TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/3 91/14/0230

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Veröffentlicht am 03.03.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

B-VG Art144 Abs3;
EStG 1972 §31 Abs1;
EStG 1988 §30 Abs1;
EStG 1988 §31 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §34 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 29. Oktober 1990, Zl. 13/10/3-BK/Ko-1990, betreffend Einkommensteuer 1985 (Wiederaufnahme und Neufestsetzung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen im Betrag von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhielt 1983 von seiner Ehegattin, die Alleingesellschafterin einer GmbH war, einen Geschäftsanteil im Ausmaß von 25 v.H. geschenkt (gemischte Schenkung), den er 1985 an eine andere GmbH (Holding) veräußerte. Anläßlich seiner Einkommensteuererklärung für 1985 erwähnte der Beschwerdeführer in einer Beilage diese Veräußerung, ging jedoch von deren Steuerfreiheit aus, weil er an der erstgenannten GmbH innerhalb der letzten fünf Jahre nicht zu mehr als 25 v.H. beteiligt gewesen sei.

Das Finanzamt veranlagte den Beschwerdeführer im Jahre 1987 für das Jahr 1985 antragsgemäß.

Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung im Jahre 1988, die unter anderem den Beschwerdeführer betraf, stellte der Prüfer des Finanzamtes anhand von Akten desselben Finanzamtes über die 1986 bei der Ehegattin des Beschwerdeführers durchgeführte Prüfung fest, daß der Beschwerdeführer den von ihm 1985 veräußerten Geschäftsanteil im Jahre 1983 von seiner Ehegattin, wie bereits eingangs erwähnt, geschenkt erhalten hatte. Diese Tatsache nahm das Finanzamt dem Prüfungsbericht folgend als Grund zur amtswegigen Wiederaufnahme und unterstellte bei Neufestsetzung der Einkommensteuer den Verkaufsvorgang des Jahres 1985 als Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung (§ 31 Abs. 1 EStG 1972), weil sich der Beschwerdeführer infolge des unentgeltlichen Erwerbes des Geschäftsanteiles im Jahre 1983 die über 25 v.H. liegende seinerzeitige Beteiligung seiner Ehegattin zurechnen lassen müsse.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen die amtswegige Wiederaufnahme und die Neufestsetzung der Steuer. Er bestritt, daß Tatsachen neu hervorgekommen seien, es sei dem Finanzamt doch bereits seit 1986 (Prüfung bei der Ehegattin des Beschwerdeführers) der Erwerb des Anteiles durch gemischte Schenkung im Jahre 1983 bekannt gewesen, ebenso wie die Pflicht, sich die wesentliche Beteiligung seiner Ehegattin entgegenhalten lassen zu müssen, abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer nicht Gesamtrechtsnachfolger seiner Ehegattin sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie vertrat die Meinung, die Tatsache der Schenkung des Geschäftsanteiles sei neu hervorgekommen, weil sie in dem für den Beschwerdeführer zuständigen Referat des Finanzamtes nicht bekannt gewesen sei. Der Beschwerdeführer müsse sich als Beschenkter die wesentliche Beteiligung des Geschenkgebers anrechnen lassen, weil der Gesetzgeber mit der Besteuerung der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen eine Angleichung an die Besteuerung von Mitunternehmerschaften beabsichtigt habe.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst bei ihm erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 1. Oktober 1991, B 1367/90-3).

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den Bescheid in seinem Recht auf Unterbleiben der amtswegigen Wiederaufnahme und in seinem Recht darauf verletzt, daß die Veräußerung des Geschäftsanteiles zu keiner Einkommensbesteuerung führe. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seiner über Auftrag des Gerichtshofes vorgenommenen Beschwerdeergänzung verweist der Beschwerdeführer zur Anführung der Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit auf die Ausführungen in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die bereits ausführlich Verletzungen des einfachen Gesetzes zur Darstellung gebracht haben, diesen jedoch im Hinblick auf die an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde den Grad denkunmöglicher Gesetzesanwendung bzw. von Willkür zumaß. Der Hinweis in der Beschwerdeergänzung, daß die zuletzt genannte Qualifikation außer Betracht zu bleiben habe, wird daher dem erteilten Mängelbehebungsauftrag gerecht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, 91/14/0163).

Dem Vorwurf inhaltlicher Rechtswidrigkeit bei Anwendung des § 31 Abs. 1 EStG 1972 kommt Berechtigung zu.

Diese Vorschrift verlangt unter anderem, daß der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft zu mehr als 25 v.H. beteiligt war. Dies trifft auf den Beschwerdeführer, was den von der belangten Behörde als neu hervorgekommen behandelten Sachverhalt anlangt (Schenkung des Geschäftsanteiles durch die Ehegattin im Jahre 1983), nicht zu. Veräußerer des Geschäftsanteiles war im Jahre 1985 der Beschwerdeführer und nicht seine Ehegattin. Der Beschwerdeführer ist eine von seiner Ehegattin verschiedene Person; es fehlt an einer Rechtsnorm, die es erlaubte, im Schenkungsfall den Beschenkten gleich dem Schenkenden zu behandeln und ihm daher im gegebenen Zusammenhang des § 31 EStG 1972 die wesentliche Beteiligung des Geschenkgebers zuzurechnen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes keine Pflicht des einfachen Gesetzgebers, die Veräußerung wesentlicher Beteiligungen völlig der Besteuerung von Mitunternehmerschaften anzugleichen. Folglich zwingt der Grundsatz verfassungskonformer Auslegung nicht zu der von der belangten Behörde vorgenommenen Interpretation, die im Gesetzeswortlaut keine hinlängliche Entsprechung findet.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die Bedenken gegen die Bedachtnahme auf die Besitzzeit des Geschenkgebers (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, zweite Auflage, Tz 9 zu § 31; ebenso Wiesner in ÖStZ 1975, 104) und folgt hinsichtlich des unentgeltlichen Erwerbes durch Schenkung der Ansicht Hofstätter-Reichels, Die Einkommensteuer III B Kommentar, Tz 11 zu § 31 EStG 1972, wonach die Besitzzeiten des Steuerpflichtigen und seines Rechtsvorgängers nicht zusammenzurechnen sind. Die wesentliche Beteiligung des Geschenkgebers ist daher dem mit einem nicht wesentlichen Anteil Beschenkten nicht als solche zuzurechnen.

Ausreichende Anhaltspunkte für eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke bestehen nicht. § 30 Abs. 1 Z. 1 letzter Satz EStG 1988 spricht nämlich dafür, daß schon der Gesetzgeber des Jahres 1972 das Problem nicht übersehen, sondern die vorher dargelegte Lösung gewünscht haben dürfte, hätte doch sonst der Gesetzgeber des Jahres 1988 eine der Besteuerung des Spekulationsgewinnes vergleichbare Regel auch in § 31 aufgenommen.

Da somit die von der belangten Behörde als neu hervorgekommen behandelten Tatsachen einen im Spruch anderslautenden Bescheid nicht herbeigeführt hätten, lag der Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs. 4 BAO schon deshalb nicht vor. Es durften daher Wiederaufnahme und Neufestsetzung der Einkommensteuer nicht erfolgen.

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die belangte Behörde aufgrund des geschilderten Sachverhaltes vom Hervorkommen neuer Tatsachen beim Finanzamt ausgehen durfte.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannte und dadurch den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzte, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991140230.X00

Im RIS seit

03.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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