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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des E in H, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Juni 1991, Zl. 313.832/2-III-3/90, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 25. April 1990 wurde der Antrag um gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der Betriebsanlage für das Handelsgewerbe und das Güterbeförderungsgewerbe im näher bezeichneten Standort durch Aufstellung von Lagerbehältern für Heizöl- und Diesellagerung abgewiesen.
Einer dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 12. Oktober 1990 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Auch gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben. Der Berufungsschriftsatz wurde auf einem Briefpapier mit folgendem Briefkopf geschrieben:
"Transporte
E
Mineralölhandel
Abbruch- und Baggerarbeiten
Sand- und Schottergewinnung
Uhren, Schmuck
H 1109
Tel. n nn nn/nn nn"
Unter Bezugnahme auf die Geschäftszahl des bekämpften Bescheides heißt es im Berufungsschriftsatz u.a.:
"Wider den Bescheid des Amtes der NÖ Landesregierung erhebe
ich innerhalb offener Frist nachstehende
Berufung
...
Ich stelle daher den Antrag
den angefochtenen Bescheid aufzuheben und dahin abzuändern, daß meinem Antrag auf Bewilligung der Betriebsanlage stattgegeben wird.
Einer Erledigung in diesem Sinne entgegensehend, zeichnet mit vorzüglicher Hochachtung ..."
Der Berufungsschriftsatz ist vom Beschwerdeführer eigenhändig unterschrieben; der Unterschrift ist eine Stampiglie beigefügt, die mit dem Briefkopf identisch ist.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Juni 1991 wurde die Berufung "im Grunde der §§ 8 und 9 AVG 1950 iVm mit § 17 HGB als unzulässig zurückgewiesen".
Zur Begründung wurde - nach Darstellung der Rechtslage - ausgeführt:
"Aus dem in § 8 AVG 1950 verwendeten Begriff der 'Person' ergibt sich, daß als Partei eines Verwaltungsverfahrens nur eine physische oder eine andere, vom Gesetz mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete (juristische) Person - allenfalls auch eine Personengesellschaft des Handelsrechts mit beschränkter Rechtspersönlichkeit - auftreten kann (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahren, Entscheidungen 4 bis 6 zu § 8
AVG).
Die Firma eines Kaufmannes ist nun kein selbständiges Rechtssubjekt und damit keine Person im Sinne des § 8 AVG; ihr kommt lediglich im Bereiche des Handelsrechts und der zu dessen Vollziehung berufenen Gerichte im Rahmen des § 17 HGB Bedeutung zu, mangels entsprechender ausdrücklicher Normen jedoch nicht vor den Gewerbebehörden (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahren, Entscheidung 15 zu § 9 AVG).
Im vorliegenden Fall wurde somit gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 12. 10. 1990, Zl. V/1-BA-9050, von der Firma 'Transporte E, Mineralölhandel, Abbruch- und Baggerarbeiten, Sand- und Schottergewinnung, Uhren, Schmuck', also einer bloßen Firma eines Einzelkaufmannes, Berufung erhoben. Entsprechend den obigen Ausführungen war diese von einer Nicht-Person erhobene Berufung zur weiteren Behandlung nicht zuzulassen und spruchgemäß zurückzuweisen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Nichtzurückweisung der ihm zuzurechnenden Berufung verletzt. Der Beschwerdeführer bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, in der gegenständlichen Berufung komme das Wort "Firma" nicht vor. Der Beschwerdeführer habe auch keine Firma, sohin kein im Handelsregister des Kreisgerichtes Korneuburg protokolliertes Handelsgewerbe. Die belangte Behörde habe - um einer Entscheidung in der Sache selbst zu entgehen - "eine Firma unterstellt", obwohl die Berufung keinen einzigen Hinweis auf eine Firma enthalte. Die Aufschrift des Briefpapieres des Beschwerdeführers trage eindeutig und deutlich hervorgehoben seinen Vor- und Zunamen: E. Die Berufung und der Berufungsantrag seien mit Stempel und eigenhändiger Unterschrift unterfertigt worden. Der Stempel am Ende der Berufung weise deutlich hervorgehoben den Vornamen und den Zunamen des Beschwerdeführers aus. Die Unterschrift des Beschwerdeführers sei deutlich zu lesen. In keiner Weise finde sich ein Hinweis, daß hier eine "Firma" handelnde Person sein könnte.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11625/A) hätte die belangte Behörde, wenn tatsächlich Probleme aufgetreten wären, wem die eingebrachte Berufung zuzurechnen sei, gemäß § 37 AVG die Pflicht gehabt, Ermittlungen darüber anzustellen.
In ihrer Gegenschrift widerspricht die belangte Behörde dem dargestellten Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers nicht, sondern bringt lediglich vor, für die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Bewertung des Berufungswerbers als einer Firma sei der Kopf und die Fertigung des Berufungsschriftsatzes maßgebend gewesen, "welche nicht anders denn als
- möglicherweise unprotokollierte - Einzelfirma gedeutet werden können". Der Beschwerde sei jedoch zuzugestehen, daß es sich hiebei um einen Grenzfall handle.
Vorweg ist festzuhalten, daß der angefochtene Bescheid in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers eingreift, weil er - implizit - auch die Entscheidung darüber enthält, daß die erwähnte Berufung nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11625/A). Die Beschwerde ist daher zulässig. Sie ist auch begründet.
Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach dargetan, daß die Firma eines Einzelkaufmannes nur Kennzeichen des Unternehmens ist, dessen Rechtsträger der Kaufmann als physische Person ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1991, Zl. 91/04/0119).
Die Frage, ob eine unzulässige Berufung im Sinne der vorerwähnten hg. Rechtssprechung vorliegt, war im Beschwerdefall jedoch noch nicht zu lösen, weil VORERST zu klären gewesen wäre, ob es sich bei der im Berufungsschriftsatz verwendeten Bezeichnung überhaupt um eine Firma eines Einzelkaufmannes gehandelt hat. Daß diesbezüglich eine Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes durchgeführt worden bzw. gar nicht erforderlich sei, weil er im Grunde des § 56 AVG von vornherein klar gegeben sei, wird selbst in der Gegenschrift von der belangten Behörde nicht behauptet.
Abgesehen davon hat der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984 die Ansicht vertreten, daß dann, wenn nicht eindeutig klar ist, wem eine Berufung zuzurechnen ist, die Behörde verpflichtet ist, sich in einem derartigen Zweifelsfall Klarheit darüber zu verschaffen, WER Rechtsmittelwerber ist. Für die Annahme, der Beschwerdeführer sei als Berufungswerber anzusehen, sprach im vorliegenden Fall, daß die im Berufungsschriftsatz gewählte Bezeichnung samt Anschrift (zumindest auch) auf die Person des Beschwerdeführers hinwies sowie daß dieser Bezeichnung das Wort "Firma" gar nicht vorangestellt wurde. Abgesehen davon, wird im Berufungsschriftsatz auch die "Ich-Form" gebraucht. Die belangte Behörde konnte derart jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgehen, diese Berufung sei nicht dem Beschwerdeführer persönlich zuzurechnen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß es einer weiteren Auseinandersetzung des Beschwerdevorbringens bedurfte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991040245.X00Im RIS seit
25.02.1992Zuletzt aktualisiert am
07.12.2011