TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/9 91/19/0338

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Veröffentlicht am 09.03.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §8 Abs1;
AAV §8 Abs2;
AAV §8 Abs3;
AAV §8;
AAV §9;
ASchG 1972 §3 Abs2;
AVG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der X-AG in N, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 16. Oktober 1991, Zl. 61.026/47-3/91, betreffend Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz für den Salatvorbereitungsraum in der von der Beschwerdeführerin am Standort Y-Gasse, W, betriebenen Filiale (Einkaufszentrum) abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der gegenständliche Raum durch Abtrennung vom bestehenden Verkaufsraum errichtet worden und nicht natürlich belichtet sei. Dieser Umstand könne nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz anerkannt werden, weil es im vorliegenden Fall nicht darum gehe, "den Betrieb durch einen bereits vorhandenen, nicht natürlich belichteten Raum zu erweitern, der als zusätzlicher Arbeitsraum dringend benötigt wird, sondern darum, von einem bestehenden natürlich belichteten Arbeitsraum einen Teil in der Weise abzutrennen, daß ein nicht natürlich belichteter Arbeitsraum entsteht."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes müssen Arbeitsräume, soweit es die Lage der Arbeitsvorgänge zuläßt oder nach der Zweckbestimmung der Räume möglich ist, natürlich belichtet sein. Diese Belichtung muß nach Maßgabe der in den Arbeitsräumen ausgeführten Tätigkeiten ausreichend und möglichst gleichmäßig sein; kann dies aus zwingenden, vor allem in den örtlichen Verhältnissen gelegenen Gründen, wie infolge der Anordnung der Arbeitsräume, nicht erreicht werden, müssen diese Räume zusätzlich künstlich beleuchtet werden. Das Arbeitsinspektorat kann bei Vorliegen sonstiger wichtiger Gründe Ausnahmen von den Bestimmungen des ersten Satzes zulassen. Wichtige Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn dringend benötigte zusätzliche Arbeitsräume nur durch eine Ausnahmeregelung gewonnen werden können.

§ 8 AAV lautet:

"(1) Arbeitsräume müssen, soweit die Art der Arbeitsvorgänge oder die Zweckbestimmung des Raumes dem nicht entgegenstehen, ins Freie führende Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln, besitzen, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes betragen muß; mindestens eine etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche des Raumes muß vorhanden sein. Arbeitsräume müssen möglichst gleichmäßig natürlich belichtet sein. Lichteintrittsflächen müssen so beschaffen oder mit Einrichtungen ausgestattet sein, daß nachteilige Einwirkungen durch direktes Sonnenlicht auf die Arbeitnehmer vermieden sind.

(2) Wenn aus zwingenden, vor allem in den örtlichen Verhältnissen gelegenen Gründen, wie bei Gebäuden in dicht verbauten Ortskernen, eine ausreichende und möglichst gleichmäßige natürliche Belichtung der Arbeitsräume nicht erreicht werden kann, müssen die Arbeitsräume zusätzlich durch eine künstliche Beleuchtung erhellt sein, die den Erfordernissen des § 9 entsprechen muß.

(3) Das Arbeitsinspektorat kann bei Vorliegen wichtiger Gründe, wie bei dringend benötigten zusätzlichen Arbeitsräumen, über Antrag zulassen, daß Räume als Arbeitsräume verwendet werden, die nicht natürlich belichtet sind. In diesen Fällen müssen die Arbeitsräume durch eine künstliche Beleuchtung erhellt sein, die den Erfordernissen des § 9 entsprechen muß; sofern dies technisch durchführbar ist, muß auch eine Sichtverbindung mit dem Freien vorhanden sein."

Die Beschwerdeführerin meint, daß aufgrund der folgenden, von ihr als wichtige Gründe geltend gemachten Umstände die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung im Sinne des § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 8 Abs. 3 AAV erfüllt seien:

"(a) Zur Erhaltung unserer Konkurrenzfähigkeit sind wir

gezwungen, kurzfristig bearbeitete Obst- und Gemüseprodukte, wie z.B. Gemüsesalate und Fruchtsalate, anzubieten.

(b) Unser X-Markt am Standort W, Y-Gasse, wird seit 1.9.1979

betrieben; der zusätzliche Arbeitsraum, nämlich der Salatvorbereitungsraum, wird von uns aufgrund des geänderten Nachfrageverhaltens der Kunden dringend benötigt. Bei Errichtung des X-Marktes war das Erfordernis der Einrichtung eines Salatvorbereitungsraumes aufgrund der Tatsache, daß damals keine Nachfrage nach frisch aufbereiteten Obst- und Gemüseprodukten bestand, nicht erkennbar und auch nicht vorhersehbar. Es liegt aufgrund eines geänderten, nicht vorhersehbaren Kundennachfrageverhaltens das Erfordernis der Einrichtung eines dringend benötigten, zusätzlichen Arbeitsraumes vor.

(c) Der Salatvorbereitungsraum ist durch eine künstliche

Beleuchtung erhellt, welche den Erfordernissen des § 9 AAV entspricht.

(d) Durch die in jedem Verkaufsmarkt, unbedingt notwendige

gleichartige Abfolge der Produktpräsentation und unbedingt notwendige direkte Verbindung des Obstverkaufsbereiches mit dem Salatvorbereitungsraum ist eine Einrichtung des Salatvorbereitungsraumes an einer anderen Stelle unseres X-Marktes nicht möglich. Durch die Anordnung der Räume und Tiefe der gesamten Verkaufshalle ist aus technischen Gründen die Einrichtung einer natürlichen Belichtung, welche dem Ausmaß des § 8 Abs 1 AAV entspricht, für den Salatvorbereitungsraum nicht durchführbar.

(e) Durch organisatorische Maßnahmen sind wir in der Lage, den Einsatz unserer Mitarbeiter im Salatvorbereitungsraum so zu gestalten, daß sich kein Mitarbeiter mehr als vier Stunden täglich im Salatvorbereitungsraum aufhält. Damit wird einer potentiellen Beeinträchtigung eines Arbeitnehmers durch den Mangel einer natürlichen Belichtung eine Grenze gesetzt, welche zwar nicht (ausdrücklich) im § 8 AAV geregelt ist, jedoch eine Anlehnung an die Regelung des § 1 Zif 2 b AAV darstellt."

Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen:

Der zu lit. c geltend gemachte Umstand stellt keinen wichtigen Grund im Sinne der oben angeführten Bestimmungen, sondern eine gemäß § 8 Abs. 3 zweiter Satz AAV für die Erteilung der Ausnahmebewilligung notwendige Voraussetzung dar.

Das Vorbringen zu lit. e bezieht sich auf das in § 1 Z. 2 lit. b AAV normierte Merkmal eines "ständigen Arbeitsplatzes", geht jedoch ins Leere, weil die belangte Behörde im Beschwerdefall den Tatbestand des § 1 Abs. 2 lit. a leg. cit. als erfüllt angesehen hat. Ein wichtiger Grund im Sinne der §§ 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz und 8 Abs. 3 AAV vermag damit nicht dargetan zu werden.

Im Vordergrund steht das in lit. d) vorgebrachte Argument für die konkrete Lage des Salatvorbereitungsraumes, während die zu lit. a) und b) ins Treffen geführten Argumente nur die nachträgliche Errichtung eines derartigen Raumes von sich aus rechtfertigen sollen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich das zu lit. d) angeführte Vorbringen der Beschwerdeführerin als nicht stichhältig:

Wenn die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis auf die in jedem Verkaufsmarkt "unbedingt notwendige gleichartige Abfolge der Produktpräsentation" zum Ausdruck bringen will, daß damit der Standort des - nach ihren Behauptungen für die Lage des Salatvorbereitungsraumes maßgebenden - Obstverkaufsbereiches vorgegeben sei, so ist dem entgegenzuhalten, daß dem Verwaltungsgerichtshof ein allgemeiner Erfahrungssatz, wonach in jedem Verkaufsmarkt eine "gleichartige Abfolge der Produktpräsentation" unbedingt notwendig sei, nicht geläufig ist. Damit fällt aber die für die Schlußfolgerung der Beschwerdeführerin, es sei eine Einrichtung des Salatvorbereitungsraumes an einer anderen Stelle des Verkaufsmarktes nicht möglich, vorausgesetzte Prämisse weg, daß der Obstverkaufsbereich nicht auch so situiert werden kann, daß die vorschriftsmäßige Belichtung des mit dem Obstverkaufsbereich nach der Behauptung der Beschwerdeführerin notwendigerweise direkt zu verbindenden Salatvorbereitungsraumes gewährleistet ist. Andere einer Verlegung des Obstverkaufsbereiches und damit auch des Salatvorbereitungsraumes entgegenstehende Gründe lassen sich dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entnehmen.

Schon aus diesem Grunde erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991190338.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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