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55 WirtschaftslenkungNorm
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt / WillkürLeitsatz
Grundsätzliche Verkennung der für die Erteilung von Einfuhrbewilligungen maßgebenden Rechtslage; Vorliegen eines entsprechenden Bedarfs nicht Voraussetzung für die Bewilligung konkreter Einfuhranträge; Unterlassung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens; Bescheidbegründung ohne Begründungswert; WillkürSpruch
1. beschlossen:
Die Beschwerden der H Gesellschaft mbH, des H H und der G H werden zurückgewiesen.
2. Gemäß Art144 B-VG zu Recht erkannt:
Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft H & Co ist durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.
Die Bescheide werden daher aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen des Beschwerdevertreters die mit S 88.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Kommanditgesellschaft H & Co suchte in den Monaten Jänner und Februar 1988 bei der belangten Behörde mehrfach um Bewilligung der Einfuhr von je 10 Tonnen "Sibiu"-Salami an. Diese Ansuchen wurden durchwegs, zuletzt mit Bescheid der belangten Behörde vom 4.3.1988 rechtskräftig abgewiesen.
In ihrer Sitzung vom 1.3.1988 hat die Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft gemäß §5 Abs2 und 3 des Viehwirtschaftsgesetzes 1983, BGBl. 621, in der Fassung der Novellen BGBl. 264/1984 und 325/1987, ein allgemeines Einfuhrverfahren für den Import von Salami, Qualität der Marke "Sibiu", in der Zeit vom 1.3. bis 30.4.1988 beschlossen. In der darauf gestützten 16. Öffentlichen Bekanntmachung für den Import von Salami, Marke "Sibiu", kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 1.3.1988,
16. Stück, Jahrgang 1988 wurden u.a. folgende Grundsätze festgelegt:
"1) Importmenge und Zuteilung
1.1. Es wird der Import von Salami bis zur Erschöpfung der Gesamtmenge von 4 to im Sinne der Warenbezeichnung gemäß Punkt 2) bewilligt.
1.2. Soferne die Gesamtmenge der beantragten Einfuhrmengen die Mengen von 4 to überschreitet, werden bei der Zuschlagserteilung die Einfuhrmengen unter Bedachtnahme auf die bisherigen Importleistungen aller Antragsteller bei Salami der Marke 'Sibiu' im Zeitraum vom 1.1.1987 bis 31.12.1987 anteilsmäßig gekürzt".
2. Die nunmehr beschwerdeführende Kommanditgesellschaft H & Co stellte daraufhin am 7.3., 14.3., 21.3., 28.3., 5.4., 11.4., 18.4. und 25.4.1988 neuerlich Anträge um Bewilligung der Einfuhr von je 10 t "Sibiu"-Salami. Diese Anträge wurden von der belangten Behörde jeweils mit Bescheid vom 26.5.1988 unter den Zlen. 37.779/152, 164, 188, 209, 211, 241, 250 und 278 - III/B/7/88, abgewiesen. Sämtliche Bescheide wurden gleichlautend damit begründet,
"daß angesichts der gegenwärtigen inländischen Produktions- und Versorgungsverhältnisse derzeit kein volkswirtschaftlicher Bedarf nach den ... beantragten Einfuhren festgestellt werden kann, weil der Bedarf derzeit aus der inländischen Produktion gedeckt werden kann und daß darüber hinaus im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des §5 Abs6 VWG (Geringfügigkeit der Menge oder des Wertes) für eine Bewilligungserteilung nicht gegeben sind."
3. In ihren ebenfalls gleichlautenden Beschwerden gemäß Art144 B-VG gegen die genannten Bescheide der Unterkommission erachten sich die Kommanditgesellschaft H & Co, deren persönlich haftende Gesellschafterin H Gesellschaft mbH und deren Kommanditisten H H und G H als Beschwerdeführer als in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die behauptete Gleichheitsverletzung wird damit begründet, daß sowohl das Verfahren als auch die von der belangten Behörde erlassenen Bescheide qualifiziert mangelhaft seien. Wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen erachten sich die Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide deshalb als verletzt, weil der mögliche Ausschluß neuer Importeure durch §5 Abs3 letzter Satz Viehwirtschaftsgesetz 1983 dem Gleichheitssatz widerspreche und aus diesem Grunde auch die Einschränkung in Punkt 1) 1.2. der 16. Öffentlichen Bekanntmachung gesetzwidrig sei.
4. Die belangte Behörde beantragt in ihren gleichlautenden Gegenschriften vom 19.8.1988, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen. Sie legt darin dar, daß angesichts der Gewährleistung der Versorgung mit Salami durch die österreichische Fleischwarenindustrie ein Importbedarf nur insofern bestehe, "als die Konsumenten neben österreichischer Salami gelegentlich auch ausländische Produkte nachfragen. Daher werden geringere Mengen ungarischer und rumänischer Salami importiert. Die Festsetzung dieser Menge erfolgt durch die Vieh- und Fleischkommission aufgrund der Beobachtungen des Marktes."
Nach Hinweis auf das von der Kommission mit ihrer
16. Öffentlichen Bekanntmachung veranlaßte allgemeine Einfuhrverfahren nach §5 Abs3 Viehwirtschaftsgesetz 1983 wird in der Gegenschrift ausgeführt, daß die Beschwerdeführer keinen einzigen Antrag auf Grund dieser Öffentlichen Bekanntmachung gestellt hätten. Ihre Anträge gingen vielmehr nach Meinung der belangten Behörde alle in die Richtung, "ihnen außerhalb des Verfahrens Importe zu genehmigen." Die Erteilung von Einfuhrbewilligungen außerhalb des Verfahrens wäre aber nach Meinung der belangten Behörde gesetzwidrig gewesen, "da sie gegen §2 Abs1 und gegen §5 Abs2 des Viehwirtschaftsgesetzes verstoßen hätte."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat die zu B1248-1250/88, B1267-1269/88 sowie B1275 und 1276/88 protokollierten Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die angefochtenen Bescheide sind an die "Firma H & Co", sohin an die Kommanditgesellschaft gerichtet, deren Anträge dadurch abgewiesen wurden. Die Kommanditgesellschaft H & Co ist daher zur Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof legitimiert. Deren Beschwerden sind insgesamt zulässig, da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen.
Die Beschwerden der H Gesellschaft mbH sowie des H H und der G H sind hingegen mangels Legitimation zurückzuweisen, weil keiner dieser Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide unmittelbar betroffen wurde (vgl. VfGH v. 5.10.1988, B989, 1181, 1455/87).
2. a. Eine Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, welche die beschwerdeführende Partei H & Co den angefochtenen Bescheiden zur Last legt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 10413/1985) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat; ein in die Verfassungssphäre eingreifendes willkürliches Verhalten der Behörde liegt aber auch in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt (vgl. VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtssprechung; VfSlg. 9276/1983, 10338/1985; VfGH v. 5.10.1988, B989/87, 1181, 1455/87).
b. Gemäß §5 Abs1 Viehwirtschaftsgesetz 1983 bedürfen Einfuhren der in §1 genannten Waren (darunter fällt gemäß §1 Abs3 Tarif Nr. 1601 00 A auch "Salami") aus dem Zollausland der Bewilligung der Kommission. Deren Zuständigkeit wurde durch die - unbedenkliche (VfGH v. 5.10.1988, B989, 1181, 1455/87) - Verordnung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 3.2.1987 (kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Vieh- und Fleischkommission vom 3.2.1987, Jg. 1987, 9. Stück) der Unterkommission der Vieh- und Fleischkommission übertragen, welche auch die angefochtenen Bescheide erlassen hat.
Für die Bewilligung von Einfuhren sehen die Abs2, 3, 4 und 6 des §5 Viehwirtschaftsgesetz 1983 verschiedene Verfahren vor: Das allgemeine Einfuhrverfahren gemäß §5 Abs3 Viehwirtschaftsgesetz 1983, das Aufforderungsverfahren gemäß §5 Abs4 Viehwirtschaftsgesetz 1983 und die unabhängig vom allgemeinen Einfuhr- und vom Aufforderungsverfahren vorgesehene Erteilung von Einfuhrbewilligungen gemäß §5 Abs6 Viehwirtschaftsgesetz 1983. Die Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Einfuhrbewilligung mangels "volkswirtschaftlichen Bedarfs" kennt das Viehwirtschaftsgesetz 1983 nicht. Eine Abweisung kommt vielmehr nur dann und insoweit in Betracht, als weder die Voraussetzungen des allgemeinen Einfuhrverfahrens gemäß §5 Abs3 Viehwirtschaftsgesetz 1983, noch die Voraussetzungen eines Aufforderungsverfahrens gemäß §5 Abs4 Viehwirtschaftsgesetz 1983, noch die Voraussetzungen gemäß §5 Abs6 Viehwirtschaftsgesetz 1983 vorliegen.
Die Unterkommission hat diese Rechtslage grundsätzlich verkannt, wenn sie in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Abweisung des Antrages der beschwerdeführenden Gesellschaft darauf stützt, daß "derzeit kein volkswirtschaftlicher Bedarf nach dem von ihnen beantragten Einfuhren festgestellt werden kann" und wenn sie darüber hinaus in der Gegenschrift die Behauptung aufstellt, daß die Beschwerdeführer "keinen einzigen Antrag auf Grund dieser öffentlichen Bekanntmachung (nämlich der
16. Öffentlichen Bekanntmachung vom 1. März 1988 der Vieh- und Fleischkommission über das allgemeine Einfuhrverfahren für den Import von Salami, Marke 'Sibiu') gestellt" hätte. §5 Abs2 Viehwirtschaftsgesetz 1983 verlangt zwar, daß die Kommission ein allgemeines Einfuhrverfahren gemäß Abs3 vorzusehen und durch öffentliche Bekanntmachung zu regeln hat, "soweit es die Stabilität der Preise ... und die Bedarfslage erfordern". Hingegen bildet ein entsprechender Bedarf keineswegs eine Voraussetzung für die Bewilligung konkreter Einfuhranträge. Vielmehr sind "die Grundsätze der Bewilligungserteilung" gemäß §5 Abs3 Viehwirtschaftsgesetz 1983 in der öffentlichen Bekanntmachung über das allgemeine Einfuhrverfahren festzulegen.
Angesichts dieser Rechtslage ist es auch bedeutungslos, ob ein Antrag auf Einfuhrbewilligung "auf Grund" einer öffentlichen Bekanntmachung über ein allgemeines Einfuhrverfahren gestellt wurde oder nicht. Die Behörde hat vielmehr einlangende Anträge nach Maßgabe ihrer öffentlichen Bekanntmachungen zu beurteilen, sofern nicht eine Einfuhrbewilligung für Mustersendungen und für Einfuhren geringer Mengen oder geringen Wertes gemäß §5 Abs6 Viehwirtschaftsgesetz 1983 in Betracht kommt.
Dieser völligen Verkennung der bestehenden Rechtslage durch die belangte Behörde entspricht es, daß diese ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die durch die 16. Öffentliche Bekanntmachung für den Import von Salami, Marke "Sibiu", vom 1.3.1988 geregelten Voraussetzungen einer Einfuhrbewilligung überhaupt unterlassen hat. Die Behörde hat weder eine Gesamtmenge der beantragten Einfuhrmengen an Salami der Marke "Sibiu" festgestellt, noch Überlegungen zur anteilsmäßigen Kürzung der beantragten Einfuhrmengen "unter Bedachtnahme auf die bisherigen Importleistungen" gemäß Punkt 1.1.2. der 16. Öffentlichen Bekanntmachung angestellt.
Im übrigen verstieß die belangte Behörde gegen ihre aus den §§58 Abs2 und 60 AVG 1950 erfließende verfahrensrechtliche Verpflichtung "die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen". Sie unterließ es nämlich schlechthin, der Antragstellerin gegenüber auch nur anzudeuten, in welchem Umstand das der begehrten Einfuhrbewilligung entgegenstehende materielle Hindernis überhaupt liegen könnte. Die bloße Bezugnahme auf die von der Unterkommission laut Begründung der angefochtenen Bescheide vertretene Auffassung, "daß angesichts der gegenwärtigen inländischen Produktions- und Versorgungsverhältnisse derzeit kein volkswirtschaftlicher Bedarf nach den ... beantragten Einfuhren festgestellt werden kann", erlaubt keinen Rückschluß auf die für die negative Entscheidung maßgeblichen Beweggründe der Behörde, zumal gleichzeitig gemäß §5 Abs2 und 3 des Viehwirtschaftsgesetzes 1983, - weil es sohin nach Meinung der Kommission ganz offenbar "die Bedarfslage erfordert(e)" - , ein allgemeines Einfuhrverfahren für den von der beschwerdeführenden Gesellschaft beantragten Import für die Zeit vom 1.3. bis 30.4.1988 beschlossen wurde. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 9293/1981, 10057/1984 und zuletzt in einem ähnlich gelagerten Fall zu §6 des Viehwirtschaftsgesetzes 1983 in seinem Erkenntnis vom 5.10.1988, B989, 1181, 1455/87, dargetan hat, liegt eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit des Bescheides auch dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen kein Begründungswert zukommt. Ein derartiger Fall ist auch hier gegeben.
Die angefochtenen Bescheide waren sohin wegen Verletzung des Gleichheitsrechtes aufzuheben, da die Behörde willkürlich dadurch handelte, daß sie nicht nur die durch §5 Abs2, 3, 4 und 6 Viehwirtschaftsgesetz 1983 geschaffene Rechtslage im grundsätzlichen verkannt, sondern auch ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unterlassen und nicht zuletzt die angefochtenen Bescheide völlig unzureichend und mangelhaft begründet hat.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von
S 8.000,- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Wirtschaftslenkung, Viehwirtschaft, Bescheidbegründung, Bedarfsprüfung, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1248.1988Dokumentnummer
JFT_10109378_88B01248_00