Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
BundesstatistikG 1965 §11 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des H in X, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Februar 1991, Zl. 1723/39, betreffend Übertretung des Bundesstatistikgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer in Bestätigung des Straferkenntnisses vom 12. Juli 1990 schuldig erkannt, "entgegen seiner im § 8 des Bundesstatistikgesetzes und in der Verordnung BGBl. Nr. 334/1967 festgelegten Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Zuge der sogenannten Mikrozensus-Stichprobenerhebung bei der am 17. März 1990 bei ihm in X, S-Straße 8, zum Zweck der Einholung der diesbezüglich erforderlichen Auskünfte erfolgten Vorsprache und Befragung des damit beauftragten Interviewers die Erteilung der Auskünfte verweigert und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 11 Z. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes, BGBl. Nr. 91/1965, und desweiteren in Verbindung mit § 4 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 334/1967," begangen zu haben.
Gemäß § 11 des Bundesstatistikgesetzes wurde über H eine Geldstrafe von S 1.500,-- (im Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Berufungswerber bekämpfe das erstinstanzliche Straferkenntnis unter anderem mit dem Vorbringen, daß er in Form eines Einzelkaufmannes eine Werbeagentur führe, wobei er außer einer Sekretärin über keine weiteren Angestellten verfüge. Sämtliche Aufträge und Termine habe er daher persönlich wahrzunehmen. Gerade in seinem Beruf, wobei eben die Hauptlast ausschließlich bei ihm liege, komme es beim Entwurf von Inseraten, Broschüren und Postwurfsendungen immer wieder zu Abänderungen und Umgestaltungen, was dazu führe, daß gerade diese Branche enorm besprechungsintensiv sei und der Beschuldigte ununterbrochen unterwegs zu Besprechungen sei. Der Berufungswerber müsse einerseits Termine auf längere Sicht planen und andererseits oft kurzfristige Termine ansetzen. Zum fraglichen Termin habe er eine dringende Geschäftsangelegenheit zu besorgen gehabt, was allgemein als Entschuldigungsgrund anerkannt werde.
Wenn sich der Berufungswerber damit entschuldige, daß es ihm auf Grund der erst am Vortag erhaltenen Verständigungskarte nicht zumutbar gewesen wäre, einen für diese Zeit bereits festgesetzten Termin zu verlegen, so sei dies nicht bestritten. H habe den Inhalt der Verständigungskarte am Vortag aber bewußt unbeachtet gelassen, was der Sorgfaltspflicht eines normalen Durchschnittsmenschen widerspreche. Es wäre in diesem Fall seine Verpflichtung gewesen, zumindest zu versuchen, den Interviewer telefonisch von diesem Umstand zu verständigen (der dann nicht vergeblich ihn zu erreichen versucht hätte) und ihm einen anderen Termin vorzuschlagen (dies eventuell nach Handhabung seines Terminkalenders). Auf Grund des Umstandes, daß H dezidiert erklärt habe, die Auskünfte nicht zu erteilen, sei zu ersehen, daß die Terminkollision am 17. März 1990 nicht der wahre Grund für sein Nichterreichbarsein gewesen sei, weil er vielmehr aus prinzipiellen Erwägungen zur Auskunftserteilung nicht bereit gewesen sei. In diesem Licht sei auch sein Unbeachtetlassen der Terminverständigungskarte am 16. März 1990 zu sehen.
Hätte sich der Berufungswerber also im oben aufgezeigten Sinn bereit erklärt, dem Interviewer einen anderen Befragungstermin anzubieten und diesen dann auch eingehalten, so wäre ihm kein Vorwurf zu machen gewesen und natürlich auch keine Strafanzeige erfolgt. Der Beschuldigte könne sich nicht damit rechtfertigen, nicht imstande zu sein, "dem Interviewer einen Termin festzulegen", den er auch verläßlich einhalten würde, weil er einen ungewöhnlich besprechungsintensiven Beruf habe, der auch kurzfristige Disponierungen erforderlich mache. Da H offenbar imstande sei, all seine geschäftlichen Terminvereinbarungen einzuhalten, müsse er nicht weniger wichtige Termine des Österreichischen Statistischen Zentralamtes genauso einhalten können. Es sei also auch daraus ersichtlich, daß es dem Rechtsmittelwerber nicht am Können sondern am Wollen ermangle.
Zusammenfassend könne also festgestellt werden, daß H die Auskünfte am 17. März 1990, 10.00 Uhr, dem Organ des Österreichischen Statistischen Zentralamtes deshalb nicht erteilt habe, weil er - trotz Kenntnis der Rechtslage - aus prinzipiellen Erwägungen dazu nicht bereit sei. Daraus ergebe sich die Schuldform des Vorsatzes.
Sodann folgten Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 7. Oktober 1991, B 391/91, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestraft zu werden.
Der Beschwerdeführer bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor:
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich jedenfalls, daß er am 17. März 1990 beim vorgesehenen Termin um 10.00 Uhr deshalb nicht anwesend gewesen sei, weil er vorher bereits längst eine geschäftliche Besprechung genau für diesen Zeitpunkt vereinbart gehabt habe. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die berufsbedingte Abwesenheit bei der Vorsprache des Interviewers am 17. März 1990 um 10.00 Uhr ein Entschuldigungsgrund sei, der eine Verwaltungsübertretung ausschließe. Eine Verweigerung der Auskünfte hätte nur zum festgesetzten Termin am 17. März 1990, 10.00 Uhr, anläßlich der Vorsprache des Interviewers erfolgen können und nicht etwa in einem unverbindlichen Telefongespräch.
Darüberhinaus sei die Zustellung des Interview-Termines nicht dem Gesetz gemäß erfolgt, zumal diese lediglich einen Tag vor dem festgesetzten Termin im Büro des Beschwerdeführers eingelangt sei und von ihm gar nicht registriert worden sei, zumal er erst am Freitag abends, also am 17. März, Zeit gefunden habe, die Post zu sortieren. Ein Ladungsempfänger habe jedenfalls das Recht, so rechtzeitig geladen zu werden, daß er sich einerseits vorbereiten, andererseits überhaupt Dispositionen treffen könne, um diesen Termin auch wahrnehmen zu können. Daß er diesen nicht wahrnehmen habe können, ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt wegen Terminkollision und es sei, weil die Terminbekanntgabe jedenfalls verspätet erfolgt sei, daher davon auszugehen, daß jegliche Schuldform und schon gar die Schuldform des Vorsatzes für das Begehen einer Verwaltungsübertretung gefehlt habe.
Hiezu ist folgendes auszuführen:
Im Grunde des § 8 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes sind natürliche und juristische Personen sowie die Personengesellschaften des Handelsrechtes verpflichtet, über die bei statistischen Erhebungen gestellten Fragen Auskünfte zu erteilen. Diese Auskünfte müssen rechtzeitig, vollständig und wahrheitsgetreu erteilt werden.
Gemäß § 11 Z. 1 des Bundesstatistikgesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu ahnden ist, wer der Auskunftspflicht durch Verweigerung der Auskunft nicht nachkommt oder wissentlich unvollständige oder wahrheitswidrige Angaben macht.
Gemäß § 1 der Verordnung vom 21. Juli 1967, BGBl. Nr. 334/1967, hat das Österreichische Statistische Zentralamt Stichprobenerhebungen über Arbeitskräfte, Wohnungen sowie sonstige Räumlichkeiten und deren Bewohnen (Mikrozensus) durchzuführen.
Gemäß § 2 Abs. 1 dieser Verordnung sind die Erhebungen bei Privathaushalten viermal jährlich durch mündliche Befragung durchzuführen. Stichtage für die Erhebungen bei Privathaushalten sind der 1. März, der 1. Juni, der 1. September und der 1. Dezember. Nach Abs. 2 erstreckt sich die Erhebung auf die in die Stichprobe einbezogenen Wohnungen und deren Bewohner.
Nach § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.
Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 17. Juni 1980, Zl. 119/80 ausgeführt hat, ist Voraussetzung für jede Anlastung eines strafbaren Verhaltens die Erfüllung eines vom Gesetz mit Strafe bedrohten Tatbestandes einerseits und der Nachweis des Verschuldens des Täters andererseits, und zwar, wenn die Verwaltungsvorschrift nicht anderes bestimmt, zumindest in Form einer Fahrlässigkeit (§ 5 Abs. 1 VStG). Dem Verwaltungsstrafrecht ist der Grundsatz der Erfolgshaftung fremd und es setzt die Verhängung eines Schuld- und Strafausspruches nicht nur ein tatbestandsmäßiges und rechtswidriges, sondern überdies ein schuldhaftes Verhalten voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1982, Zl. 10/1897/79).
Der vorliegende Beschwerdefall ist nun dadurch gekennzeichnet, daß die belangte Behörde selbst vom Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes - ohne diesen rechtlich näher zu qualifizieren - ausgeht. Sie führt dazu aus, daß es dem Beschwerdeführer auf Grund der erst einen Tag vor dem Interviewtermin erhaltenen Verständigung nicht zumutbar gewesen sei, einen für diese Zeit bereits festgesetzten Termin zu verlegen.
Auf dem Boden der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung vom Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes hätte die belangte Behörde im Lichte des Grundsatzes "keine Strafe ohne Schuld" (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1967, Slg. N.F. Nr. 7227/A) den Beschwerdeführer nicht wegen des Verweigerns der Auskünfte bei der Vorsprache des Interviewers am 17. März 1990, 10.00 Uhr, bestrafen dürfen.
Daran vermag auch nichts zu ändern, wenn die belangte Behörde zur Überzeugung kam, der Beschwerdeführer sei in Wahrheit grundsätzlich nicht bereit, die betreffenden Auskünfte zu geben. Vermögen doch (allenfalls gegebene) von der Verwirklichung eines bestimmten Sachverhaltes losgelöste Vorgänge in der Person des Täters den Mangel der Erfüllung der subjektiven Tatseite - und zwar bezogen auf eine bestimmte Tat - nicht zu ersetzen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer weiteren Erörterung des Beschwerdevorbringens bedurfte.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Der Schriftsatzaufwand war nur im Ausmaß der vorzitierten Pauschalierungsverordnung zuzusprechen. Weiters betrifft die Abweisung des Mehrbegehrens den im Hinblick auf die gesetzliche Kostenpauschalierung nicht zuzuerkennenden Betrag für "20 % USt".
Schlagworte
Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991040273.X00Im RIS seit
12.09.2001