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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §2 Abs1 Z10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des Mag. P in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 27. Februar 1991, Zl. MA 70-10/256/91/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Kfz-Lenker am 21. Dezember 1989 um 08.07 Uhr in Wien 7., Stiftgasse 4, ein Kraftfahrzeug mit vier Rädern auf dem Gehsteig abgestellt gehabt und diesen somit vorschriftswidrig verwendet. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Was die Tatortumschreibung anlangt, die der Beschwerdeführer in seiner Äußerung zur Gegenschrift für unpräzise hält, so hegt der Verwaltungsgerichtshof hiegegen - anders als im Falle des vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0051 - keine Bedenken. Der Beschwerdeführer gesteht selbst zu, sein Fahrzeug am Tatort abgestellt zu haben. Es ist nach der Aktenlage unbestritten, daß dieser vor dem Haus Stiftgasse 4 "zwischen den Bäumen" gelegen war. Strittig ist lediglich die rechtliche Qualifikation des Abstellortes als Gehsteig. Der Gerichtshof ist daher im Lichte seiner Rechtsprechung zu § 44a Z. 1 VStG (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A) nicht der Ansicht, daß der Beschwerdeführer durch die eingangs wiedergegebene Tatortumschreibung in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wäre.
Bei der Beurteilung der strittigen Rechtsfrage ist davon auszugehen, daß gemäß der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 10 StVO unter Gehsteig ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dergleichen abgegrenzter Teil der Straße zu verstehen ist. Die Bestimmung eines Teiles der Straße für den Fußgängerverkehr richtet sich ausschließlich nach den äußeren Merkmalen, die für jedermann deutlich erkennbar sind (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0051).
Hiezu hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber keine Feststellungen getroffen. Sie hat sich lediglich auf die Benennung als Gehsteig durch den Meldungsleger in der Organstrafverfügung sowie auf die Rechtsmeinungen zweier Magistratsabteilungen berufen. Eine Nachprüfung der Auffassung der belangten Behörde ist dem Verwaltungsgerichtshof aber ohne Klärung der örtlichen Verhältnisse nicht möglich. Hiezu hätte es entweder der Durchführung des vom Beschwerdeführer beantragten Lokalaugenscheines oder etwa der Zeugenvernehmung des Meldungslegers über die äußeren Merkmale des Tatortes in Verbindung mit Lichtbildern bzw. einer Lageskizze bedurft (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 89/02/0108). Daß der Tatort seit der Tatzeit (baulich) verändert worden wäre, ergibt sich aus den Verwaltungsakten nicht. Die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegte Handskizze ist als Beurteilungsgrundlage ebenso unzureichend wie der von der belangten Behörde eingeholte Auszug aus dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan.
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020078.X00Im RIS seit
12.06.2001