Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. Oktober 1991, Zl. I/7-St-St-20124, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach der StVO für schuldig befunden und hiefür bestraft. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid wegen Verstoßes gegen die Vorschrift des § 51 Abs. 5 VStG für rechtswidrig, weil dieser nicht innerhalb eines Jahres ab Einbringung der Berufung erlassen (zugestellt) worden sei.
Damit ist er im Recht:
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung seit dem Erkenntnis vom 10. Juni 1985, Slg. Nr. 11 790/A, läuft die im § 51 Abs. 5 VStG normierte Frist ab dem Einlangen der Berufung bei der Behörde erster Instanz. Im Beschwerdefall war dies der 6. November 1990, sodaß die erwähnte Frist am 6. November 1991 geendet hat. Eine rechtswirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides innerhalb dieser Frist ist nicht durchgeführt worden: Dies deshalb, weil die Zustellung nicht zu Handen der beiden ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers, sondern fristgemäß nur direkt an den Beschwerdeführer (am 10. Oktober 1991 im Wege der Ersatzzustellung) erfolgte.
Wohl sieht § 9 Abs. 1 Zustellgesetz für den Fall, daß der Bevollmächtigte nicht als Empfänger bezeichnet wurde, eine Sanierung dieses Zustellmangels in dem Zeitpunkt vor, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Für eine solche Sanierung innerhalb der Frist des § 51 Abs. 5 VStG fehlen allerdings im Beschwerdefall Anhaltspunkte. Im übrigen geht aus einem von den Vertretern des Beschwerdeführers verfaßten Schriftsatz vom 7. November 1991 hervor, daß diesen bis zu diesem Zeitpunkt keine Berufungsentscheidung zugestellt worden sei.
Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift vorbringt, es wäre eine Auslegung des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz dahin denkbar, daß diese als "reine Zustellungsanordnung" anzusehen sei, so vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen, da aus dem zweiten Satz § 9 Abs. 1 Zustellgesetz zweifelsfrei zu entnehmen ist, daß die Zustellung erst mit dem Zukommen des Schriftstückes an den Zustellungsbevollmächtigten vollzogen ist, was bedeutet, daß die vorherige Zustellung unter Umgehung des Zustellungsbevollmächtigten als rechtsunwirksam anzusehen ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1991, Zl. 88/18/0012). Damit aber ist auch erst zum Zeitpunkt der Sanierung des Zustellmangels von der Erlassung des Bescheides auszugehen, zumal es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht (vgl. etwa den B. vom 7. April 1964, Slg. Nr. 6289/A), daß ein schriftlicher Bescheid mit seiner Zustellung als erlassen anzusehen ist.
Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift weiters vorbringt, vorerst liege lediglich eine Behauptung des Beschwerdeführers in Hinsicht auf die Nichteinhaltung der Frist des § 51 Abs. 5 VStG vor, so genügt der Hinweis, daß sich Anhaltspunkte für eine Sanierung des Zustellmangels vor dem Ende der erwähnten Frist nicht bieten.
Durch den Ablauf der Jahresfrist des § 51 Abs. 5 VStG trat das erstinstanzliche Straferkenntnis in dem Sinne außer Kraft, daß es als aufgehoben galt. Ungeachtet dessen entschied die belangte Behörde meritorisch über die Berufung, diese Entscheidung war verfehlt, weil ihr das sachliche Substrat fehlte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. März 1991, Zl. 90/02/0188).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Ziffer 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020018.X00Im RIS seit
27.02.1992