TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/3 88/14/0205

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Veröffentlicht am 03.03.1992
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des D in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III) vom 9. September 1988, Zl. 4/12/4-BK/Hm-1987, betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1972 bis 1978, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer, einem praktischen Arzt, eingebrachte Berufung betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1972 bis 1978 mit Bescheid (Berufungsentscheidung) vom 10. Februar 1984, Zl. 4/10/1-BK/Sch-183, als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, 84/14/0046, abgewiesen.

In der Folge hat der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b und c BAO gestellt, wobei er geltend machte, daß der Verwaltungsgerichtshof in dem o.a. Erkenntnis expressis verbis festgestellt habe, daß es sich im abgeschlossenen Verfahren um keine Sparbücher, sondern lediglich um Kapitalanlagebücher gehandelt habe. Somit stehe erst jetzt fest, daß das Finanzamt die bei der T vorhandenen Kapitalanlagebücher falsch als Sparbücher angesehen und somit zu Unrecht die dort gutgeschriebenen Zinsen der Besteuerung unterzogen habe. Aus dem Inhalt eines solchen Kapitalanlagebuches sei genau zu ersehen, daß es sich um keine Sparbücher im engsten Sinn des Wortes handeln könne, weil die T jeweils die gutgeschriebenen Zinsen vom ursprünglichen Anlagekapital und nicht auch von dem um die gutgeschriebenen Zinsen erhöhten Kapital abgerechnet und gutgeschrieben habe. Die so gutgeschriebenen Zinsen hätten erst bei Auszahlung des Gesamtbetrages und nicht bei der Gutschrift versteuert werden müssen. Durch die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes, daß es sich im vorliegenden Fall um keine Sparbücher handle, sei in diesem Rechtsstreit eine neue Tatsache entstanden, die vom Steuerpflichtigen in Anbetracht des unrichtigen Vorgehens des Finanzamtes bis dahin nicht geltend gemacht werden konnte. Aber auch im Sinne des § 303 Abs. 1 lit c BAO seien die Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben, weil durch dieses Erkenntnis der zuständigen Behörde (Verwaltungsgerichtshof) nachträglich eine Vorfrage geklärt worden sei, die für die Wiederaufnahme des Verfahrens von erheblicher Bedeutung und daher geeignet sei, in diesem Verfahren ein anderes Erkenntnis zu bewirken. Die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme sei im vorliegenden Fall um so mehr gegeben, als es allein die Schuld des Finanzamtes bzw. der Berufungsinstanz gewesen sei, durch die unrichtige bzw. falsche Unterstellung eines Tatbestandes eine ungerechte Besteuerung der Einkünfte verursacht zu haben. Man könne nicht einerseits bei der Zinsenbesteuerung sagen, es seien Sparbücher, und dann bei der Übertragung dieses Sparguthaben wieder behaupten, es seien keine Sparbücher.

Mit zwei weiteren Eingaben ergänzte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Dabei legte er eine Ablichtung des Anbots der T vom 9. Juli 1973 vor. Aus diesem Schriftstück, das er nach seinen Angaben erst vor zwei Tagen wieder gefunden habe, sei zu ersehen, daß es sich im abgeschlossenen Streitfall um einen sogenannten "Festgeldanlagevertrag" gehandelt habe. Laut dieser Vereinbarung habe sich der Steuerpflichtige bei der Hinterlegung des Kapitals bei der T verpflichtet, zwecks Wertsicherung der gutgeschriebenen Zinsen diese nicht sofort zu beheben, sondern erst nach einer bestimmten Zeit, und zwar nach vorheriger Kündigung des gesamten Kapitals. Damit sei der Beweis erbracht, daß die auf diesen Konten gutgeschriebenen Zinsen lediglich einen rechnerischen Charakter gehabt hätten und der Steuerpflichtige erst nach einer bestimmten Zeit und nach einer vorherigen Kündigung über diese verfügen habe können. Daraus sei weiter zu ersehen, daß das Finanzamt zu Unrecht die auf diesen Konten gutgeschriebenen Zinsen schon im Zeitpunkt der Gutschrift der Besteuerung unterzogen habe.

Der Behörde müsse der Vorwurf gemacht werden, daß sie entgegen der ständigen Behauptung des Beschwerdeführers, es handle sich um Sparkreditanlagen, unter Außerachtlassung der Bestimmungen der Bundesabgabenordnung es unterlassen habe, die Rechtsgrundlage dieser Kapitalanlagen sorgfältig zu ermitteln. Dies wäre umso notwendiger gewesen, als die Finanzbehörde von Amts wegen diese Kapitalanlagen festgestellt und der Besteuerung unterzogen habe. Dem Beschwerdeführer sei es im Gegensatz zur Finanzbehörde im Lauf des Verfahrens nicht möglich gewesen, sich diesbezüglich die notwendigen Beweise zu beschaffen, weil alle schriftlichen Unterlagen (auch seine) vom Gericht wegen eines gegen die T laufenden Finanzstrafverfahrens beschlagnahmt worden seien. Außerdem habe die T noch vor der Betriebsprüfung alle Sparbücher eingezogen und durch Kontoauszüge ersetzt. Weiters brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß ihm durch die unrichtige Beurteilung ein großer Schaden entstanden sei.

Die belangte Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab und begründete die Entscheidung damit, daß die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes im vorangegangenen Verfahren, wonach es sich bei den von der T eröffneten Anlagebüchern um keine Sparbücher gehandelt habe, keine neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 liT b BAO darstelle, da dieser Umstand bereits im Zuge des vorangegangenen verwaltungsbehördlichen Abgabenverfahrens festgestellt worden sei. Die vom Antragsteller zitierte Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes laute nämlich wörtlich:

"Wie schon die belangte Behörde richtig erkannt hat, stellen die von der T eröffneten Anlagebücher KEINE Sparbücher dar."

Es könne aber auch nicht von einer nachträglich anders entschiedenen Vorfrage im Sinne des § 303 Abs. 1 liT c BAO gesprochen werden. Die Feststellung im genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes könne schon deshalb keine Vorfragenentscheidung darstellen, da die Klärung einer derartigen Frage von der Abgabenbehörde selbst zu treffen sei und nicht in den Wirkungsbereich einer anderen Behörde falle.

Aber auch das im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgelegte Anbot der T vom 9. Juli 1973 stelle kein neues Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 liT b BAO dar. Der Inhalt dieses Schreibens bestehe im wesentlichen in der Mitteilung bestimmter Ertragsverbesserungen für bereits bestehende Konten rückwirkend ab 1. Juli 1973 sowie in der Empfehlung, in Hinkunft weitere "T-Festgeldkonten" zu noch günstigeren Bedingungen zu eröffnen. Eine Änderung des rechtlichen Charakters der Geldanlagen, wie dies der Antragsteller behauptet habe, lasse sich diesem Schriftstück hingegen in keiner Weise entnehmen. Wie aus den in den Verwaltungsakten befindlichen späteren Anboten des Antragstellers sowie den entsprechenden Annahmeschreiben der T einwandfrei hervorgehe, wäre der Antragsteller auch weiterhin berechtigt gewesen, über die anfallenden Zinserträge halbjährlich zu verfügen.

Der Antragsteller behaupte schließlich in den ergänzenden Schriftsätzen, er habe mindestens ab dem Jahre 1976 schon deshalb nicht über die gutgeschriebenen Zinsen verfügen können, weil sich die T schon damals in Geldschwierigkeiten befunden und trotz mehrfacher Kündigung die Rückzahlung immer auf spätere Zeiten verschoben habe, bis sie dann im Jahre 1979 in Konkurs gegangen sei. Dazu sei festzuhalten, daß dieses Vorbringen schon deshalb nicht den Tatsachen entsprechen könne, weil das Konkursverfahren über das Vermögen der T vom Handelsgericht Wien erst mit Edikt vom 23. August 1983 eröffnet worden sei. Im übrigen sei eine Kündigung der gegenständlichen Anlagebücher, wie in der Begründung der Entscheidung des Berufungssenates vom 10. Februar 1984, Zl. 4/10/1-BK/Sch-183, im einzelnen ausführlich dargelegt worden sei, erst im Jahre 1980 erfolgt. Das nunmehrige Vorbringen des Antragstellers sei daher aktenwidrig und könne darüber hinaus auch gar keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 303 Abs. 1 liT b BAO darstellen, da derartige Umstände jedenfalls im abgeschlossenen Verfahren nicht ohne Verschulden des Antragstellers hätten vollkommen unerörtert bleiben können. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, daß nach Ansicht der belangten Behörde keinerlei Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorlägen, weshalb auch das Vorliegen der sonstigen hiefür erforderlichen Voraussetzungen nicht weiter untersucht zu werden brauche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Zusätzlich zu den bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren angeführten Gründen brachte der Beschwerdeführer vor, der beste Beweis, daß die belangte Behörde die Überprüfung des neuen Beweismittels nur sehr ungenau durchgeführt habe, sei aus der Begründung der Ablehnung des Wiederaufnahmeantrages zu ersehen, wo es wörtlich heiße:

"Wie sich aus dem Inhalt der einzelnen Anbotschreiben betreffend die gegenständlichen Kapitalanlagen (siehe oben) sowie aus den Annahmeschreiben einwandfrei ergibt, wurden die Beträge der T zur Vermittlung an Darlehensnehmer überlassen und war der Antragsteller über die anfallenden Zinsenerträge jeweils halbjährlich verfügungsberechtigt."

Dabei habe die belangte Behörde aber übersehen, daß der vom Finanzamt beauftragte Prüfer in seinem Bericht ausdrücklich festgestellt habe:

"Zum Unterschied von den späteren Kapitalanlagen (ab 1975), über welche durch die Fa. "T" eine eigene Kapitalanlage-Urkunde errichtet wurde, gibt es eine solche Urkunde bei den gegenständlichen Anlagen nicht".

Daraus ersehe man klar, daß der belangten Behörde wieder der gleiche Irrtum bzw. Verwechslung wie beim ersten Verfahren hinsichtlich der zwei verschiedenen Geldanlagen unterlaufen sei. Es seien seitens der belangten Behörde in der Begründung des abgelehnten Wiederaufnahmeverfahrensantrages den strittigen Spareinlagen fälschlich Vereinbarungen bzw. Urkunden der Vermittlungs- und Verwaltungskapitalanlagen unterstellt worden, obwohl schon seit 1980 aktenkundig festgestanden sei, daß über diese Geldanlagen seitens der T keine dieser Art von Urkunden ausgestellt worden sei, dies auch deshalb, weil bei Spareinlagen lediglich der Sparbuchbesitz allein über das Eigentumsrecht der Geldanlagen entscheide.

Es müsse weiters der belangten Behörde auch aufgefallen sein, daß die jetzt vorgefundenen Festgeldanlageurkunden sich genau mit den Kreditbewegungen auf den betreffenden Spareinlagekontoauszügen sowohl rechtlich wie auch sachlich gedeckt hätten, mindestens aber wäre sie gerechtigkeitshalber verpflichtet gewesen, diesen Umstand näher zu prüfen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit b und c BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Wie die belangte Behörde sinngemäß bereits zutreffend dargelegt hat, handelte es sich bei der Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes im vorangegangenen Verfahren, es handle sich um keine Sparbücher, um keine neu hervorgekommene Tatsache, sondern um eine im verwaltungsbehördlichen Verfahren vertretene Auffassung. Auch war die Ansicht der belangten Behörde zutreffend, daß damit eine Vorfragenentscheidung nicht getroffen worden ist.

Der Beschwerdeführer stützt seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens weiters auf ein Schreiben der T vom 9. Juli 1973, wonach die auf den Konten gutgeschriebenen Zinsen lediglich einen rechnerischen Charakter gehabt hätten und die Möglichkeit einer Verfügung darüber erst nach vorliegender Kündigung gegeben gewesen sei. Abgesehen davon, daß das genannte Schreiben nur ein Anbot enthält, ist Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag u. a., daß das neu hervorgekommene Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnte. Der Beschwerdeführer hat das in Rede stehende Beweismittel beigebracht, ohne darzutun, daß er dieses im abgeschlossenen Verfahren ohne sein Verschulden nicht geltend hätte machen können. Damit ist aber eine der erforderlichen Voraussetzungen für die beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens nicht erfüllt.

Da die Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 liT b und c BAO zusammenfassend insgesamt nicht vorgelegen haben, erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren ArT III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988140205.X00

Im RIS seit

03.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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