TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/27 92/02/0083

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Veröffentlicht am 27.02.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
B-VG Art140a;
B-VG Art44 Abs1;
B-VG Art50 Abs2;
MRK Art5;
MRK Art6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Juli 1991, Zl. I/7-St-St-9133, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 20. Juli 1990 um 23.15 Uhr an einem bestimmten Ort in Kierling als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws im Ortsgebiet schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren (Radarmessung: 101 km/h). Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet, den gegenständlichen Pkw gelenkt zu haben. Damit bekämpft er die Beweiswürdigung der belangten Behörde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h., ob sie unter anderen den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß zum Beispiel eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Hievon ausgehend hält der angefochtene Bescheid der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle aber stand:

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, daß die Mitteilung des Bezirkspolizeikommissariates Leopoldstadt vom 20. September 1990 untauglich ist, seine Lenkereigenschaft zu erweisen, weil daraus nicht ersichtlich ist, wie das Ausforschungsergebnis zustande kam - mag es auch naheliegen, daß es sich hiebei um das Resultat der zuvor an den Zulassungsbesitzer gerichteten Anfrage gemäß § 103 Abs. 2 KFG handelte. Ob in dieser Mitteilung Beruf und Familienstand des Beschwerdeführers richtig angegeben wurden, ist unerheblich.

Der Beschwerdeführer hat im erstinstanzlichen Verfahren auf Ladungen nicht reagiert und erstmals in seiner Berufung behauptet, nicht der Lenker gewesen zu sein. Er habe das Fahrzeug zwar vom Zulassungsbesitzer geliehen bekommen, es jedoch ohne dessen Wissen an M.S. weitergegeben, dessen Anschrift er nur unvollständig (Straße ohne Hausnummer) bekannt gab. Eine Meldeanfrage der Behörde ergab, daß M.S. bereits seit 5. Oktober 1989 (somit vor der Tatzeit) aus dieser Straße verzogen und derzeit in Wien nicht gemeldet ist. Dem Beschwerdeführer wurde im Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben, eine neue Adresse oder den Arbeitsplatz zu nennen, wozu er jedoch nicht in der Lage war.

Es ist zwar richtig, daß keine Zeugenaussage vorliegt, der zufolge der Beschwerdeführer der Lenker gewesen ist. Ein Beweis kann im Verwaltungsstrafverfahren aber auch durch Indizien erbracht werden. Ein solches - gewichtiges - Indiz lag im unbestrittenen Umstand, daß dem Beschwerdeführer der Pkw zur Tatzeit vom Zulassungsbesitzer zur Benützung überlassen worden war. Wenn die belangte Behörde die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers bejaht hat, war dies im Hinblick auf den genannten Umstand, weiters im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer die Lenkereigenschaft im erstinstanzlichen Verfahren nicht bestritt und daß die sodann im Berufungsverfahren geltend gemachte Weitergabe an einen Dritten nicht nachgewiesen werden konnte, nicht unschlüssig.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf Art. 6 MRK bezieht, ist auf die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hinzuweisen, wonach der von der Republik Österreich zu Art. 5 MRK samt Zusatzprotokoll erklärte Vorbehalt im Verfassungsrang steht; dieser Vorbehalt schließt für die unter die darin zitierten Verwaltungsstrafgesetze fallenden Verfahren auch die Anwendung des Art. 6 MRK aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 1991, Zlen. 91/18/0050, 0051).

Wenn der Beschwerdeführer rügt, es sei kein Belastungszeuge ermittelt worden (den er hätte befragen können), so kamen hiefür nach der Aktenlage nur der Zulassungsbesitzer und der angebliche Lenker in Frage. Die Vernehmung des Zulassungsbesitzers war entbehrlich, weil der Beschwerdeführer ohnehin zugab, von ihm das Fahrzeug überlassen bekommen zu haben und er nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers von der angeblichen Weitergabe an M.S. nichts wußte. M.S. wiederum konnte nicht vernommen werden, weil der Beschwerdeführer keine geeignete Zustellanschrift bekannt gab und auch der Behörde die Ausforschung nicht gelang. Mit dem Beschwerdevorbringen, es hätte ihm eine Nachfrist zur Bekanntgabe der fehlenden Adresse eingeräumt werden müssen, kann der Beschwerdeführer einen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentlichen Verfahrensmangel schon deshalb nicht aufzeigen, weil er nicht einmal in der Beschwerde eine Adresse des M.S. nennen kann.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel Indizienbeweise indirekter Beweis Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020083.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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