TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/27 92/02/0036

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Veröffentlicht am 27.02.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
AVG §53 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 6. September 1990, Zl. MA 70-11/226/90/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, soweit mit ihm eine Verwaltungsstrafe verhängt und die Entrichtung eines Verfahrenskostenbeitrages vorgeschrieben wird. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem näher bezeichneten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden beteiligt gewesen und habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Sicherheitsdienststelle von diesem Unfall zu verständigen. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung 1960 begangen. Über ihn wurde gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 eine Geldstrafe von S 2.000,-- (drei Tage Ersatzarrest) verhängt. Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Einstellung des Strafverfahrens wegen einer anderen Übertretung der StVO 1960 ist nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Anfechtung Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Ausspruches. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, zur Tatzeit am Tatort mit dem im Spruch genannten Kraftfahrzeug aus einer Parklücke ausgeparkt zu haben, er bestreitet jedoch, dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht zu haben. Die am Kraftfahrzeug des Anzeigers festgestellten Schäden rührten nicht von einem Anstoß seines Kraftfahrzeuges her.

Er bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diesbezüglich ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob der Sachverhalt vollständig erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen schlüssig sind. Ob hingegen die Beweiswürdigung in dem Sinne richtig ist, daß etwa die Verantwortung des Beschuldigten und nicht eine diesen belastende Version den Tatsachen entspricht, ist der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Die belangte Behörde stützte ihre Annahme der Verursachung der festgestellten Schäden durch einen Anstoß des vom Beschwerdeführer gelenkten Pkws beim Rückwärtsfahren im Zuge eines Ausparkmanövers einerseits auf die Aussage eines Zeugen, der von der gegenüberliegenden Straßenseite einen Anstoß optisch und akustisch wahrgenommen habe (das geschädigte Kfz habe nach dem Anstoß geschaukelt, das Kollisionsgeräusch sei vernehmbar gewesen, jedoch nicht sehr stark). Die Beschädigungen habe er selbst wahrgenommen. Ferner sagte ein technischer Amtssachverständiger der Magistratsabteilung 46 nach Besichtigung des beschädigten Pkws aus, daß diese Schäden von einem Kraftfahrzeug der Type, wie sie vom Beschwerdeführer zur Tatzeit gelenkt worden sei, herrühren könnten. Dies gelte auch, wenn man berücksichtige, daß am Fahrzeug des Beschwerdeführers keine Beschädigungen festgestellt worden seien. Die Kontaktnahme wäre auch für den Beschwerdeführer wahrnehmbar gewesen.

Dagegen hätten die beiden vom Beschwerdeführer geführten Entlastungszeugen - Angestellte des Beschwerdeführers, die sich kurz vor der Tatzeit mit dem Beschwerdeführer in der Nähe des Tatortes befunden hätten - keine Wahrnehmungen im entscheidenden Augenblick des Parkmanövers des Beschwerdeführers gemacht.

Diese Beweiswürdigung ist im Lichte der dargestellten eingeschränkten Kontrollbefugnis unbedenklich. Es ist keineswegs unschlüssig, von der Verursachung der Schäden durch den Beschwerdeführer auszugehen, wenn einerseits der einzige Zeuge des Ausparkmanövers von einem Anstoß mit deutlich wahrnehmbaren Auswirkungen auf das gegenbeteiligte Kraftfahrzeug in Form von Schaukeln und Anstoßgeräusch berichtet, und andererseits ein technischer Sachverständiger die Möglichkeit der Verursachung der festgestellten Schäden durch einen solchen Anstoß bejaht.

Das Beschwerdevorbringen vermag daran nichts zu ändern. Es setzt sich lediglich mit dem Sachverständigengutachten auseinander und bemängelt die Unterlassung der Einholung eines Gutachtens eines gerichtlich beeideten Sachverständigen anstelle eines "ipso iure weisungsgebundenen Magistratsbeamten", der "noch dazu der gleichen Körperschaft wie die belangte Behörde selbst angehört". Der Beschwerdeführer übersieht damit, daß nach § 52 Abs. 1 AVG die Behörde grundsätzlich einen Amtssachverständigen heranzuziehen hat. Daß es mit Rücksicht des Falles geboten gewesen wäre, im Sinne des § 52 Abs.2 AVG einen anderen Sachverständigen heranzuziehen, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Die Zugehörigkeit des Sachverständigen zur Behörde ist jedenfalls im Anwendungsbereich des AVG kein taugliches Argument zur Infragestellung eines Sachverständigengutachtens. Dazu kommt, daß die belangte Behörde ihren Amtssachverständigen bestellt hat, um die Richtigkeit der Annahmen der Erstbehörde, der Bundespolizeidirektion Wien, also einer Behörde eines anderen Rechtsträgers, zu überprüfen. Von einer "(Partei)-Zugehörigkeit" des Sachverständigen kann unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls nicht gesprochen werden.

2. Die Erstbehörde hat in Verkennung der Rechtslage die in Rede stehende Verwaltungsstrafe in Handhabung des § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 bemessen und mit S 2.000,-- (drei Tage Ersatzarrest) festgestetzt. Die belangte Behörde hat zwar erkannt, daß bei Übertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 die Strafbestimmung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 zur Anwendung zu gelangen hat. Sie hat aber ungeachtet des Umstandes, daß der Strafrahmen des § 99 Abs.3 lit. a StVO 1960 nur bis zu einer Höchststrafe von S 10.000,-- reicht, während die Höchststrafe nach § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 S 30.000,-- beträgt, die über den Beschwerdeführer verhängte Strafe unverändert bestätigt. Das hätte aber einer näheren Begründung bedurft.

3. Der angefochtene Bescheid ist daher hinsichtlich der Strafbemessung und der damit im Zusammenhang stehenden Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrages gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Hinsichtlich des Schuldspruches war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren im Ausmaß von S 1,-- war abzuweisen, weil der Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung S 11.120,-- beträgt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020036.X00

Im RIS seit

25.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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