TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/27 91/02/0124

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Veröffentlicht am 27.02.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
ZustG;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, in der Beschwerdesache des EM in F, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 20. August 1991, Zl. VI/2-2957/1-1990, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid vom 20. August 1991 wies der Landeshauptmann von Burgenland die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 11. Oktober 1990 wegen Übertretung des KFG 1967 als verspätet zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe bereits im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens vorgebracht, er habe sich im Zeitpunkt der Zustellung des erstbehördlichen Straferkenntnisses in einem derartigen Gesundheitszustand befunden, daß er nicht in der Lage gewesen sei, auf Vorgänge zu reagieren bzw. diese überhaupt wahrzunehmen oder sie in ihrer Bedeutung richtig wahrzunehmen. Seine Mutter sei zum fraglichen Zeitpunkt im Begriff gewesen, ihn zur stationären Aufnahme und Behandlung in das Anton Proksch-Institut nach Wien zu bringen. Der Briefträger habe ihm, wie ihm seine Mutter berichtet habe, kurz vor der Abfahrt durch das geöffnete Autofenster den fraglichen RSa-Brief übergeben. Ohne sich über die Bedeutung seines Handelns überhaupt im klaren zu sein, habe er das ihm präsentierte Schriftstück unterschrieben. Seine Mutter habe es sodann in der Garage deponiert. Erst anläßlich der nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgten Rückkehr aus dem Anton Proksch-Institut habe er zu Hause das fragliche Schriftstück vorgefunden und sofort die Berufung verfaßt. Er sei daher im Zeitpunkt der Zustellung handlungsunfähig gewesen, weshalb die Zustellung rechtsunwirksam gewesen sei.

Die belangte Behörde hält diesem Vorbringen in der Gegenschrift entgegen, es träfe zwar zu, daß der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens einen derartigen Sachverhalt vorgebracht habe, doch habe er damals nicht geltend gemacht, er sei im Zustellungszeitpunkt handlungsunfähig gewesen. Er habe vielmehr gestützt auf dieses Vorbringen ein Vorgehen der Behörde nach § 71 Abs. 1 AVG beantragt. Da die belangte Behörde zur Entscheidung über diesen Wiedereinsetzungsantrag nicht berufen gewesen sei, sei daher im angefochtenen Bescheid auch auf dieses Vorbringen nicht eingegangen worden.

Das fragliche Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 23. Dezember 1990 hat folgenden wesentlichen Wortlaut:

"Meine Mutter HM und meine Schwester C fuhren mit mir nach Rücksprache mit meinem Hausarzt Dr. S am 25.10.1990 um ca. 10 Uhr infolge eines akuten Schwächeanfalles ins Anton Proksch Institut nach Wien zwecks stationärer Aufnahme und Behandlung. Wie mir meine Mutter später berichtete übergab mir der Briefträger den RSa-Brief (Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg, Zl. 300-2146-1990) noch unmittelbar kurz vor der Abfahrt nach Wien. Sie deponierte diesen in weiterer Folge in der Garage meines Anwesens. Dieser ganze Sachverhalt wurde von mir, bedingt durch meinen akuten depr. Gesundheitszustand überhaupt nicht wahrgenommen (siehe meine entstellte Unterschrift auf dem Rückschein). Bedingt durch meinen Krankenaufenthalt konnte ich erst am 10.11.1990 für einen Tag nach Hause fahren, wo ich sofort die Berufung gegen das ob. Straferkenntnis verfaßte...".

Dieses Vorbringen kann in seinem Zusammenhang nicht anders verstanden werden, als daß der Beschwerdeführer damit geltend machte, der in Rede stehende Zustellvorgang sei ihm infolge einer gesundheitlichen Einschränkung nicht zu Bewußtsein gekommen und er sei daher auch nicht in der Lage gewesen, darauf zweckentsprechend zu reagieren. Auch wenn der Beschwerdeführer dieses Vorbringen im Zusammenhang mit einem in der Folge gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist erstattete, hätte die belangte Behörde im Rahme der ihr gemäß § 39 Abs. 2 AVG (§ 24 VStG) obliegenden Pflicht zur amtswegigen Verfahrensführung aus Anlaß dieses Vorbringens die Rechtswirksamkeit des in Rede stehenden Zustellvorganges zu überprüfen gehabt.

Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensverstoßes zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991. Das die Kosten des Verbesserungsschriftsatzes betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese Kosten nur durch die Mangelhaftigkeit der Beschwerde notwendig wurden. Außerdem war der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991020124.X00

Im RIS seit

27.02.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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