Norm
KVG 1934 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der F-GmbH in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. Juli 1991, Zl. GA 11-1528/90, betreffend Börsenumsatzssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin veräußerte mit Notariatsakt vom 27. November 1989 Geschäftsanteile an einer Gesellschaft m.b.H. an zwei Erwerber. Die für den Beschwerdefall bedeutsamen Punkte des Vertrages lauten wie folgt:
"II Die Übergeberin tritt den einer voll eingezahlten Stammeinlage von S 4,995.000,-- (in Worten: Schilling viermillionenneunhundertfünfundneunzigtausend) entsprechenden Geschäftsanteil an der S-GmbH an die L-GmbH ab und erklärt diese die Annahme des hiemit abgetretenen Geschäftsanteils zu einem beiderseits vereinbarten Abtretungsentgelt in Höhe von
S 190,809.000,-- (in Worten: Schilling einhunderneunzigmillionenachthundertneuntausend) und den einer voll einbezahlten Stammeinlage von S 5.000,-- (in Worten: Schilling fünftausend) entsprechenden Geschäftsanteil an die R-GmbH ab und erklärt diese die Annahme des hiemit abgetretenen Geschäftsanteils zu einem beiderseits vereinbarten Abtretungsentgelt von S 191.000,-- (in Worten: Schilling einhunderteinundneunzigtausend)."
"XII Dieser Vertrag wird rechtswirksam, wenn der gesamte Abtretungspreis sowohl für die Geschäftsanteile der S-GmbH als auch der K-GmbH bis längstens 30.11.1989, 14.00 Uhr, in Form eines mit 30.11.1989 einlösbaren Verrechnungsschecks bei Rechtsanwalt Dr. G übergeben wird."
Das Finanzamt forderte ausgehend von einem Gesamtkaufpreis von S 191 Millionen Börsenumsatzsteuer in Höhe von S 955.000,-- an.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der Begründung, der Notariatsakt vom 27. November 1989 sei zunächst aufschiebend bedingt abgeschlossen worden. Darauf sei das Finanzamt mit Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. B vom 1. Dezember 1989 ausdrücklich aufmerksam gemacht worden. Erst am 13. Dezember 1989 sei durch einen Nachtrag zum Abtretungsvertrag vom 27. November 1989 der ursprüngliche Vertrag in Wirksamkeit gesetzt worden. Dabei sei aber eine Preisreduktion um S 31 Millionen auf S 160 Millionen vorgenommen worden. Der ursprüngliche Preis von S 191 Millionen sei sohin nie in Kraft getreten. Steuermaßstab sei der vereinbarte Preis und wäre daher nur Börsenumsatzsteuer mit S 800.000,-- vorzuschreiben gewesen.
Die Präambel und der Punkt 1 des Nachtrages vom 13. Dezember 1989 lauten wie folgt:
"Präambel
Die F-GmbH hat mit Abtretungsvertrag vom 27.11.1989
(siebenundzwanzigsten November eintausendneunhundertneunundachtzig) den einer Stammeinlage von
S 5,000.000,-- (Schilling fünfmillionen) entsprechenden Geschäftsanteil an der S-GmbH an die Übernehmer, nämlich L-GmbH und R-GmbH, abgetreten; dieser Abtretungsvertrag ist in Form eines Notariatsaktes zur GZ 9523 (neuntausendfünfhundertdreiundzwanzig) des öffentlichen Notars Dr. J errichtet und am 30.11.1989 (dreißigsten November eintausendneunhundertneunundachtzig) dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien angezeigt worden. Dieser Vertrag wird in der Folge "Abtretungsvertrag" genannt. ...
1. Wirksamkeit
Der Abtretungsvertrag wird mit Unterfertigung dieses den Nachtrag enthaltenden Notariatsaktes in Wirksamkeit gesetzt und die aufschiebende Bedingung des Punktes XII des Abtretungsvertrages hat mit heutigem Tage zu entfallen, sodaß der Abtretungsvertrag heute in Wirksamkeit tritt."
Zuvor hatten die Parteien eine Verlängerung der ursprünglich in Punkt XII des Abtretungsvertrages festgelegten Frist auf den Tag des Abschlusses des Nachtrages vorgenommen.
Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und vertrat, insbesondere gestützt auf § 18 Abs. 2 Z. 3 KVG, rechtlich die Auffassung, die Steuerschuld entfalle nicht, wenn das Geschäft nicht zur Ausführung gelange, weil es nach seinem Abschluß wieder aufgehoben oder storniert worden sei. Eine nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises habe keine entsprechende Herabsetzung der Steuer zur Folge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Bemessung der Börsenumsatzsteuer ausgehend von einem Preis von S 160 Millionen verletzt; nur dieser Preis sei vereinbart worden, der Preis von S 191 Millionen hingegen sei "nicht in Kraft getreten".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 KVG unterliegt der Börsenumsatzsteuer u. a. der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere.
Gemäß § 18 Abs. 1 leg.cit. sind Anschaffungsgeschäfte entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind.
Nach Abs. 2 Z. 3 der letztzitierten Gesetzesstelle gelten als Anschaffungsgeschäfte auch bedingte oder befristete Anschaffungsgeschäfte.
Gemäß § 19 Abs. 2 KVG sind Geschäftsanteile an Gesellschaften m.b.H. Dividendenwerte und damit Wertpapiere i. S. des Gesetzes.
Die Steuer wird regelmäßig von dem vereinbarten Preis berechnet (§ 21 Z. 1 KVG).
Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, der Vertrag vom 27. November 1989 sei "noch nicht gültig gewesen", weshalb für den Betrag von S 191 Millionen keine Steuerpflicht entstanden wäre. Erst auf Grund des Nachtrages vom 13. Dezember 1989 sei ein Kaufpreis von S 160 Millionen festgelegt worden. Der vereinbarte Preis i.S. des § 21 KVG betrage daher S 160 Millionen.
Dem kann nicht gefolgt werden. In der Vorschrift des § 18 Abs. 2 Z. 3 KVG kommt - ebenso wie in der insoweit vergleichbaren Norm des § 17 Abs. 3 GebG - der für die Verkehrsteuern (ausgenommen früher § 20 GrEStG 1955 bzw. jetzt § 11 GrEStG 1987) geltende Grundsatz zum Ausdruck, daß die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Ereignisse nicht wieder beseitigt werden soll (vgl. dazu Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, BI2g, unter Berufung auf Eiffler, Urkundensteuergesetz2 225 = erste Auflage 178; bzw. Glega ÖStZ 1986, 90; sog. Stichtagsprinzip). Nach der klaren Anordnung des Gesetzes gelten auch bedingte Anschaffungsgeschäfte als Anschaffungsgeschäfte und somit als unbedingt abgeschlossen; dies ohne Rücksicht darauf, ob eine Verbindlichkeit zur Erfüllung des Geschäftes überhaupt begründet wird oder - falls sie begründet wurde - ob eine solche Verpflichtung auch von Bestand ist (vgl. Brönner-Kamprad, KommzKVG4 Rz 12 zu § 18 d KVG; aber auch die zu § 17 Abs. 3 GebG vorliegende hg. Judikatur z.B. das Erkenntnis vom 1. Juli 1971, Zl. 856/71, Slg. N.F. Nr. 4260/F u. a.).
Demzufolge löste im vorliegenden Fall bereits der Notariatsakt vom 27. November 1989 die Kapitalverkehrsteuerpflicht aus (§ 4 Abs. 1 BAO; vgl. dazu Brönner-Kamprad aaO. Rz 2 zu § 25 d KVG), und zwar gemäß § 21 Z. 1 KVG zu berechnen von dem damals vereinbarten Preis von S 191 Millionen.
Daran vermochte die in der Folge von den Vertragsparteien im Zuge des "In-Wirksamkeit-Setzens" des Geschäftes durch den Nachtrag vom 13. Dezember 1989 vorgenommene "Preisreduktion" nichts mehr zu ändern. Nach dem erwähnten Stichtagsprinzip, wie es z.B. in § 17 Abs. 5 GebG zum Ausdruck kommt, ändert nämlich selbst der spätere gänzliche Wegfall der vertraglichen Erfüllungspflicht nichts mehr an der bereits entstandenen Abgabenschuld (vgl. Brönner-Kamprad aaO. Rz 12 zu § 18 d KVG; vgl. dazu aber auch die zu § 17 Abs. 5 GebG bestehende hg. Judikatur, z.B. die Erkenntnisse vom 16. März 1987, Zl. 85/15/0155 und vom 4. Juli 1990, Zl. 89/15/0140). Nach dem Schluß vom Größeren auf das Kleinere vermag demnach auch eine Teiländerung durch "Preisreduktion" keine Veränderung der bereits entstandenen Abgabenschuld zu bewirken. Anderes ergibt sich auch aus der von der Beschwerdeführerin zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. Neuner-Zechmeister, Steuerindex 1974/964) nicht, weil dort nur gesagt wird, daß der vereinbarte Preis die Gesamtheit der Leistungen des Erwerbers darstellt. Vereinbarter Preis zum relevanten Stichtag der Begründung der Abgabenschuld war aber, wie schon ausgeführt, der Betrag von S 191 Millionen.
Sohin haftet dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes nicht an und war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991150109.X00Im RIS seit
11.06.2001