeiten anordnen, in denen die Beschäftigung von Frauen als Nachtarbeit grundsätzlich verboten ist, was gemäß §3 Abs2 leg.cit. in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr der Fall ist.
Die Regelung des §2 Abs1 LSchG scheint aber durch die Fixierung ganz bestimmter Zeiten, in denen die Verkaufsstellen geschlossen zu halten sind und durch den Beginn der Sperrverpflichtung um 18.00 Uhr viel weitergehende Einschränkungen vorzusehen, für die der Verfassungsgerichtshof - zumindest vorerst - keine Rechtfertigung zu erkennen vermag.
d) Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt somit, daß die Bestimmung des §2 Abs1 LSchG durch die genannten Ziele des Ladenschlußrechts - der Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher, die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion - sachlich gerechtfertigt werden kann. Er vermag - zumindest vorläufig - auch keine anderen Ziele zu erkennen, die die nunmehr in Prüfung gezogene Regelung der allgemeinen Ladenschlußzeiten in §2 Abs1 LSchG sachlich zu rechtfertigen vermöchten, weshalb er in Ansehung dieser Bestimmung das Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten hatte.
e) Die ebenfalls in Prüfung gezogene Bestimmung des §2 Abs4 LSchG ermächtigt den Landeshauptmann zur teilweisen Verkürzung der gemäß §2 Abs1 zulässigen Offenhaltezeiten. Das bedeutet unter dem Gesichtspunkt der Erwerbsfreiheit eine Ermächtigung zu einer noch weitergehenden Beschränkung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts. Die oben dargestellten Bedenken treffen daher umsomehr auch für die Ermächtigung des §2 Abs4 lita LSchG zu, weshalb auch diese Bestimmung in Prüfung zu ziehen war."
Angesichts des Einleitungsbeschlusses zum oben erwähnten Gesetzesprüfungsverfahren G107/88, das zwischenzeitig zur Aufhebung einiger Worte in §2 Abs4 LSchG geführt hat, und im Hinblick darauf, daß sich die angefochtene Bestimmung des §1 Wr. LSchV nur auf jenen Teil des §2 Abs4 LSchG stützt, der nicht vom Prüfungsverfahren G107/88 erfaßt war, beschränkte der Verfassungsgerichtshof den Gegenstand des mit diesem Beschluß eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens auf die in der Wiedergabe des §2 Abs4 LSchG hervorgehobenen Worte.
3. Die Bundesregierung sah von einer gesonderten Äußerung in diesem Verfahren und von einer Antragstellung ab.
4. Der Verfassungsgerichtshof gab im Vorverfahren der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (BWK) und dem Österreichischen Arbeiterkammertag (ÖAKT) Gelegenheit, eine Äußerung zum Gegenstand des Gesetzesprüfungsverfahrens zu erstatten. Beide gesetzlichen Interessenvertretungen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht:
a) Die BWK vertritt die Ansicht, daß der Gesetzgeber des LSchG durch die in Prüfung gezogene Regelung die Ziele, die der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 1. Dezember 1987, G132/87 u.a., als im öffentlichen Interesse liegend angesehen hat, nicht "in einer grundrechtsbedenklichen Weise" zu realisieren gesucht hat.
Die BWK betont, daß es ihrer Ansicht nach unzulässig wäre,
"bei der Beurteilung der vom VfGH als für seine Entscheidung, über die in Rede stehende Bestimmung des LSchlG das Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, maßgeblichen Überlegung diese Zielsetzungen jeweils isoliert zu betrachten, also hinsichtlich der Frage verbraucherfreundlicher Einkaufszeiten nur das Verbraucherinteresse, der Frage wettbewerbsordnender Ziele nur den Standpunkt der Gewerbetreibenden und der Frage sozialpolitischer Zielsetzung ausschließlich die Sicht der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Vielmehr sind alle diese Problembereiche stets vom Standpunkt vernetzter Regelungsziele aus und daher als Kompromißregelung zu sehen, die immer allen drei Interessenzielen gerecht zu werden hätten."
Was das Verbraucherinteresse anlangt, verweist die BWK darauf,
"daß die Bestimmungen des §1 Abs1 bis 3 LSchlG wöchentliche Verkaufszeiten von 58 Stunden (allgemein) bzw. von 66,5 (Lebensmittelhandel), 69 (Milch, Brot) oder 72 Stunden (Bäcker) ermöglichen. Wenn der Gerichtshof unter cc) auf die offenbar akzeptable Regelung über das Verbot der Nachtarbeit für Frauen zwischen 20.00 bis 6.00 Uhr hinweist, ergäbe dies unter Berücksichtigung eines ebenfalls grundrechtskonformen Sperrhalbtages eine wöchentliche Verkaufszeit von 77 Stunden.
Ein besonderes Problem dürfte der do Gerichtshof darin erblicken, daß der Gesetzgeber die Zeitpunkte fixiert hat, an denen offengehalten werden darf oder gesperrt werden muß. Diese Zeiten sind allgemein mit 7.30 und 18.00 Uhr festgelegt.
Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann wohl angenommen werden, daß für den Einkauf im Nichtlebensmittelbereich vor diesem Zeitpunkt aus Konsumentensicht kein Bedarf besteht. Anders mag die Problematik beim Zeitpunkt der Ladensperre liegen. Berücksichtigt man die Lebensgewohnheiten der Bevölkerung und die Tatsache, daß in weiten Bereichen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens Arbeitszeiten bestehen, die ein Einkaufen bereits am frühen Nachmittag für die Konsumenten ermöglichen, so ist die Frage nach der Unverhältnismäßigkeit der Festlegung des Endes der Verkaufszeiten jedoch einigermaßen relativiert. Zudem sind in mindestens 300 Orten (Stand der Ausnahmeregelungen bei Erscheinen des 'Ladenschlußgesetzes samt Landesregelungen' von Kupka, Wien 1971, seither erheblich mehr) Fremdenverkehrsregelungen in Kraft, die die Sperrzeiten bis 20.00 Uhr festlegen, was einen Offenhalterahmen von 75 Stunden ergibt. Die Gesamtdauer dieser Verkaufszeiten in Fremdenverkehrsorten dürfte sich auf keinen Fall verkürzen."
Die Bundeskammer meint weiters,
"daß bei der Suche nach einer sowohl tauglichen wie angemessenen Lösung jedenfalls dem Problem der Fixierung des Beginnes und des Endes der Verkaufszeiten besonderes Gewicht beizumessen wäre, und zwar aus der Sicht aller drei das LSchlG beherrschenden Zielsetzungen:
1. Wie sich auch bei dem derzeit laufenden Ladenschlußversuch gezeigt hat, haben die Verbraucher wenig Interesse an einem differenzierten und unübersichtlichen Verkaufszeitenangebot, wenn die daraus folgenden Suchkosten auch betragsmäßig natürlich kaum zu beziffern wären. Es ist daher anzunehmen, daß der Bedarf nach konkret erst zu erhebenden Sperrzeiten auf dieser Seite gering ist.
2. Im Bereich der Verkaufsstelleninhaber halten sich die Befürworter liberaler Ladenöffnungszeiten in etwa die Waage mit jenen, die aus Furcht vor einer Verschlechterung ihrer Position im Wettbewerb weiterhin an gesetzlich geregelten Offenhaltezeiten festhalten wollen. Es fragt sich daher, ob ein völliger Verzicht auf die Fixierung von zeitlichen Eckpunkten aus der Sicht der wettbewerbsordnenden Zielsetzung tauglich (wenn auch adäquat) wäre.
3. Es ist nicht Aufgabe der Bundeskammer die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Nichtsdestoweniger kann angenommen werden, daß die gesetzliche Fixierung des Sperrzeitenrahmens während der Nachtstunden nicht nur mit den Arbeitnehmerwünschen sondern auch mit der Adäquanz des Eingriffes übereinstimmen würde."
b) Der ÖAKT beschäftigte sich in seiner Stellungnahme zunächst mit den konkreten Zielen, denen die Ladenschlußregelung dient. Er vertrat dazu die Auffassung, daß der Verbraucher nicht nur Interesse an langen Öffnungszeiten, sondern noch weitere schutzwürdige Interessen, wie die Sicherung der Nahversorgung, die Sicherung eines preisgünstigen Einkaufs, die Sicherung fachkundiger Beratung und die Sicherheit, zu bestimmten Zeiten Verkaufsstellen auch tatsächlich geöffnet vorzufinden, habe, die mit der Regelung der Ladenschlußzeiten in engem Zusammenhang stünden. Im einzelnen führte der ÖAKT dazu insbesondere aus:
"a) Durch längere Öffnungszeiten und besonders durch Öffnungszeiten während der späten Abendstunden entstehen in der Regel für die Inhaber der Verkaufsstellen höhere Kosten. Ob langfristig durch längere Öffnungszeiten eine Steigerung des Umsatzes oder gar des Ertrages der Handelsbetriebe erreicht werden kann, ist in höchstem Maße umstritten. Es spricht sehr viel dafür, daß durch längere Öffnungszeiten höhere Kosten einem gleichbleibenden oder doch nur geringfügig höheren Umsatz und Ertrag gegenüberstehen (Gutachten 'Öffnungszeiten' des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen, im folgenden Gutachten genannt,
S. 75 f).
Daraus ergibt sich, daß eine Anhebung der Preise im Zuge längerer Öffnungszeiten wahrscheinlich ist.
b) Ausgebildete und mit Fachkenntnissen ausgestattete Verkäufer (gleichgültig, ob sie selbständig oder unselbständig sind) bedürfen in der Regel einer spezifischen Ausbildung und langjähriger Praxis. Geschulte und qualifizierte Arbeitskräfte sind in der Regel in der Lage, die am Arbeitsmarkt angebotenen Arbeitsbedingungen zumindest zu einem Teil mitbestimmen zu können, weil ihre Qualifikationen von mehreren Unternehmen nachgefragt werden.
Sollten sich die Arbeitsbedingungen (zum Unterschied von Arbeitsbedingungen etwa in der Industrie) durch die Notwendigkeit der Arbeit am späteren Abend oder am Wochenende verschlechtern, so ist zu erwarten, daß die im Handel beschäftigten qualifizierten Kräfte teilweise den Arbeitsplatz wechseln und in Branchen mit besseren Bedingungen übersiedeln werden.
Dies ist nicht nur eine theoretische Befürchtung, dem Arbeiterkammertag sind aufgrund seiner Kontakte mit Arbeitnehmern und deren Problemen zahlreiche Fälle bekannt, in denen vor allem jene im Handel beschäftigten Arbeitnehmer ihre Absicht bekundet haben, die Branche zu verlassen, die leicht zu besseren Arbeitsbedingungen in anderen Branchen unterkommen können.
Diese mögliche Schlußfolgerung für viele Betroffene wird auch durch die jüngste empirische Untersuchung zum Thema 'Öffnungszeiten' durch die Arbeiterkammer Steiermark belegt (Handelsangestellte und Ladenschluß in der Steiermark 1985-1988, Graz, Oktober 1988, im folgenden Untersuchung Steiermark genannt, S. 55 f).
Natürlich besteht die Möglichkeit, daß frei werdende Arbeitsplätze durch andere Arbeitnehmer besetzt werden. Sehr oft haben aber diese Arbeitnehmer (noch) nicht die entsprechenden Qualifikationen, sodaß das Service gegenüber den Kunden durch längere Öffnungszeiten insgesamt leiden könnte und die Verbraucher im Durchschnitt mit weniger Information und weniger Betreuung bei ihren Kaufentscheidungen rechnen müssen.
c) Seit 1. September 1988 wird bekanntlich aufgrund einer befristeten Änderung des Ladenschlußgesetzes (BGBl. 421/88) erprobt, wie sich längere und flexiblere Öffnungszeiten in der Praxis auswirken. ...
In der Anfangsphase dieses Versuches erweiterter Öffnungszeiten gab es aufgrund dieser Gesetzeslage erhebliche Proteste der Verbraucher bei den Interessenvertretungen, aber auch in den Medien, die sich entschieden gegen die Verunsicherung der Konsumenten durch variable Öffnungszeiten wandten. Der Verbraucher hat nicht in erster Linie ein Interesse daran, daß die Verkaufsstelle, bei der er einkaufen will, einen möglichst großen Spielraum für Öffnungszeiten hat, er möchte vielmehr wissen, wann er tatsächlich einkaufen kann. Immerhin sind die meisten Verbraucher aufgrund ihrer Arbeitsverpflichtungen, aber auch ihrer Familienverpflichtungen und ihres Freizeitverhaltens an bestimmte Einkaufszeiten gebunden.
Ein möglichst weiter Spielraum für das Offenhalten der Verkaufsstellen kann daher nicht ohne Einschränkungen als im Verbraucherinteresse liegend angesehen werden. Unterschiedliche tatsächliche Öffnungszeiten im Rahmen weit gesteckter gesetzlicher Grenzen sind für den Verbraucher im Einzelfall nicht vorhersehbar, der Konsument wird in seiner Entscheidung zum Einkauf verunsichert.
Ein Öffnungszeitenmodell, das zwar die Gesamtdauer der Öffnungszeiten begrenzt, jedoch ihre zeitliche Lage innerhalb eines sehr weit gesteckten Rahmens in die freie Disposition der Ladeninhaber stellt, geht also an sachlichen Erfordernissen der Öffnungszeiten im Sinne der Verbraucher völlig vorbei."
Bei der wettbewerbspolitischen Zielsetzung des LSchG gehe es nach Ansicht des ÖAKT um eine "Kanalisierung des Wettbewerbs in einem von öffentlichen Interessen zur Wettbewerbsbegrenzung gekennzeichneten Bereich", die dem Gesetzgeber überlassen werden müsse. Es gehe insbesondere um den Schutz der Kleingewerbetreibenden vor übermächtiger Konkurrenz von Großhandelsketten, da allzu liberale Ladenöffnungsregeln den Markt in einem öffentliche Interessen beeinträchtigenden Ausmaß zugunsten von Großunternehmungen verschieben könnten. Großunternehmungen könnten durch Schichteinteilung einen größeren Öffnungszeitenrahmen leichter ausschöpfen; abendliche Einkaufsfahrten in am Stadtrand gelegene Großbetriebe könnten gefördert werden; es müsse verhindert werden, daß sich ein Markt zum Oligopol oder in verschiedenen Bereichen sogar zum Monopol entwickle.
In Erörterung der sozialpolitischen Motive des LSchG betont der ÖAKT, daß Ladenöffnungsregeln zwar nicht vorrangig sozialpolitische Zielsetzungen verfolgen, aber mit Arbeitszeitbedingungen der Beschäftigten in mehrfacher Hinsicht sehr eng verbunden seien, und führt dazu insb. aus:
"Wie sozialwissenschaftliche Untersuchungen des Arbeiterkammertages ergeben haben ('Arbeitszeiten im Österreichischen Einzelhandel', August 1985; 'Arbeitszeiten und familiäre Situation von im Einzelhandel arbeitenden Müttern', November 1988) besteht eine direkte Relation zwischen der Länge der Öffnungszeiten und der Dauer der Arbeitszeiten für den einzelnen Arbeitnehmer.
Im Zuge des seit 1. September 1988 geltenden Versuchs verlängerter Öffnungszeiten konnte ebenfalls empirisch festgestellt werden, daß zusätzliche Öffnungsmöglichkeiten für Handelsbetriebe fast ausschließlich durch Überstunden bzw. Mehrleistungen der Arbeitnehmer abgedeckt werden, daß aber kaum zusätzliches Personal eingestellt wird.
Das bedeutet, daß weitere Verlängerungen der Öffnungszeiten zu einer Verlängerung der Arbeitszeit der Beschäftigten führen würden."
Besonders stark sei der Einfluß der Öffnungszeiten auf die sozialpolitisch gesehen sehr wichtige Lage der Arbeitszeit von Arbeitnehmern. Das AZG enthalte nur wenige bindende Vorschriften über die Festlegung der konkreten Arbeitszeit; die Lage der Arbeitszeit werde durch kollektivvertragliche bzw. individualrechtliche Vereinbarungen bestimmt.
"Ladenöffnungszeiten, die vom Gesetz- bzw. vom Verordnungsgeber festgesetzt sind, legen verbindliche Grenzen für die Vereinbarung bzw. Dienstgeberweisung über die Lage der Arbeitszeit fest. Sie bedeuten so gerade für die Schwächeren unter den im Handel Beschäftigen nahezu die einzige effektive Schutzvorschrift gegen die Ausdehnung der Arbeitszeiten in die späteren Abendstunden und gegen willkürliche Verschiebungen der Arbeitszeit.
Ladenöffnungsregelungen haben insofern nicht bloß eine sozialpolitische Hilfsfunktion, sondern eine direkte arbeitsrechtliche Auswirkung.
Insofern besteht zwischen den in §2 LSchG vorgesehenen Öffnungszeiten und den Öffnungszeiten am Wochenende ein wesentlicher Unterschied, weil das die Wochenendarbeit regelnde Arbeitsruhegesetz sehr wohl Aussagen über die Lage der Arbeitszeiten trifft. ... (D)ie Sachlage (sei) bei den Sperrzeiten an den Wochentagen völlig anders: Der sozialpolitische Schutz des Arbeitnehmers gegen Arbeitsanordnungen zu subjektiv belastenden Zeiten an Wochentagen Montag bis Freitag und gegen willkürliche Verschiebungen der Arbeitszeiten in die Abendstunden kann für die im Handel Beschäftigten nur durch Ladenschlußregelungen gewährleistet werden. Arbeitszeitregelungen in diese Richtung gibt es nicht und kann es nicht geben (damit wäre eine generelle Norm für alle Betriebe und Branchen überfordert), die individualrechtliche und kollektivrechtliche Position der Arbeitnehmer im Handel ist aber zur Erreichung adäquater Regelungen zu schwach, weil nicht nur Arbeitgeberinteressen, sondern auch Interessen von Dritten auf die Lage der Arbeitszeiten massiv Einfluß nehmen und diese bestimmen, wenn keine öffentlich-rechtlichen, angemessenen Begrenzungen der Öffnungszeiten bestehen."
Sozialpolitisch bedeutsam sei vor allem auch, daß am Abend für Arbeitnehmer mit familiären Bindungen am ehesten die Möglichkeit bestehe, das Abendessen im Familienkreis einzunehmen, kulturelle Veranstaltungen mit dem Ehepartner bzw. den Eltern oder Kindern zu besuchen, Weiterbildungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen und gesellschaftliche Kontakte zu pflegen. Besonders hervorzuheben sei die Möglichkeit für die Eltern, gegenüber Kindern an den Abenden ihren Erziehungsaufgaben nachzukommen; durch eine Verschiebung der Ladenschlußzeiten etwa auf 20 Uhr würde auf diese Weise der in der MRK vorgesehene Schutz des Familienlebens sowie das geschützte Erziehungsrecht der Eltern schwer beeinträchtigt.
Zum Argument, daß auch andere Arbeitnehmergruppen aufgrund der für sie geltenden Arbeitszeitregelung mit Arbeiten zu ungünstigen Zeiten rechnen müßten, führt der ÖAKT aus, daß es auf die Abwägung mit den jeweiligen Interessen ankomme und öffentliche Interessen beispielsweise im Krankenpflegedienst sicherlich schwerer wiegen als bei der Befriedigung von Einkaufsbedürfnissen. Überdies müsse
"in diesem Zusammenhang auch auf den Umstand hingewiesen werden, daß Rechtsgrundlagen, Gewohnheiten und bisherige Übungen in bestimmten Berufen eine ganz entscheidende Rolle für die soziale Situation der Betroffenen spielen:
Bei Berufen, in denen Arbeit am Abend, in der Nacht und auch am Wochenende üblich ist (Verkehrsbedienstete, Krankenpflegepersonal) sehen arbeitsrechtliche Normen in der Regel zwingend Wechseldienste vor, die den Betroffenen zumindest an einem erheblichen Prozentsatz der Wochentage auch Freizeit am Abend, in der Nacht und an Wochenenden gewährleisten. Jedem, der solche Berufe wählt, ist bei Eintritt in den Beruf die Belastung durch die Arbeitszeiteinteilung klar gewesen. Er konnte seine Lebens- und auch Freizeitplanung auf die Gegebenheiten zum Beispiel im Krankenpflegedienst oder im Verkehrsdienst einstellen.
Ganz anders ist die Situation für die im Handel Beschäftigten:
Als sie ihren Beruf ergriffen haben, konnten sie ebenfalls mit bestimmten Arbeitszeiten und Freizeiten rechnen, sie haben ihr Leben diesen Umständen angepaßt.
Wenn nun aufgrund einer aufhebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes solche Änderungen in den kollektiv- und einzelvertragsrechtlichen Grundlagen der Arbeitsverhältnisse bewirkt werden, die an jedem Tag der Woche eine Arbeit bis in die Abendstunden verpflichtend machen, ergäbe sich dadurch eine ganz massive Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für diese Menschen. Viele wären sogar gezwungen, aus dem von ihnen gewählten Beruf wieder auszuscheiden, um zumindest fallweise am Abend im Kreise der Familie und bei den Kindern zu Hause sein zu können. Die Erwerbsfreiheit dieser Menschen würde durch eine entsprechende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes faktisch beseitigt werden.
Aufgrund der Verhältnisse im Handel (vgl. beiliegende Studien der Arbeiterkammer) ist zudem zu erwarten, daß noch liberalere Öffnungszeiten das Ausmaß variabler Arbeitszeiten erheblich vergrößern würden. Es wäre damit zu rechnen, daß in Anpassung an kurzfristig schwankende Kundenwünsche und Kundeninteressen (zB beim überraschenden Zustrom großer Käuferschichten aus dem benachbarten Ausland) Arbeitszeiten verschoben, unterbrochen und unvorhergesehen eingeteilt werden. Eingeplante Freizeit müßte aufgrund kurzfristiger Arbeitszeitverschiebungen aufgegeben werden.
Wenn die aufgrund der bisherigen Erfahrungen und empirischen Untersuchungen gerechtfertigten Befürchtungen des Arbeiterkammertages eintreten, daß bei verlängerten Öffnungszeiten auch die Arbeitszeiten verlängert werden und einseitige Arbeitszeitverschiebungen durch den Arbeitgeber auf Druck einiger Konsumenten stattfinden, hat dies auch äußerst negative Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation der betroffenen Arbeitnehmer."
Der ÖAKT weist überdies auf sicherheitspolitische Aspekte der geltenden Ladenschlußregelung hin und meint, daß Ladenöffnungszeiten in den späten Abendstunden die Gefahr der Erhöhung der Kriminalität in diesem Bereich bewirken könnten. Auswirkungen würden sich durch verlängerte Öffnungszeiten auch für die Infrastruktur (insb. von Betreuungseinrichtungen für Kinder und sonstigen Sozialeinrichtungen), für Zulieferbetriebe und für das öffentliche Verkehrswesen ergeben, wodurch einerseits höhere Kosten und andererseits ungünstigere Arbeitsbedingungen für eine Reihe von Dienstnehmern bewirkt würden.
Der ÖAKT meint zusammenfassend, daß insb. eine Öffnungszeitregelung, die nur zwischen 20 Uhr und 6 Uhr eine absolute Sperrverpflichtung vorsieht und im übrigen einzelnen Unternehmen einen mehr oder weniger großen Spielraum läßt, die wettbewerbsordnenden und sozialpolitischen Zielsetzungen einer Ladenschlußregelung klar verfehlen würde. Die geltende Regelung sei im Vergleich zu diesem in Diskussion stehenden Modell sachgerechter. Die derzeitige Regelung sei wohl nicht die einzig sachgerechte, jedenfalls aber doch eine adäquate Lösung; ihre Aufhebung würde den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unangemessen beschränken.
Es sei "aufgrund zahlreicher sozialwissenschaftlicher Untersuchungen und Erhebungen erwiesen, daß das Bedürfnis der Konsumenten nach längeren Öffnungszeiten keineswegs einer zwingenden, in weiten Kreisen der Bevölkerung gegebenen Notwendigkeit entspricht, sondern allenfalls der Bequemlichkeit dienlich ist, vor allem der Bequemlichkeit und der Annehmlichkeit einkommenstärkerer Bevölkerungsgruppen.
Von den Arbeitgebern her gesehen stellen längere Öffnungsmöglichkeiten für größere Betriebe und Einkaufszentren einen möglichen Marktvorteil dar, der aber zu Lasten kleinerer Betriebe gehen könnte.
Beide Interessen scheinen dem Österreichischen Arbeiterkammertag nicht so gewichtig zu sein, daß sie gegen die geltend gemachten sozialen, konsumentenpolitischen und wettbewerbsordnenden sowie gesellschaftspolitischen Funktionen einer einschränkenden Ladenöffnungsregelung durchdringen können."
Der Gesetzgeber habe durch die Novelle BGBl. 421/1988 sehr wohl auf Forderungen in der Öffentlichkeit und Veränderungen in der Gesellschaft reagiert:
"Die versuchsweise Verlängerung der Öffnungszeiten nimmt sowohl auf Konsumentenwünsche Rücksicht, als auch auf die Interessen der im Handel Beschäftigten: Wenn einmal in der Woche die Möglichkeit zu entsprechenden Familienkontakten am frühen Abend für die im Handel Beschäftigten gestört ist, so mag dies im Interesse einer besseren Betreuung der Konsumenten noch gerechtfertigt sein; die Familienkontakte an den übrigen 4 Tagen einer 5-Tage-Woche mögen ausreichen, um die familiäre und gesellschaftliche Isolierung des Arbeitnehmers zu vermeiden.
Eine weitergehende Einschränkung der Abendfreizeit für Handelsbeschäftigte wäre aber wohl weder konsumentenpolitisch notwendig und wettbewerbspolitisch sinnvoll, noch mit den Freizeit- und Familieninteressen der Beschäftigten vereinbar. ...
Gerade in Anbetracht der 1988 vorgenommenen Änderungen der Ladenöffnungszeiten erscheint dem Österreichischen Arbeiterkammertag ein Vorwurf an den Gesetzgeber, die Erwerbsfreiheit durch die zu überprüfenden Bestimmungen des Ladenschlußgesetzes unverhältnismäßig zu beschränken, sachlich kaum begründbar."
5. Die Antragstellerinnen im Verordnungsprüfungsverfahren, aus dessen Anlaß der Verfassungsgerichtshof das Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet hat, haben als Beteiligte in diesem Verfahren eine Äußerung erstattet: Dabei sind sie der in der Äußerung der BWK vertretenen Auffassung, daß in weiten Bereichen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens Arbeitszeiten bestehen, die ein Einkaufen bereits am frühen Nachmittag für die Konsumenten ermöglichen, entgegengetreten. Auch die Tatsache, daß in zahlreichen Fremdenverkehrsorten Ausnahmeregelungen gelten, könne eine Grundrechtskonformität nicht bewirken, insbesondere weil die Antragsteller keine Möglichkeit hätten, derartige Ausnahmeregelungen zu erwirken. Unter Hinweis auf Koppensteiner, Wettbewerbsrecht, Bd 2, 2. Aufl. 284, wird ausgeführt, "daß die gesamte Ladenschlußregelung in Wirklichkeit mit der Wahrnehmung von Konsumenteninteressen überhaupt nichts zu tun" habe.
Den in der Stellungnahme des ÖAKT vorgebrachten Argumenten hält die Äußerung der beteiligten Antragstellerinnen im Verordnungsprüfungsverfahren insbesondere folgendes entgegen:
Eine Verlagerung der Ladenschlußzeiten müsse insgesamt zu keiner wesentlichen Verlängerung der Öffnungszeiten führen; die Frage möglicher Mehrkosten sei Sache der unternehmerischen Kalkulation und der Marktverhältnisse. Die Auffassung, die Ladenschlußzeiten bildeten einen zentralen Angelpunkt des Wirtschaftslebens und seien für die Kostenstruktur des Handels, die Qualität der Bedienung, die Qualifikation des Personals und die Lebensqualität der Bevölkerung verantwortlich, sei "bei weitem überzogen":
"Gerade aus der vom Arbeiterkammertag vorgelegten Studie über den Ladenschluß in der Steiermark geht hervor, daß die Frage des Ladenschlusses nur im Zusammenhang mit anderen Faktoren gesehen werden kann. So heißt es ausdrücklich (Seite 43): 'Je mehr auf die Arbeitnehmer bei der Arbeitszeiteinteilung beziehungsweise Arbeitszeitregelung Rücksicht genommen wird, desto toleranter sind sie in der Ladenschlußfrage. Je weniger sie mitreden können, desto eher wollen sie wieder strenge Vorschriften über den Ladenschluß.'
Auf Seite 63ff wird dargelegt, daß eine beträchtliche Zahl der Handelsangestellten fordert, daß andere Branchen hinsichtlich ihrer Kundenorientierung bei einer zeitlichen Liberalisierung mitziehen sollten, auch eine Anpassung der sonstigen Infrastruktur (Kindergarten, Hort, Verkehr etc.) wird gefordert."
Die vom ÖAKT zitierte Versuchsregelung erscheine untauglich,
"um daraus Schlüsse für eine Liberalisierung des Ladenschlusses ziehen zu können. Insbesondere wird eine Regelung, die sich über Jahrzehnte eingespielt hat, nicht innerhalb von wenigen Monaten auf breiter Basis und mit breiter Akzeptanz geändert werden können."
Zu den wettbewerbspolitischen Argumenten wird u.a. ausgeführt:
"Wie durch die geltende Ladenschlußregelung die Nahversorgung gewährleistet sein soll, bleibt unbewiesen. Im Gegenteil: Bis der Berufstätige von seinem Arbeitsplatz an seinen Wohnort gelangt ist, sind dort die Läden geschlossen. Eine Liberalisierung der Öffnungszeiten würde die Berufstätigen verstärkt in die Lage setzen, unmittelbar an ihrem Wohnort einkaufen zu können, würde also eine Umsatzverlagerung zugunsten der wohnortnahen Handelsbetriebe bewirken.
Der Arbeiterkammertag bleibt jeden Nachweis schuldig, daß durch eine Liberalisierung der Ladenschlußregelung die von ihm befürchteten Konsequenzen im Bereich des Wettbewerbs auftreten würden. Die Antragstellerinnen haben in ihrer Äußerung vom 6.5.1988 hinreichend dargetan, daß geänderte Ladenschlußzeiten nicht nur Risken, sondern auch eine Fülle von Chancen bieten würden. Es ist im übrigen nicht einzusehen, warum ausgerechnet der Ladenschluß das geeignete und sachgerechte Instrumentarium sein soll, unerwünschten Entwicklungen in der Struktur des Handels (die sich aber offenbar unter dem geltenden Ladenschlußrecht erst recht durchgesetzt haben) zu steuern.
Ein Schutz von kleinen Handelsunternehmen wird, wie die Praxis zeigt, durch den Ladenschluß nicht erzielbar sein."
Zur sozialpolitischen Argumentation des ÖAKT, daß der seit 1. September 1988 laufende Versuch verlängerter Öffnungszeiten zeige, daß zusätzliche Öffnungsmöglichkeiten fast ausschließlich durch Überstunden abgedeckt würden, daß aber kaum zusätzliches Personal eingestellt werde, meinen die Antragsteller, daß es einem Unternehmer nicht zumutbar sei, für die begrenzte Zeit eines Versuches neue Arbeitnehmer einzustellen.
Weiters wird in der Äußerung darauf hingewiesen,
"daß es in anderen Branchen so etwas wie Ladenschlußzeiten nicht gibt, daß aber die verschiedenen Arbeitszeitregelungen dennoch einzuhalten sind. In Handelsbetrieben, die öffentlich (und daher auch etwa dem Arbeitsinspektorat) zugänglich sind, ist die Arbeitszeit der Arbeitnehmer sogar noch viel leichter zu kontrollieren als in Betriebsstätten, die sich der Öffentlichkeit verschließen."
Zusammenfassend meinen die Antragsteller im Anlaß-Verordnungsprüfungsverfahren, daß die im Gesetzesprüfungsverfahren erstatteten Äußerungen nicht geeignet seien, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs gegen die Verfassungsmäßigkeit der derzeit geltenden Ladenschlußregelung zu zerstreuen.
II. 1. Mit einem weiteren, beim Verfassungsgerichtshof am 1. Dezember 1988 eingelangten Individualantrag begehrt die zur Ausübung eines Handelsgewerbes berechtigte Kommanditgesellschaft, die auch den unter Pkt. I.1. erwähnten, zu V82/87 protokollierten Verordnungsprüfungsantrag gestellt hat, die Aufhebung des §3 Abs1 LSchG idF der Novelle 1988, BGBl. 421/1988.
Unter Verweis auf die Entscheidung des Gerichtshofs vom 1. Dezember 1987, G132/87 (und Folgezahlen), begründet die Antragstellerin ihre Antragslegitimation und bringt in der Sache im wesentlichen vor, daß es sich bei der angefochtenen Regelung, die die Handelsgewerbetreibenden verpflichte, ihre Geschäftsläden zu bestimmten Zeiten zu schließen, um eine Vorschrift handle, die die unternehmerische Dispositionsfreiheit in unsachlicher und durch das öffentliche Interesse nicht zu rechtfertigender Weise einschränke.
2. Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Dezember 1987, G132/87 (und Folgezahlen), die Absätze 1 und 3 des §3 LSchG in der damals geltenden Fassung als verfassungswidrig aufgehoben hatte, hat der Bundesgesetzgeber innerhalb der ihm vom Gerichtshof eingeräumten Frist §3 Abs1 neu gefaßt, Abs2 ersatzlos aufgehoben und auf eine Neufassung des (aufgehobenen) Abs3 verzichtet.
Abs1 des §3 LSchG normiert in der Fassung der Novelle 1988, BGBl. 421/1988:
"Die Verkaufsstellen sind, sofern durch dieses Bundesgesetz oder durch aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassene Verordnungen nicht anderes bestimmt ist, an Samstagen ab 13 Uhr geschlossen zu halten."
Diese Bestimmung tritt gemäß ArtIV der Novelle 1988 mit Ablauf des 30. November 1989 außer Kraft.
Bis zu diesem Zeitpunkt gilt neben der angefochtenen Bestimmung des §3 Abs1 leg.cit. überdies gemäß ArtII der Novelle 1988:
"In der Zeit vom 1. September 1988 bis zum 30. November 1989 gelten an Werktagen ergänzend zu den durch das Ladenschlußgesetz und durch die auf Grund des Ladenschlußgesetzes ergangenen Verordnungen festgelegten Ladenschlußregelungen folgende Bestimmungen:
1. Die Verkaufsstellen dürfen entweder einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17 Uhr offengehalten werden.
2. Die Regelung der Z1 gilt nicht für den 24. und 31. Dezember.
3. Verkaufsstellen, die auf Grund des Ladenschlußgesetzes oder auf Grund einer auf das Ladenschlußgesetz gestützten Verordnung auch nur an einem Samstag im Monat nach 13 Uhr offengehalten werden, dürfen in dem betreffenden Monat nicht an einem sonstigen Werktag bis 20 Uhr offengehalten werden.
4. Für das in den Z1 bis 3 eingeräumte Wahlrecht bestimmt sich die Zugehörigkeit einer Kalenderwoche zu einem Monat danach, zu welchem Monat der Samstag der betreffenden Kalenderwoche gehört.
5. Die für eine Verkaufsstelle geltenden Ladenöffnungszeiten sowie der Zeitpunkt, ab welchem diese Ladenöffnungszeiten gelten, sind an der Verkaufsstelle so kundzumachen, daß sie sowohl während als auch außerhalb der Öffnungszeiten der Verkaufsstelle ersichtlich sind.
6. §9 des Ladenschlußgesetzes gilt auch für Übertretungen der Z1 bis 4."
3. Die antragstellende Kommanditgesellschaft meint, daß §3 Abs1 LSchG im Lichte der zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1988 verfassungswidrig sei und führt dazu insbesondere aus:
"In seinem zitierten Erkenntnis hatte der Gerichtshof nicht zu untersuchen, ob es zulässig wäre, von gesetzeswegen einen bestimmten Tag als Sperrhalbtag festzulegen, sondern lediglich, ob die damals zu prüfende gesetzliche Regelung durch die Ziele, denen sie diente, als gerechtfertigt bezeichnet werden konnte. Der Gerichtshof ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Anordnung eines Sperrhalbtags an sich zur Erreichung der den Ladenschlußregelungen unterstellten Ziele als geeignet und als sachlich gerechtfertigt zu bezeichnen ist, obwohl dies eine relativ weitgehende Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit darstelle. Selbst dieser schwere Eingriff könne jedoch noch als gerechtfertigt qualifiziert werden, wenn dem Gewerbetreibenden dabei nicht jede Dispositionsmöglichkeit genommen, sondern nur vorgeschrieben ist, daß er - abgesehen von der Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe - seine Betriebsstellen an einem Halbtag geschlossen zu halten hat.
Als nicht mehr adäquat ist dieser Eingriff aber zu bezeichnen, wenn - so der VfGH - die Bestimmung, an welchem Halbtag der Sperrverpflichtung nachzukommen ist, einem Verwaltungsorgan übertragen wird. In der Folge hat der Gerichtshof dargelegt, daß es weder das Interesse der Arbeitnehmer, noch jenes der Konsumenten, noch jenes der gesamten im Wettbewerb stehenden Unternehmerschaft rechtfertigen würden, einen von einem Verwaltungsorgan bestimmten Nachmittag als Sperrhalbtag bindend vorzuschreiben. Die Antragstellerin schließt sich der Argumentation des Gerichtshofs an und erlaubt sich der Einfachheit halber, pauschal auf die im zitierten Erkenntnis dargelegte Begründung sowie auf die einschlägigen Ausführungen des Gerichtshofs in dem Beschluß vom 14.6.1988, V82/87-25 zu verweisen.
Mit der nun angefochtenen Neuregelung hat der Bundesgesetzgeber die Bestimmung, auf welchen Tag der Sperrhalbtag zu fallen hat, nun nicht dem Landeshauptmann oder einem anderen Verwaltungsorgan überlassen, sondern selbst getroffen. Damit tut er dem zitierten Erkenntnis des Gerichtshofs zwar formal Genüge, hat sich der Gerichtshof dort doch lediglich über die Unzulässigkeit der Bestimmung eines Sperrhalbtags durch ein Verwaltungsorgan ausgesprochen, materiell hat er aber den Sinn des zitierten Erkenntnisses verkannt (vgl. Höhne, WBl 1988, 33). ...
Es ist kein Grund zu sehen, warum es vor dem Hintergrund der Argumentation des Gerichtshofs einen Unterschied machen sollte, ob nun ein bestimmter Sperrhalbtag durch ein Verwaltungsorgan oder durch den Gesetzgeber verhängt wird:
Wenn es so ist, daß, wie der Gerichtshof in seinem zitierten Erkenntnis ausgeführt hat, die wettbewerbsordnende Funktion des LSchG, die Gewerbetreibenden nicht zu überlangen Öffnungszeiten zu veranlassen, diese Beschränkung (i.e. die Bestimmung eines bestimmten Sperrhalbtags durch ein Verwaltungsorgan) nicht zu rechtfertigen vermag, dann muß dies auch für eine bundesgesetzliche Regelung gelten.
Wenn die sozialpolitische Hilfsfunktion des LSchG, ausgedrückt durch das Interesse an einer einheitlichen Festlegung des Sperrhalbtags druch den Landeshauptmann nicht von solchem Gewicht ist, die freie Erwerbsausübung weitgehend zu beschränken, dann hat sie dieses Gewicht auch nicht gegenüber einer bundesgesetzlich einheitlichen Regelung des Sperrhalbtags.
Dem seinerzeitigen Argument der Bundesregierung, daß durch die Verhängung eines einheitlichen Sperrhalbtags durch den Landeshauptmann eine für den Konsumente