TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/9 91/19/0362

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Veröffentlicht am 09.03.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §23 Abs3;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §9 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Oktober 1991, Zl. MA 63 - S 72/90/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Spruchpunkt 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen (sohin in bezug auf den Spruchpunkt 2) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Instanzenzug ergangene, an den Beschwerdeführer gerichtete Bescheid der belangten Behörde vom 16. Oktober 1991 enthält folgenden Schuldspruch:

"Sie haben als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG der als Arbeitgeberin fungierenden XY-Gen.m.b.H. in W, A-Gasse, zu verantworten, daß in der Betriebsanlage in W, B-Gasse, am 16. Februar 1990, die mit rechtskräftigem Bescheid vom 7. Dezember 1988, MBA 10 - Ba 13.686/3/88, im Punkt 5) vorgeschriebene Auflage, wonach die Tür aus dem Verkaufsraum in den Hof im Bereich der Feinkost, die Türe aus dem Verkaufsraum in das Hausstiegenhaus und im Keller die beiden Türen in den Vorraum und in das Hausstiegenhaus als Notausgang im Sinne der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung einzurichten, zu bezeichnen und zu erhalten sind, insofern nicht eingehalten wurde, als

1) die Tür aus dem Verkaufsraum in den Hof im Bereich der Feinkost nicht als Notausgang im Sinne der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung eingerichtet war, da die Türe versperrt war und nicht durch geeignete Vorkehrungen dafür gesorgt war, daß sie sich, solange sich Arbeitnehmer aufhalten, jederzeit ohne fremde Hilfsmittel leicht öffnen läßt, und

2) der Notausgang aus dem Verkaufsraum in das Hausstiegenhaus nicht als Notausgang im Sinne der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung erhalten wurde, da die Türe mit einem Einkaufskorb und einem Bananenständer verlagert war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Zu 1) § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit Punkt 5) des Bescheides vom 7. Dezember 1988,

MBA 10 - Ba 13.686/3/88 in Verbindung mit § 23 Abs. 3 AAV,

2. Satz.

Zu 2) § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit Punkt 5) des Bescheides vom 7. Dezember 1988,

MBA 10 - Ba 13.686/3/88 in Verbindung mit § 23 Abs. 3 AAV

1. Satz, 2. Satzteil."

Über den Beschwerdeführer wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 3 AAV müssen Notausgänge und Notausstiege sowie die Zugänge zu diesen als solche deutlich sichtbar gekennzeichnet sein; sie dürfen durch Lagerungen auch vorübergehend nicht verstellt sein. Sofern Notausgänge und Notausstiege aus Betriebsgründen versperrt sein müssen, ist durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, daß sie sich, solange sich Arbeitnehmer im Raum aufhalten, jederzeit ohne fremde Hilfmittel von innen leicht öffnen lassen. § 21 Abs. 7 und 8 sind auf Notausgänge und Notausstiege anzuwenden.

Der Beschwerdeführer behauptet in Hinsicht auf die ihm zu Punkt 1) des Schuldspruches angelastete Tat, daß Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 und 2 VStG 1950) eingetreten sei, weil (fristgemäß) keine einsprechende Verfolgungshandlung in Hinsicht auf das wesentliche Tatbestandsmerkmal, daß sich dieser Notausgang nicht ohne fremde Hilfmittel von innen leicht öffnen habe lassen, gesetzt worden sei.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides umfaßt der dem Beschwerdeführer fristgemäß gemachte, allgemein gehaltene Vorwurf, der erwähnte Notausgang sei "nicht benützbar" gewesen, nicht das erwähnte - wesentliche - Tatbestandselement des § 23 Abs. 3 zweiter Satz AAV. Damit ist in Hinsicht auf die dem Beschwerdeführer zu Spruchpunkt 1) angelastet Tat Verfolgungsverjährung eingetreten, sodaß der angefochtene Bescheid in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Im übrigen - sohin in Ansehung des Spruchpunktes 2) - erweist sich die Beschwerde jedoch als unbegründet: Was zunächst den Einwand des Beschwerdeführers betrifft, im Verwaltungsverfahren sei kein Nachweis dafür vorgelegt worden, daß er der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1950 zugestimmt habe, so genügt der Hinweis, daß der Beschwerdeführer - der im Verwaltungsverfahren diese Eigenschaft trotz entsprechendem Vorwurf gar nicht bestritten hat - selbst nicht konkret behauptet, eine solche nachweisliche Zustimmung sei für die Tatzeit nicht vorgelegen (vgl. das denselben Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/19/0345). Auch verkennt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, es sei deshalb Verfolgungsverjährung eingetreten, weil innerhalb der Verjährungsfrist als Tatort lediglich der Standort der in Rede stehenden Betriebsanlage, nicht aber der Ort der Unternehmungsleitung angelastet worden sei, die Rechtslage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/19/0289, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

Auch vermag der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, als Tatzeitpunkt hätte nicht nur der 16. Februar 1990, sondern auch die Uhrzeit angegeben werden müssen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun; insbesondere ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, inwieweit der Beschwerdeführer dadurch in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt worden wäre, ist es doch insbesondere rechtlich ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer für den erwähnten Tag - wenn auch mit einer anderen Uhrzeit - in bezug auf die ihm vorgeworfene Tat neuerlich zur Verantwortung gezogen werden könnte.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war es auch nicht rechtswidrig, das Vorhandensein der im Spruchpunkt 2 angeführten Gegenstände vor dem erwähnten Notausgang als dem § 23 Abs. 3 erster Satz AAV widersprechend zu werten. Der Verwaltungsgerichtshof versteht nämlich unter den Begriff des "Verstellens" eines Ausganges durch "Lagerungen" jedes Abstellen von Gegenständen im Bereich eines Ausganges, wobei es auf den Zweck ebensowenig ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0029), wie auf die Dauer (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0068). Sohin kann darunter auch das Abstellen eines Einkaufskorbes - durch wen auch immer - verstanden werden. Den Arbeitgeber als Normadressaten des § 23 Abs. 3 AAV trifft aber auch die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß ein Verstoß gegen diese Vorschrift nicht durch betriebsfremde Personen - etwa einen Kunden - herbeigeführt wird. Auch vermag der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der belangten Behörde, die erwähnten beiden Gegenstände seien so abgestellt gewesen, daß von einem "Verstellen" des Notausganges gesprochen werden muß, nicht als rechtswidrig zu erkennen, konnte sie sich doch insoweit sowohl auf die Aussage des eingeschrittenen Organes des Arbeitsinspektorates als auch auf jene des Filialleiters stützen, welche übereinstimmend angegeben hatten, die beiden Gegenstände hätten sich "vor der Tür" befunden. Einer weiteren Ermittlung in dieser Hinsicht bedurfte es sohin nicht.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich unter Hinweis auf das bestehende Kontrollsystem ein Verschulden an der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestreitet, so genügt es gleichfalls, auf das zitierte hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/19/0345, zu verweisen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin in Ansehung des Spruchpunktes 2 des angefochtenen Bescheides als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991190362.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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