TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/27 92/02/0054

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Veröffentlicht am 27.02.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VStG §51 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/02/0055

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. des J in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Februar 1990, Zl. MA 70-10/1021/89/Str, betreffend Zurückweisung einer Berufung, 2. der V in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landeshauptmannes von Wien vom 21. Februar 1990, Zl. MA 70-10/1017/89/Str, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Beide Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Februar 1990, Zl. MA 70-10/1021/89/Str, wurde die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. April 1989 gemäß § 51 Abs. 1 VStG 1950 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen.

2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Februar 1990, Zl. MA 70-10/1017/89/Str, wurde die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. April 1989 gemäß § 51 Abs. 1 VStG 1950 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen. Entsprechend den inhaltlich gleichlautenden Begründungen der beiden angefochtenen Bescheide wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die erstbehördlichen Straferkenntnisse durch einen Rechtsanwalt eingebracht, der eine Strafvollmacht beigebracht habe, welche ihn nur zur Vertretung vor allen Strafgerichten, nicht jedoch vor Verwaltungsbehörden bevollmächtigt habe. Das daraufhin von der belangten Behörde eingeleitete Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG 1950 sei erfolglos geblieben.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsstrafverfahren vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerden beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden. Er hat erwogen:

Die belangte Behörde macht in ihren Gegenschriften geltend, die angefochtenen Bescheide seien dem Rechtsanwalt der Beschwerdeführer ad personam zugestellt worden. Dieser sei unzweideutig Bescheidadressat und nicht die Beschwerdeführer. Parteistellung vor dem Verwaltungsgerichtshof komme daher ausschließlich ersterem zu.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aus folgenden Gründen nicht zu einer Zurückweisung der Beschwerde veranlaßt:

Die Berechtigung zur Erhebung einer auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützten Beschwerde ist immer dann gegeben, wenn (zumindest) die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem subjektiven Recht verletzt wurde. Ist eine solche Rechtsverletzungsmöglichkeit gegeben, besteht die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde unabhängig davon, ob dem Beschwerdeführer im zugrundeliegenden Verwaltungs(straf)verfahren Parteistellung eingeräumt wurde.

Die Beschwerdeführer erachten sich im vorliegenden Verfahren nach ihrem gesamten Vorbringen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11.525/A) in dem Recht auf materielle Erledigung ihrer durch ihren Rechtsfreund eingebrachten Berufungen verletzt. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß die Beschwerdeführer durch den die fraglichen Berufungen zurückweisenden Abspruch der angefochtenen Bescheide in diesem Recht verletzt wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1991, Zl. 91/04/0137 und die dort zitierte hg. Vorjudikatur). Sie sind daher zur Erhebung der in Rede stehenden Beschwerden berechtigt.

In Ausführung des geltend gemachten Beschwerdepunktes meinen die Beschwerdeführer in ihren gleichlautenden Beschwerden, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die im Zuge der Verwaltungsstrafverfahren vorgelegten Vollmachtsurkunden den Einschreiter nicht zur Vertretung vor Verwaltungsbehörden bevollmächtigten, weil sich darinnen auch die Worte: "Bescheide und Zustellungen jeder Art .... anzunehmen ...." fänden.

Dieser Rechtsansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.

Das in beiden Fällen zum Vollmachtsnachweis verwendete Formular hat folgenden Wortlaut:

    "Strafvollmacht welcher .... Endesgefertigte ....

Herrn/Frau Rechtsanwalt Dr. G .... Verteidiger in Strafsachen

bevollmächtige(n), mich (uns) in allen meinen (unseren) von öffentl. Anklage verfolgten Angelegenheiten vor allen Strafgerichten zu vertreten, Bescheide und Zustellungen jeder Art für mich (uns) anzunehmen, Anträge zu stellen und zurückzuziehen, Beschwerden, Berufungen und Nichtigkeitsbeschwerden anzumelden, auszuführen und zurückzuziehen, über die Berufungen oder Nichtigkeitsbeschwerden vor dem Berufungsgericht, resp. Obersten Gerichtshof zu vertreten, Frist- sowie Vertagungsgesuche einzubringen, Wiederaufnahmen anzusuchen und alle jene Vorkehrungen zu treffen, welche das Gesetz vom 23. Mai 1873, R.-G.-Bl. Nr. 119, und dessen Nachträge zulassen. ...."

Es kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Verwendung des Wortes "Bescheide" als Hinweis auf Verwaltungsstrafverfahren verstanden werden kann, weil selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, daraus, wie sich aus dem Zusammenhang der Worte ergibt, bestenfalls eine Zustellbevollmächtigung (arg.: Bescheide .... anzunehmen) abgeleitet werden könnte.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, die vom Vertreter der Beschwerdeführer im Zuge der Verwaltungsstrafverfahren vorgelegten Urkunden sei nicht geeignet, seine Bevollmächtigung durch die Beschwerdeführer zur Erhebung der in Rede stehenden Berufungen nachzuweisen, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Da sich die Beschwerden somit als nicht berechtigt erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Formgebrechen behebbare Vollmachtsvorlage Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020054.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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