TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/3 86/14/0146

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Veröffentlicht am 03.03.1992
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des S in K, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, Berufungssenat V, vom 3. Juni 1986, GZ. 120/1-6/86, betreffend fahrlässige Abgabenverkürzung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war in den Jahren 1978 bis 1980 mit 50 Prozent an einer GmbH beteiligt, die als Pächterin zweier Lokale im Gastronomiebereich tätig war. Als Gesellschafter-Geschäftsführer oblag dem Beschwerdeführer die Führung der Buchhaltung.

Im Jahr 1982 fand bei der GmbH für die Jahre 1978 bis 1980 eine Betriebsprüfung statt, bei der unter anderem folgende Feststellungen getroffen wurden:

Für die Betriebseinnahmenabrechnung mit dem "Inkassoservierpersonal" stünden Registrierkassen zur Verfügung. Die Registrierkassenstreifen seien jedoch nach Tagen zerschnitten vorgelegt worden. Da jeder Registrierstreifen an seinem Ende einen roten Signalstreifen aufweise, habe die Länge der Registrierstreifen nachgemessen werden können. Dabei seien sehr unterschiedliche Längen festgestellt worden (von 14,94 m bis 21,78 m). Laut Mitteilung der Herstellerfirma hätten die Registrierstreifen eine Länge von ca. 18 m (bis Mitte 1979) und von ca. 21 m (ab Mitte 1979) gehabt.

Der Prüfer zog daraus den Schluß, daß Teile der Registrierkassenstreifen fehlten.

Laut Auskunft des Servierpersonals seien auch "Standesermittlungslisten" geführt worden. Diese Listen hätten eine Ermittlung des täglichen Getränkeabganges ermöglicht, seien aber dem Prüfer nicht vorgelegt worden. Gleiches gelte für die von der Registrierkasse ausgeworfenen Bons. A und C, Servierkräfte bei der GmbH, gaben als Auskunftspersonen einvernommen an, die Abrechnung sei stets in der Weise erfolgt, daß anhand der Standermittlungslisten die Stände zu Dienstbeginn und Dienstende festgestellt wurden. Der Differenzbetrag sei mit den von der Registrierkasse ausgeworfenen und anschließend vom Servierpersonal "gespießten" Bons verglichen worden. Maßgebend für die Abrechnung sei jedenfalls die Bestandsdifferenz gewesen. Diese Aussagen wurden von drei weiteren Auskunftspersonen (O, T und K, alle bei der GmbH als Servierkräfte beschäftigt) bestätigt, wobei die Abrechnung als "sehr genau" bezeichnet wurde.

Der Prüfer nahme eine Nachkalkulation vor, die beträchtliche Abweichungen bei den Rohaufschlägen betreffend Bier, Wein, Sekt und Spirituosen ergab. Auch bei Eis- und Küchenerlösen ergaben sich bei einer Umsatzverprobung beträchtliche Abweichungen. Es wurden daher einvernehmlich mit den Gesellschaftern des Unternehmens Umsatzerhöhungen im Ausmaß von S 25.000,-- (1978), S 314.450,-- (1979) und

S 483.950,-- (1980) vorgenommen.

Der Beschwerdeführer und sein steuerlicher Vertreter sowie der Mitgesellschafter W gaben einen Rechtsmittelverzicht ab.

In der Folge wurde gegen den Beschwerdeführer ein Finanzstrafverfahren wegen vorsätzlicher Abgabenverkürzung eingeleitet.

Als Beschuldigter vernommen bestritt der Beschwerdeführer, Schwarzgeschäfte getätigt zu haben. Es habe zwar Kalkulationsdifferenzen gegeben, diese hätten aber lediglich die Verrechnung des Bierbestandes im Jahr 1979 betroffen. Wie es zu diesen Differenzen gekommen sei, könne er nicht aufklären. Sicherlich seien jedoch die fehlenden Biermengen nicht verkauft worden, weil alle Einnahmen über die Registrierkasse gelaufen seien. Das Schätzungsergebnis habe er deswegen anerkannt, weil er sich "zum Zeitpunkt des Prüfungsabschlusses infolge einer Krankheit nicht in besonders gutem Zustand befunden habe".

Im Jahr 1980 sei er ca. 6 Monate krank gewesen und während dieses Zeitraumes von seinem Mitgesellschafter W vertreten worden.

Als Zeuge einvernommen bestritt W diese Darstellung. Der Beschwerdeführer sei erst zu Weihnachten 1980 krank geworden. Der Rechtsmittelverzicht sei "nur auf Grund der Pression, daß man mit der Prüfung noch weiter zurückgehen werde", abgegeben worden.

Mit Erkenntnis des Spruchsenates wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, vorsätzlich durch Nichterklärung von Betriebseinnahmen der Jahre 1978 bis 1980 Abgabenverkürzungen begangen zu haben, und zwar an Umsatzsteuer S 86.462,--, an Abgabe von alkoholischen Getränken S 29.824,--, an Körperschaftsteuer S 148.150,-- und an Einkommensteuer S 175.288,--. Der Beschwerdeführer habe hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen und werde mit einer Geldstrafe von S 150.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 90 Tage) bestraft.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Die Begründung des verurteilenden Erkenntnisses reiche für die Annahme einer "vorsätzlichen Steuerhinterziehung" nicht aus. Es sei richtig, daß im Zuge der Betriebsprüfung Mengendifferenzen bei Bierein- und -verkauf zutage getreten seien, die der Beschwerdeführer nicht habe aufklären können. Dazu sei auf die schwere Erkrankung des Beschwerdeführers zu verweisen. Die Schwankungen bei Sekt, Wein und Spirituosen seien saisonbedingt gewesen. Es könne als amtsbekannt vorausgesetzt werden, daß auch der Getränkesektor "Modeschwankungen" unterliege und daß der Kreis der Gäste, die in einem Lokal verkehren, sich ständig ändere. Dies habe auch eine Änderung der Konsumgewohnheiten zur Folge. Die Nachmessung der Registrierkassenstreifen könne keine Aussagekraft betreffend Mängel der Losungsaufzeichnungen haben. Es gebe eine Reihe von Erklärungsmöglichkeiten für die unterschiedliche Länge dieser Streifen. Ein Streifen könne herausgenommen worden sein, es könne aber auch an dem an der Kassa befindlichen Knopf gedreht worden sein. Ebenso könne es beim Austausch der Streifen zu Längendifferenzen gekommen sein. Sowohl Bonstreifen als auch Kontrollrollen hätten sich in der Nähe der Kassa befunden und seien jedermann zugänglich gewesen, "sodaß ohne weiteres Stücke abgerissen werden konnten". Unter den Reserverollen könnten sich bereits angebrauchte Rollen befunden haben. Bei einem Probelauf seien ganz erhebliche "Abfallmengen" festgestellt worden. Beim Einlegen und Durchziehen der Rolle seien ungefähr 50 cm verbraucht worden. Zwischen den einzelnen Losungstagen, während der die Kontrollstreifen in der Maschine verblieben seien, sei ein Rollenstück von ca. 35 bis 40 cm weitergedreht worden, "um zwischen den einzelnen Teilen einen Abstand zu haben". Die gesamte Abrechnung mit den Angestellten sei auf Grund dieser Streifen durchgeführt worden. Die Streifen seien fortlaufend numeriert gewesen. Es hätte umfangreicher Manipulationen bedurft, um diese Numerierung, wenn überhaupt, umgehen zu können. Dies wäre in Anwesenheit von Angestellten gar nicht möglich gewesen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Beschwerdeführer weiters vor, er habe die Standermittlungslisten weggeworfen, weil diese nur "Aufzeichnungen für uns" gewesen seien. Sie hätten nur einer oberflächlichen Kontrolle gedient und mit der Losungsermittlung nichts zu tun gehabt. Die Hinzuschätzung durch den Betriebsprüfer habe er anerkannt, weil er die Mengendifferenz bei Bier (2.000 Portionen) nicht habe aufklären können.

Drei bei der GmbH als Kellner beschäftigte Personen gaben als Auskunftspersonen vernommen an, die Abrechnung sei stets anhand der Registrierstreifen erfolgt.

Die belangte Behörde gab der Berufung insoweit Folge, als dem Beschwerdeführer statt Vorsatz nur mehr Fahrlässigkeit angelastet wurde. Das Ausmaß der als verkürzt festgestellten Abgaben blieb unverändert; die Strafe wurde auf S 100.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Tage) herabgesetzt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Während der Spruchsenat Manipulationen bei den Registrierkassenstreifen als erwiesen angenommen und daraus vorsätzliches Verhalten des Beschwerdeführers abgeleitet hatte, geht die belangte Behörde davon aus, daß die unterschiedliche Länge der Registrierkassenstreifen für sich nicht ausreiche, um eine vorsätzliche Abgabenverkürzung als erwiesen anzunehmen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage, die den Schwerpunkt des Berufungsvorbringens darstellte, kann daher unterbleiben.

Zum Ausmaß der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Abgabenverkürzungen hat dieser in seiner Berufung allerdings nichts Substantielles vorgebracht. Mit der Beschwerde wird in erster Linie der Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens bekämpft. Daß es zu Abgabenverkürzungen gekommen sein kann, wird hingegen nicht ausdrücklich bestritten. Vielmehr enthält die Beschwerde folgende Aussage:

"Die Tatsache, daß Abgabenverkürzungen laut Betriebsprüfungsbericht objektiv eingetreten sind, vermag noch nicht ein strafbares Verhalten von meiner Seite zu begründen, weil auch die subjektive Tatseite zu prüfen ist".

Dazu kommt folgendes: Der ursprüngliche Versuch, die Mengendifferenzen beim Bierverkauf mit Fehlbonierungen (Verwechslung der Getränkeart) zu erklären - dieses Argument wurde im Berufungsverfahren nicht mehr vorgebracht, findet sich aber neuerlich in der Beschwerde - ist schon deswegen nicht geeignet, den Verbleib von 2.000 Portionen Bier aufzuklären, weil derartige Fehlbonierungen kaum einseitig nur in Richtung Bier zu anderen Getränken vorkommen hätten können, vor allem aber, weil sich zutreffendenfalls bei den anderen Getränken Kalkulationsdifferenzen in umgekehrter Richtung ergeben hätten. Die beträchtlichen Schwankungen bzw. der Rückgang des Umsatzes an Wein, Sekt und Spirituosen hat der Beschwerdeführer zunächst mit "SAISONbedingten Schwankungen" begründet. Da dies aber kein schlüssiges Argument dafür ist, warum derartige Differenzen von JAHR ZU JAHR festgestellt wurden, hat der Beschwerdeführer in der Folge "Modeschwankungen" dafür verantwortlich gemacht, allerdings ohne dies in irgendeiner Weise durch glaubhaftes Tatsachenvorbringen zu untermauern.

Abgesehen davon konnte die belangte Behörde auch unbedenklich Schlüsse aus dem Verhalten des Beschwerdeführers und seines Mitgesellschafters W ziehen, die beide im Beisein eines Steuerberaters das Prüfungsergebnis unter Rechtsmittelverzicht anerkannt hatten. Ein solches Verhalten läßt bei einem vom Prüfer ermittelten Mehrergebnis von nahezu S 400.000,--, das auch verhältnismäßig ins Gewicht fiel (Abgabenerhöhung um mehr als 70 %), durchaus den Schluß zu, daß die Feststellungen des Prüfers deswegen nicht bekämpft wurden, weil dies dem Beschwerdeführer und seinem Mitgesellschafter wenig aussichtsreich erschien.

Berücksichtigt man zusätzlich, daß der Beschwerdeführer noch in der Berufung gegen das Erkenntnis des Spruchsenates die Anerkennung der Hinzuschätzungen durch den Betriebsprüfer damit begründet hat, daß er das Fehlen von 2.000 Portionen Bier nicht habe aufklären können - die ursprüngliche Verantwortung, durch Krankheit behindert gewesen zu sein, wurde nicht aufrecht erhalten -, so erscheint die Annahme der belangten Behörde, daß es objektiv zu Abgabenverkürzungen gekommen ist, keineswegs unschlüssig. Zum Ausmaß dieser Verkürzungen wird auch in der Beschwerde nichts Konkretes vorgebracht. Es bleibt daher nur noch die subjektive Tatseite zu prüfen:

Die belangte Behörde hat ein fahrlässiges Verhalten des Beschwerdeführers darin erblickt, daß er wesentliche Grundaufzeichnungen, nämlich die Standermittlungslisten und die Bons nicht aufbewahrt und der Lagerverrechnung zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. Das letztgenannte Faktum hat der Beschwerdeführer in seiner Vernehmung als Beschuldigter vom 2. Juli 1985 selbst zugegeben ("hinsichtlich der Differenz beim Bierumsatz mag es richtig sein, daß ich der Lagerverrechnung zuwenig Aufmerksamkeit gerichtet habe").

Was die Standermittlungslisten und die Bons betrifft, so kann es dahingestellt bleiben, ob die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten, durch Abgabe unvollständiger Abgabenerklärungen bewirkten Abgabenverkürzungen ursächlich auf die Nichtaufbewahrung der genannten Grundaufzeichnungen zurückzuführen ist oder nicht. Konnte nämlich die belangte Behörde - wie oben festgestellt - unbedenklich davon dausgehen, daß es objektiv zu Abgabenverkürzungen in bestimmtem Ausmaß gekommen ist, so traf den Beschwerdeführer jedenfalls auch der Vorwurf, für die Führung und Aufbewahrung jener Aufzeichnungen und Unterlagen die für eine ordnungsgemäße Ermittlung der Abgabenbemessungsgrundlagen erforderlich waren, nicht in ausreichender Weise durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Sorge getragen zu haben. Daß er zu derartigen Maßnahmen nicht befähigt gewesen wäre, ist nicht erkennbar und wird auch nicht behauptet. Ebensowenig werden vom Beschwerdeführer Umstände ins Treffen geführt, die geeignet wären, einzelne in seinem kaufmännischen Rechenwerk unterlaufende Fehler zu entschuldigen.

Die belangte Behörde konnte daher unbedenklich zu dem Ergebnis gelangen, daß der Beschwerdeführer bei der Führung (und Aufbewahrung) der Aufschreibungen betreffend die Tageseinnahmen bzw. die Abrechnung mit dem Personal nicht jenes Maß an Sorgfalt angewendet hat, zu dem er nach seinen persönlichen Voraussetzungen befähigt und das ihm auch zumutbar war. Der behauptete, zum ZEITPUNKT DER BETRIEBSPRÜFUNG bestehende schlechte Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vermag an der Schuldhaftigkeit seines Verhaltens während der STREITJAHRE nichts zu ändern.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1986140146.X00

Im RIS seit

03.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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