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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §42 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla, Dr. Kratschmer und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. August 1991, Zl. 512.781/02-I5/91, betreffend Zwangsrechtsbegründung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 25. Februar 1991 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich der mitbeteiligten Partei (mP) gemäß § 32 WRG 1959 im Spruchabschnitt I die wasserrechtliche Bewilligung zur Erweiterung der Ortskanalisation durch Erschließung eines zusätzlichen Gebietes im Bereich der S-Siedlung unter verschiedenen Bedingungen und Auflagen. Im Spruchabschnitt II ("Freiwillig eingeräumte Dienstbarkeiten") wurde "festgestellt, daß mit dem Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides (Spruchabschnitt I. als Teilbescheid) die Dienstbarkeit der Errichtung und des Betriebes und im erforderlichen Ausmaß der Wartung und Erhaltung der gemäß Spruchabschnitt I. dieses Bescheides wasserrechtlich bewilligten Wasserbenutzungsanlagen (Leitungen samt Nebenanlagen) zugunsten des Inhabers dieser Bewilligung und zu Lasten der bei bewilligungsgemäßer Ausführung berührten Grundstücke im Sinne der Bestimmungen des § 63 lit. b WRG 1959 als eingeräumt anzusehen ist". Zum Spruchabschnitt II wurde begründend ausgeführt, daß fremde Grundstücke durch die Errichtung und den Bestand der mit Spruchabschnitt I bewilligten Leitungsanlagen lediglich in einem der Bestimmung des § 111 Abs. 4 WRG 1959 Rechnung tragenden unerheblichen Ausmaß in Anspruch genommen würden; da auch alle anderen nach dieser Gesetzesstelle für das Entstehen von Legalservituten notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen vorgelegen seien - so hätten insbesondere die betroffenen Grundeigentümer der Grundinanspruchnahme nicht widersprochen -, habe die spruchgemäße Feststellung getroffen werden können. Diese Feststellung beziehe sich jedoch nur auf jene Fremdgrundstücke, deren Inanspruchnahme zugunsten der mP weder durch Enteignung noch durch Übereinkommen sichergestellt worden sei.
In der Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, daß er vor der am 5. Februar 1991 durchgeführten wasserrechtlichen Bewilligungsverhandlung mit M dahin gehend eine Vereinbarung abgeschlossen habe, daß er (der Beschwerdeführer) der Verlegung des verfahrensgegenständlichen Kanals über sein Grundstück dann zustimme, wenn ihm dieser (M) im Bereich seiner Garage ein Fahrtrecht auf dem von der mP zu erichtenden Weg einräume. Da jedoch M noch während der Wasserrechtsverhandlung seine Zustimmung zur Einräumung dieses Fahrtrechtes widerrufen habe, habe auch er dem Verhandlungsleiter erklärt, der Verlegung des Kanals über sein Grundstück nicht mehr zuzustimmen. Trotz dieser ausdrücklich erklärten Stellungnahme habe jedoch der Verhandlungsleiter mit seiner Unterschrift bestätigt, daß keine gesonderte Stellungnahme abgegeben worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 AVG abgewiesen und begründend ausgeführt, daß - den Ausführungen in der Berufung folgend - die in der Wasserrechtsverhandlung aufgenommene Niederschrift nicht den Erfordernissen des § 14 AVG entspreche und daher nicht die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde habe. Es sei daher davon auszugehen, daß die Einwendungen des Beschwerdeführers nicht protokolliert worden seien. Eine Präklusion im Sinne des § 42 AVG sei daher nicht eingetreten. Auf Grund eines ergänzend eingeholten Gutachtens des wasserbautechnischen Amtssachverständigen ergebe sich die Notwendigkeit einer Zwangsrechtseinräumung, deren Voraussetzungen (konkreter Bedarf nach diesem Eingriff und Überwiegen des öffentlichen Interesses am Bauvorhaben gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers am Weiterbestand seiner Rechte) im Gegenstand vorlägen. Für die Festsetzung einer Entschädigung müsse geprüft werden, ob eine Behinderung beim Pflügen durch die Kanaltrasse entstehen könnte; allfällige Schäden aus dem Bestand oder Betrieb der gegenständlichen Wasserbenutzungsanlage seien bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Darin führt der Beschwerdeführer aus, daß die Voraussetzungen für die Enteignung nicht vorlägen, da in der Wasserrechtsverhandlung durchaus ein Kompromiß, sohin ein Übereinkommen, hätte erzielt werden können; eine "Zwangsverpflichtung" sei daher "nicht erforderlich gewesen".
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Gegenstand ist unbestritten, daß die mP für die Ausführung ihres Vorhabens projektsgemäß Grund des Beschwerdeführers in Anspruch nimmt, wozu sie jedenfalls der Zustimmung des Grundeigentümers bedarf; unbestritten ist ferner, daß eine solche Zustimmung seitens des Beschwerdeführers bisher nicht erteilt worden ist.
Nach § 111 Abs. 1 WRG 1959 in der hier anzuwendenden Fassung der Wasserrechtsnovelle BGBl. Nr. 252/1990 hat die Wasserrechtsbehörde nach Beendigung aller erforderlichen Erhebungen und Verhandlungen, wenn der Antrag nicht als unzulässig abzuweisen ist, über Umfang und Art des Vorhabens und die von ihm zu erfüllenden Auflagen zu erkennen. Der Ausspruch über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang von Zwangsrechten (§ 60) hat, wenn dies ohne Verzögerung der Entscheidung über das Vorhaben möglich ist, in demselben Bescheid, sonst mit gesondertem Bescheid zu erfolgen. Alle nach den Bestimmungen dieses Absatzes ergehenden Bescheide sind bei sonstiger Nichtigkeit schriftlich zu erlassen.
Weiters sind nach Abs. 3 dieser Bestimmung alle im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens getroffenen Übereinkommen auf Antrag der Beteiligten mit Bescheid zu beurkunden. Bilden den Gegenstand des Übereinkommens Rechtsverhältnisse, zu deren Regelung im Entscheidungswege die Wasserrechtsbehörde in Ermangelung eines Übereinkommens zuständig gewesen wäre, findet bei Streitigkeiten über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens § 117 sinngemäß Anwendung.
Hat sich im Verfahren ergeben, daß die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt, und ist weder vom Grundeigentümer eine Einwendung erhoben noch von diesem oder vom Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 lit. b gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden, so ist nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung die erforderliche Dienstbarkeit im Sinne des § 63 lit. b als eingeräumt anzusehen.
Aus diesen (und anderen) Bestimmungen des WRG 1959 ergibt sich, daß grundsätzlich gleichzeitig mit der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für ein bestimmtes Projekt Vorsorge für dessen Realisierung, insbesondere im Hinblick auf die Inanspruchnahme fremder Liegenschaften, zu treffen ist (sogenannte Realisierungsvorsorge). Diese kann in der Beurkundung eines Übereinkommens (§ 111 Abs. 3 leg. cit.), in der Einräumung bzw. dem ausnahmsweise ausgesprochenen Vorbehalt der Einräumung eines Zwangsrechts (§ 111 Abs. 1 leg. cit.) oder in der Anwendung des § 111 Abs. 4 leg. cit. bestehen.
Der Landeshauptmann ist in der Begründung seines Bescheides davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des § 111 Abs. 4 leg. cit. vorlägen. Demgegenüber hat die belangte Behörde - dem Berufungsvorbringen folgend - ausgeführt, daß die in der Wasserrechtsverhandlung der Behörde erster Instanz vom 5. Februar 1991 erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers nicht protokolliert worden seien.
Die belangte Behörde hätte daher im weiteren Verfahren zwecks Realisierung der projektsgemäß vorgesehenen Grundinanspruchnahme prüfen müssen, ob ein die projektsgemäße Inanspruchnahme umfassendes Übereinkommen zwischen den Verfahrensparteien erzielbar ist (§ 60 Abs. 2 WRG 1959), oder hätte im Nichteinigungsfall nach § 63 lit. b WRG 1959 die erforderlichen Zwangsrechte einzuräumen bzw. das Bewilligungsansuchen abzuweisen gehabt.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen und damit auch den auf § 111 Abs. 4 WRG 1959 gestützten Spruchabschnitt II des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt; dagegen ist sie in der Begründung ihres Bescheides von einer Zwangsrechtseinräumung nach § 63 lit. b WRG 1959 ausgegangen. Der sich daraus ergebende Widerspruch zwischen Spruch und Begründung stellt nach der ständigen hg. Judikatur eine inhaltliche Rechtswidrigkeit dar (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 575 zitierte Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, im Rahmen des gestellten Antrages.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991070132.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
22.05.2013