Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z4Leitsatz
Entzug des gesetzlichen Richters durch Entscheidung einer unzuständigen BehördeSpruch
1. beschlossen:
Die Beschwerde wird hinsichtlich der zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft m.b.H. zurückgewiesen.
Der Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird insoweit abgewiesen.
2. Gemäß Art144 B-VG zu Recht erkannt:
Der Erstbeschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Kärnten ist schuldig, dem Erstbeschwerdeführer zu Handen des Beschwerdevertreters die mit S 15.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Straferkenntnis des Magistrats der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 19.12.1988 wurde über den Erstbeschwerdeführer gemäß §50 Abs2 des Glückspielgesetzes BGBl. Nr. 169/1962 idF BGBl. Nr. 292/1986 iVm §9 Abs1 VStG 1950 eine Geldstrafe in der Höhe von S 100.000,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von zwei Wochen) verhängt, weil er in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der zweitbeschwerdeführenden Jolly Joker Gastgewerbebeteiligungsgesellschaft m.b.H. es zu verantworten hatte, daß diese in Klagenfurt 15 näher bezeichnete Glückspielautomaten betrieben und dadurch gegen die Bestimmungen der §§3, 5 Abs1, 4 Abs2 und 50 Abs1 des Glückspielgesetzes verstoßen habe. Gleichzeitig wurden die 15 Glückspielautomaten gemäß §50 Abs3 leg.cit. iVm §17 Abs1 VStG 1950 für verfallen erklärt.
2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Erstbeschwerdeführer Berufung, welcher mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 16.3.1989 (Fertigungsklausel: "Für die Kärntner Landesregierung: Dr. Rapoldi eh.") keine Folge gegeben wurde; das angefochtene Straferkenntnis 1. Instanz sowie der unter einem ausgesprochene Verfall wurden bestätigt.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet, sowie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung jedoch Abstand genommen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Der Erstbeschwerdeführer behauptet, durch die bekämpfte Berufungsentscheidung unter anderem im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, da die Kärntner Landesregierung als unzuständige Behörde den Bescheid 2. Instanz erlassen habe. Das Glückspielgesetz sei ein Bundesgesetz. Im Bereich der Länder übten die Vollziehung des Bundes, soweit nicht eigene Bundesbehörden bestünden, der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden aus (Art102 B-VG).
Mit diesem Vorbringen ist der Erstbeschwerdeführer im Recht:
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird unter anderem dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 10647/1985 uva.). Der angefochtene Bescheid ist "Für die Kärntner Landesregierung" unterfertigt; er ist also der Kärntner Landesregierung zuzurechnen. Die Berufungsentscheidung ist jedoch in Vollziehung der Materie "Monopolwesen" ergangen, welche gemäß Art10 Abs1 Z4 B-VG hinsichtlich Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Dies bedeutet weiters, daß zur Vollziehung dieses Gesetzes in 2. Instanz der Landeshauptmann als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung einzuschreiten gehabt hätte (Art102 Abs1 B-VG). Da der angefochtene Bescheid jedoch von der Kärntner Landesregierung, also einer unzuständigen Behörde erlassen wurde, verletzt er den Erstbeschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (vgl. VfSlg. 10244/1984, 10647/1985, 10765/1986). Der Bescheid war daher aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953.
2. Das erstinstanzliche Straferkenntnis des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt wurde ausschließlich vom Erstbeschwerdeführer bekämpft. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Strafbescheid mit dem darin enthaltenen Ausspruch des Verfalles hinsichtlich von 15 Glückspielautomaten auch der zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft oder einem etwaigen Dritten als Eigentümer dieser Geräte auch zugestellt wurde bzw. der Verfallsausspruch überhaupt rechtlich wirksam geworden ist. Die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft ist jedenfalls mangels Erhebung einer entsprechenden Berufung nicht Partei des mit dem angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung abgeschlossenem Berufungsverfahrens geworden. Ihre Beschwerde war daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 zurückzuweisen.
4. Insoweit war auch die beantragte Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzuweisen, da eine solche nur bei abweisender Sachentscheidung bzw. Ablehnung der Behandlung der Beschwerde nach Art144 Abs2 B-VG in Betracht kommt.
5. Diese Entscheidung konnte ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (§19 Abs3 Z2 lite und Abs4 VerfGG 1953).
Schlagworte
Glücksspielmonopol, Kompetenz Bund - Länder Monopolwesen, Bundesverwaltung mittelbare, VfGH / Legitimation, BehördenzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B588.1989Dokumentnummer
JFT_10109377_89B00588_00