TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/4 91/03/0001

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Veröffentlicht am 04.03.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des C in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. November 1990, Zl. IIb2-V-8150/4-90, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. November 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 14. November 1988 um 11.37 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws auf der Ötztaler-Bundesstraße B 186 in Sölden, taleinwärts fahrend, bei km 36.60, die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um ca. 30 km/h überschritten und dadurch eine Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer erstattete zur Gegenschrift der belangten Behörde eine Äußerung, zu der die belangte Behörde Stellung nahm.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird lediglich die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ausgeführt und zur geltend gemachten inhaltlichen Rechtswidrigkeit bloß bemerkt, daß die in der Beschwerde beschriebenen Verfahrensmängel auch zu einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geführt hätten, "da die gegenständliche Übertretung nicht vorliegt". Worin aber die zum Nichtvorliegen der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung führende inhaltliche Rechtswidrigkeit des in Beschwerde gezogenen Bescheides gelegen sein soll, wird nicht weiter dargelegt und vermag auch der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

Mit seinen Verfahrensrügen bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß die Beweiswürdigung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur in der Richtung unterliegt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis kann der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht auf ihre Richtigkeit hin überprüfen, also etwa darauf, ob die Verantwortung des Beschuldigten oder eine ihn belastende Darstellung zutrifft (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Hinsichtlich der Überschreitung der Fahrgeschwindigkeit durch einen Fahrzeuglenker hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß einem verkehrstechnisch geschulten Organ der Straßenaufsicht ein wenn auch nur im Schätzungsweg gewonnenes Urteil darüber zuzubilligen ist, ob ein vorbeifahrendes Fahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit in erheblichem Ausmaß, also mehr als einem Drittel der zulässigen Höchstgeshwindigkeit, überschritten hat oder nicht, wobei bereits eine Beobachtungsstrecke von rund 100 m ausreicht, entsprechende Sicht- und Beleuchtungsverhältnisse vorausgesetzt (vgl. dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0059, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde gründete die maßgebenden Feststellungen auf die Angaben des Meldungslegers in der Anzeige und seine damit übereinstimmende Zeugenaussage in Verbindung mit der von ihm über den Tatort angefertigten Skizze sowie insbesondere auf das von ihr eingeholte und in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebene Gutachten eines Kfz-Sachverständigen, in dem zusammenfassend festgestellt wird, daß die vom Meldungsleger gemachten Angaben bezüglich der Geschwindigkeitsüberschreitung im Vorbeifahren an seinem Standpunkt und auch beim anschließenden Überholvorgang sowohl unter Berücksichtigung der Geschwindigkeitsangaben des Meldungslegers als auch bei einer niedrigeren Geschwindigkeit, wie sie der Beschwerdeführer geltend macht, rechnerisch schlüssig nachvollzogen werden können. Die Angaben des Meldungslegers sind - wie die belangte Behörde zutreffend darlegte - schlüssig. Sie lassen auch die Gründe, die eine Schätzung der Fahrgeschwindigkeit ermöglichten, hinreichend erkennen. So ist diesen Angaben in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu entnehmen, daß vom Meldungsleger die Fahrgeschwindigkeit nicht bloß im Herannahen, sondern auch im Vorbeifahren und Entfernen des Fahrzeuges, und zwar auf einer Beobachtungsstrecke von ca. 400 m, geschätzt wurde, wobei die Sicht gut und auch nicht durch das Verkehrsaufkommen zum damaligen Zeitpunkte in einer eine verläßliche Schätzung ausschließenden Weise beeinträchtigt gewesen sei. Im übrigen hielt der Meldungsleger schon in der Anzeige fest, daß sich das Fahrzeug des Beschwerdeführers mit hoher Geschwindigkeit seinem Standort genähert, in der Folge dann auf zwei Fahrzeuge, die die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätten, aufgeschlossen und diese sodann überholt habe. Solcherart lagen aber auch in Hinsicht darauf Umstände für eine verläßliche Schätzung der Fahrgeschwindigkeit vor.

Wenn die belangte Behörde davon ausgehend als erwiesen annahm, daß der Beschwerdeführer die Übertretung zu verantworten hat, ist ihr keine Rechtswidrigkeit anzulasten. Sie legte schlüssig dar, warum sie den Angaben des Meldungslegers mehr Glauben schenkte als der Rechtfertigung des Beschwerdeführers. Zu Recht wurde von ihr darauf hingewiesen, daß der Meldungsleger einen Diensteid abgelegt hat, eine wissentlich falsche Anzeige einen Mißbrauch der Amtsgewalt dargestellt hätte und der Meldungsleger darüberhinaus als Zeuge der Wahrheitspflicht unterliegt, während der Beschwerdeführer dadurch, daß er sich nicht an die Wahrheit hält, keine Rechtsnachteile zu befürchten hat. Auch trifft ihre Ansicht, daß einem besonders geschulten Organ der Straßenaufsicht zugebilligt werden müsse, die Geschwindigkeit von Fahrzeugen annähernd zu schätzen, nach dem Vorgesagten zu. Den weiteren Feststellungen der belangten Behörde, daß die Übertretung während der Tageszeit auf einer im Tatortbereich sehr übersichtlichen Straße begangen wurde und schon auf Grund der Art der Straße - es handle sich um eine Bundesstraße - davon ausgegangen werden könne, daß die Fahrbahn ausreichend breit gewesen sei, um eine Fahrgeschwindigkeit von mindestens 80 km/h einzuhalten, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, es erscheine äußerst zweifelhaft, ob ein Straßenaufsichtsorgan rund zweieinhalb Monate nach einer gewissen Feststellung im Rahmen des Straßenaufsichtsdienstes noch angeben könne, wie "die Verkehrsverhältnisse an einem so weit zurückliegenden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort" gewesen seien, wozu noch komme, daß der Meldungsleger damals gar nicht im Straßenaufsichtsdienst, sondern zur Bewachung einer Bank eingesetzt gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Das Verstreichen von zweieinhalb Monten stellt keineswegs einen so langen Zeitraum dar, der es ausschlösse, über die zur Tatzeit am Tatort gegebenen Umstände - hier das Verkehrsaufkommen - noch verläßliche Auskünfte zu geben. Daß das Verkehrsaufkommen vom Meldungsleger nicht schon in der Anzeige festgehalten wurde, fällt in Hinsicht auf den übrigen Inhalt der Anzeige nicht ins Gewicht. Ebensowenig berechtigt die Tatsache, daß der Meldungsleger damals nicht im Straßenaufsichtsdienst, sondern zur Bewachung einer Bank eingesetzt gewesen sei, nicht zu den vom Beschwerdeführer gehegten Zweifeln, daß der Meldungsleger im Rahmen dieser Aufgabenerfüllung den Straßenverkehr nicht lückenlos und genauestens beobachten habe können, weshalb es keine Rechtswidrigkeit bedeutet, daß die belangte Behörde darauf nicht weiter einging.

Schließlich bleibt es der Rüge des Beschwerdeführers, weder der technische Amtssachverständige noch die belangte Behörde seien auf das von ihm beigebrachte Gutachten eines Kfz-technischen Sachverständigen eingegangen, verwehrt, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. In der Berufungsergänzung wurde vom Beschwerdeführer ausgeführt, es seien bestimmte - in vier Punkten im einzelnen angeführte - Erhebungen bzw. Feststellungen erforderlich, um erhöhte Fahrgeschwindigkeiten durch Schätzung verläßlich eruieren zu können. Diese Anforderungen an ein im Schätzungsweg gewonnenes Urteil über die von jemandem eingehaltene Fahrgeschwindigkeit ergäben sich aus einem Gutachten des Kfz-technischen Amtssachverständigen, welches in einem völlig gleichgelagerten Fall von der oberösterreichischen Landesregierung als Berufungsbehörde eingeholt und vom Beschwerdeführer der belangten Behörde vorgelegt worden sei.

Die belangte Behörde stellt nicht in Abrede, daß ihr die Berufungsergänzung vorgelegt wurde, bestreitet jedoch, daß der Beschwerdeführer damit auch das erwähnte Gutachten vorgelegt hat. Die Aktenlage spricht für das Vorbringen der belangten Behörde, zumal die Berufungsergänzung - etwa im Gegensatz zur Beschwerdeergänzung - keinen Hinweis auf eine angeschlossene Beilage enthält. Der belangten Behörde war aber der wesentliche Inhalt dieses Gutachtens auf Grund der Berufungsergänzung ohnehin bekannt, weshalb es einen Mangel darstellt, daß die belangte Behörde mit keinem Wort darauf einging. Dennoch ist dieser Mangel nicht wesentlich, weil die belangte Behörde selbst bei seiner Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können. Abgesehen davon, daß dieses Gutachten - wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme zu der vom Beschwerdeführer zu ihrer Gegenschrift erstatteten Äußerung ausführte - nicht auf den Anlaßfall Bezug nimmt, hängt die Beurteilung der Frage, ob die von einem Fahrzeug eingehaltene Fahrgeschwindigkeit durch ein Straßenaufsichtsorgan verläßlich geschätzt werden kann, von den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Schon diese Umstände unterscheiden sich in Ansehung der Tatzeit (damals Anfang Februar um 16.40 Uhr) und des dort festgestellten regen Verkehrsaufkommens von den Gegebenheiten des vorliegenden Beschwerdefalles, weshalb nicht von einem völlig gleichgelagerten Sachverhalt gesprochen werden kann. Bei Vorliegen der in dem vom Beschwerdeführer bezogenen Gutachten vom Sachverständigen aufgestellten Erfordernissen wird jedenfalls die Möglichkeit einer verläßlichen Schätzung der Fahrgeschwindigkeit gegeben sein. Doch kann nicht gesagt werden, daß das Fehlen des einen oder anderen Erfordernisses eine solche Schätzung ausschlösse und in jedem Falle alle diese Komponenten gegeben sein müßten, um überhaupt eine gefahrene Geschwindigkeit verläßlich schätzen zu können. Eine derartige Aussage ist auch dem im angeführten Gutachten zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1982, Zl. 81/03/0001, das ebenfalls in Ansehung der in den Nachtstunden gelegenen Tatzeit einen anders gelagerten Sachverhalt als den vorliegenden zum Gegenstand hatte, nicht zu entnehmen und wurde vom Verwaltungsgerichtshof auch in der Folge nicht getroffen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 13. Februar 1985, Zl. 85/18/0031). Im Beschwerdefall bestand auf Grund der gegebenen Umstände - wie schon dargelegt und von der belangten Behörde zutreffend erkannt wurde - kein Zweifel an der Richtigkeit der Schätzung des Meldungslegers.

Die Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel Amtspersonen Meldungsleger Anzeigen Berichte Zeugenaussagen Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Feststellen der Geschwindigkeit Grundsatz der Gleichwertigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991030001.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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